Menden/Wimbern. Nach fünf Monaten ist die entlaufene Kuh wieder im Heimatstall. Zuvor hatte es keiner geschafft, das Tier einzufangen. Wie das jetzt doch gelang.
Der Mendener Nebenerwerbslandwirt aus Brockhausen guckt am Samstagabend nicht glücklich, dabei hätte er eigentlich allen Grund dazu. Denn nach mehr als fünf Monaten ist seit Mittag auch das verflixte siebte Rind wohlbehalten zurück im eigenen Stall, das zusammen mit sechs Artgenossen im April dieses Jahres ausgebüxt war (wir berichteten).
Der Bauer will die Tiere in Kürze verkaufen und die Rinderhaltung aufgeben. Dabei gehörten Paarhufer schon seit Kindertagen zu dem elterlichen Hof auf dem kleinen Kotten in Dahlsen. Denn schon sein Vater war seinerseits Landwirt und hatte einen Milchvieh-Betrieb.
Viel Ärger und schlaflose Nächte
Doch seit dem Ausbruch der Wiederkäuer beim Austrieb auf die Sommerweide vor mehr als fünf Monaten hatte der Tierhalter zu viel Ärger und schlaflose Nächte wegen der Rinder. Sein Telefon stand zeitweise kaum noch still. Immer wieder gab es Meldungen von Sichtungen des frei laufenden Großviehs, welches beim Austrieb im Frühling zwei Zäune durchbrach, wie der Bauer berichtete.
+++ Ausgebüxte Kuh genoss ihre Freiheit +++
Die Leitstellen der Polizeibehörden im Märkischen Kreis und im angrenzenden Nachbarkreis Soest registrierten seitdem vermehrt Anrufe von aufgeregten Bürgern, die an und auf teils viel befahrenen Straßen die entlaufenen Rinder beobachtet hatten. Denn die mehrere hundert Kilogramm schweren Nutztiere stellen natürlich eine enorme Gefahr für den Straßenverkehr da. Auch dem Besitzer war dieses Risiko natürlich bewusst und er versuchte, seine ausgebüxten Rinder der Rasse „Limousin“ erst selbst und später dann mit Hilfe Dritter wieder einzufangen. Berittene Rinderhirten („Cowboys“) aus Hagen versagten dabei angeblich ebenso wie der Mendener selbst.
Fünf der sieben Tiere wieder im eigenen Stall in Dahlsen
Im Laufe der Zeit hatte der Landwirt aber fünf der sieben Tiere wieder im eigenen Stall in Dahlsen. Ein weiteres hatte sich einer fremden Kuhherde auf einer umzäunten Weide in Oesbern angeschlossen.
Beim Einfangen der anderen Rinder geholfen hatte insbesondere der Soester Tierarzt Michael Behrendts, der fünf Tiere mit Betäubungspfeilen narkotisierte, die er mit Blasrohr oder Gewehr abgeschossen hatte. Da sich die ausgebüxten Rinder in der Region verteilt hatten und teilweise im Dickicht von hohen Rapsfeldern kaum zu finden waren, wurde sogar eine Drohne eingesetzt, um die Tiere in der mit dichtem Grün bewachsenen Landschaft aufzuspüren.
+++ Ausgebüxter Kuh aus Menden drohte der Abschuss +++
Nach einem schweißtreibenden Einsatz am Pfingstwochenende waren auf jeden Fall ein halbes Dutzend der Tiere wieder in Sicherheit. Zwischendurch hatte es immer wieder Meldungen über „freilaufende Kühe“ von Bürgern an die Leitstelle der Polizeibehörde des Märkischen Kreises gegeben, wie deren Sprecher Christof Hüls im WP-Gespräch mitteilte.
Immer wieder Meldungen von Zeugen an die Polizei
Die verflixte siebte „Kuh“, eigentlich nur ein weibliches Rind ohne Kalb, tauchte dann plötzlich jenseits der Mendener Stadtgrenze im Nachbarkreis Soest auf. Auch die dort zuständige Soester Polizei und das Ordnungsamt der Gemeinde Wickede bekamen mehrfach Meldungen über Sichtungen des freilaufenden Tieres im Bereich der Wimber Heide gegenüber dem Heilig-Geist-Kloster an der Mendener Straße (Ortsdurchfahrt der B 63).
+++ Tierarzt sucht mit Blasrohr nach der ausgebüxten Kuh +++
Doch im geschickten Wechsel zwischen weitem Feld ohne Zäune und dem angrenzenden Forst von Ketteler-Boeselager trickste das schlaue Tier seine Häscher aus. Dabei verschwand es trotz mehrerer Treffer mit Narkose-Pfeilen im Dickicht des Waldes und schlief dort seinen „Rausch“ aus, um an den Folgetagen wieder ruhig grasend am Wegesrand gesichtet zu werden. Denn aufgrund von Dämmerung und Dunkelheit sowie dem Dickicht mit Brombeerranken am Waldrand konnten Bauer und Tierarzt ihm nicht schnell genug folgen. Selbst ein Nachtsichtgerät brachte nicht den erwünschten Erfolg. Und auch über das Gatter eines Fangwagens sprang das agile Rind behände wie ein Springpferd und gab erfolgreich Fersengeld.
Letzte Lösung wäre ein tödlicher Schuss durch einen Jäger gewesen
Mit der Kreispolizeibehörde hatte Tierarzt Michael Behrendts bereits telefonisch abgesprochen, dass als letzte Lösung nur noch ein tödlicher Schuss durch einen Jäger zur Gefahrenbeseitigung geholfen hätte. Doch dazu musste es zum Glück nicht mehr kommen. Denn am vergangenen Samstag lief das verflixte siebte Rind von der Wimber Heide bis zum etwa fünf Kilometer entfernten Hof Goeke nach Werringsen. Hier schummelte es sich durch ein Wirtschaftsgebäude auf die Weide einer kleinen Kuhherde. Als diese am Mittag zum Melken in den Stall getrieben wurde, fing man das vor mehr als fünf Monaten ausgebüxte Tier in einer Selbstfangeinrichtung. Anschließend wurde es per Viehtransporter wieder in den Stall nach Dahlsen gebracht.
Das weitere Schicksal? Bezeichnung „Fleischrind-Rasse“ zutreffend
Ich bin heilfroh, dass die Kuh wieder wohlbehalten im Stall ist“, berichtete Tierarzt Michael Behrendts am Montag gegenüber der WP. „Das Rind hat sich auch in Freiheit gut entwickelt, da der Halter zwischenzeitlich auch Kraftfutter zugefüttert hat.“
Zur Frage, was nun mit der „Kuh von Wimbern“ geschehe, heißt es gegenüber der WP, dass die Bezeichnung „Fleischrind-Rasse“ darüber sicherlich Auskunft gebe. Wenn das Rind im Stall in Dahlsen noch etwas gemästet werde, komme normalerweise ein Viehhändler, der das Nutztier für einen Schlachthof kaufe.
Langer Lebensabend auf Gnadenhof bleibt wohl ein frommer Wunsch
Ein langer Lebensabend auf einem Gnadenhof bleibt also wohl ein frommer Wunsch von romantisch veranlagten Tierschützern. Rinder seien generell keine Einzelgänger, sondern Herdentiere und suchten die Geselligkeit mit Artgenossen. Alleine im Wald seien die Tiere nicht glücklich.
Den Anliegern und vielen Passanten wird die vierbeinige Attraktion mit ihrem rot-braunen Fell in der Wimberner Feldflur aber sicherlich fehlen. Viele hatten die „Kuh von Wimbern“ schon fest ins Herz geschlossen – ungeachtet der potenziellen Gefahr für den Verkehr auf den nahen Bundesstraßen B 7 und B 63.