Menden/Oberrödinghausen. In Menden gibt es ein geheimes Trainingszentrum für Spezialeinheiten. Einige Einsätze schocken die Nachbarn. Die Polizei rechtfertigt das.

Ein Trainingsgelände für Sondereinsatzkommandos im Hönnetal sorgt zunehmend für Ärger bei Anwohnern. Hubschrauberlärm und Schießübungen sind rund um die Uhr zu hören. Jetzt wähnen sich Nachbarn mitten im Actionfilm, weil Hubschrauberpiloten auch außerhalb des Geländes spektakuläre Anflüge auch über Privathäusern trainieren. Die Landespolizei erklärt das für notwendig. +++ Auch interessant: SEK-Einsatz in Menden – Polizei kämpft gegen Todes-Gerüchte +++

Hubschrauber mit schwerbewaffneten Einsatzkräften plötzlich über dem Haus

Übung: Die Spezialeinheit seilt sich aus einem Helikopter ab. Offensichtlich trainiert das SEK solche Szenarien auch ungefragt über Privathäusern.
Übung: Die Spezialeinheit seilt sich aus einem Helikopter ab. Offensichtlich trainiert das SEK solche Szenarien auch ungefragt über Privathäusern. © WAZ FotoPool | Marcus Simaitis

Man habe den Hubschrauberpiloten in die Augen sehen können, klagte eine Anwohnerin jüngst bei einer Bürgerversammlung in Asbeck. „Es war wie im Krieg“, sagt eine andere Anwohnerin zur WP. „Plötzlich war der Hubschrauber direkt über unserem Dach. Das war ein Höllenlärm.“ Schwerbewaffnete Einsatzkräfte seien an den geöffneten Türen zu sehen gewesen. „Wir dachten, jetzt hat unser Stündlein geschlagen.“ Zuletzt seien solche Szenen immer häufiger vorgekommen.

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Man nehme „mit Bedauern zur Kenntnis“, dass es „zu Unannehmlichkeiten für unsere Nachbarn gekommen ist“, sagt Sevinc Sethmacher. Sie ist Sprecherin des Landesamtes für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei Nordrhein-Westfalen. Die Behörde, kurz LAFP, betreibt das Trainingszentrum im Steinbruch Emil, in unmittelbarer Nähe zur von den Nazis gebauten Anlage Schwalbe 1. Dort sollte unterirdisch Treibstoff für Düsenjäger produziert werden.

Landesamt: Polizei darf bei Trainingsflügen Regeln verletzen

„Wir sind sehr daran interessiert, wie in den vergangenen rund 40 Jahren, eine gute Nachbarschaft vor Ort zu pflegen“, sagt Sethmacher. Man nehme die Kritik ernst und ziehe sie in „weitere Überlegungen“ mit ein. Was in den Schilderungen der Anwohner übertrieben klingt, scheint tatsächlich Realität zu sein. „Einsatztaktische Flugverfahren müssen regelmäßig trainiert werden, damit sie im Einsatzfall sicher angewandt werden können“, sagt Sethmacher. „An- und Überflüge in geringen Flughöhen stellen eine mögliche einsatztaktische Variante dar und müssen daher trainiert werden.“

Der Polizei-Übungsplatz im Steinbruch Oberrödinghausen aus der Vogelperspektive. In den Gebäuden und auf der Anlage trainieren die Einsatzkräfte.
Der Polizei-Übungsplatz im Steinbruch Oberrödinghausen aus der Vogelperspektive. In den Gebäuden und auf der Anlage trainieren die Einsatzkräfte. © www.blossey.eu | Hans Blossey

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Für die Polizei gebe es ausdrücklich Ausnahmen, von flugrechtlichen Vorschriften abzuweichen, „sofern dies zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben zwingend erforderlich ist“, erklärt Sethmacher. Sie widerspricht allerdings Gerüchten, dass sich die trainierenden Beamten auch mal den einen oder anderen fliegerischen Scherz erlauben: „Jeder Hubschrauberflug der Polizeifliegerstaffel NRW findet ausschließlich aufgrund dienstlicher Veranlassung statt.“ Der Flugbetrieb im Bereich des Trainingszentrums Hönnetal finde ausschließlich auf Anforderung einer Polizeibehörde oder des LAFP NRW zu Trainings- und Schulungszwecken für Spezialeinheiten statt.

Übungen mit Kurz- und Langwaffen – Nachtübungen nur Ausnahmen?

Blutige Szenarien im Steinbruch Emil: Dort trainieren die Beamten realitätsnah echte Einsatzlagen.
Blutige Szenarien im Steinbruch Emil: Dort trainieren die Beamten realitätsnah echte Einsatzlagen. © WP | NITSCHE, Thomas

Das LAFP widerspricht Schilderungen, dass es auch verstärkt an Wochenenden zu Schießübungen komme. „Die Nutzungszeiten liegen grundsätzlich in den Tagesstunden. Nachtübungen stellen eine Ausnahme dar. An Wochenenden finden grundsätzlich keine Trainings statt“, sagt Sethmacher. „Schießübungen in unterschiedlichen Intensitäten finden grundsätzlich täglich statt. Es wird mit Kurz- und Langwaffen geschossen, so dass unterschiedliche Geräuschemissionen entstehen. Detailliertere Schilderungen hierzu sind aus einsatztaktischen Gründen nicht möglich.“

Das Spezialeinsatzkommando (SEK) der NRW-Polizei hält im Trainingszentrum in Menden eine Übung ab. Die Spezialeinheit bei einer Übung bei der ein Haus gestürmt wird um eine Person aus einer Bedrohungslage mit Schusswechsel zu retten.
Das Spezialeinsatzkommando (SEK) der NRW-Polizei hält im Trainingszentrum in Menden eine Übung ab. Die Spezialeinheit bei einer Übung bei der ein Haus gestürmt wird um eine Person aus einer Bedrohungslage mit Schusswechsel zu retten. © WAZ FotoPool | Marcus Simaitis

Auch aus der Lendringser Gastronomie sind immer wieder Klagen zu hören. Dabei geht es aber eher um rüpelhaftes Verhalten trinkfester Mitglieder ausländischer Einheiten, die das Zentrum ebenfalls für Trainings nutzen. „Die Anlage wird rudimentär von ausländischen Kräften genutzt“, erklärt Sprecherin Sethmacher. „Das Verhalten der Kräfte außerhalb der Anlage wird nicht begleitet und liegt in deren eigener Verantwortung.“ +++ Filmemacher dringen in ehemaligen Nazi-Stollen vor +++

Polizei hält Geschehen auf der Anlage weitestgehend geheim

Die Polizei hält die Anlage und das Geschehen dahinter weitestgehend geheim. Letzter öffentlicher Termin war eine Präsentation mit dem damaligen Innenminister Ralf Jäger (SPD) im Jahr 2011. Die Polizei lehnt aktuell auch einen Ortstermin mit der Redaktion ab. „Die weiteren Inhalte unterliegen der Geheimhaltung, so dass ein Termin vor Ort nicht möglich ist“, heißt es. Für ein im Comedy-Stil durch die Polizei produziertes Video mit 1-Live-Reporter Daniel Danger („Kommissar Danger“) galten im Sommer 2018 noch andere Regeln. Wie bei Youtube zu sehen ist, wurde für diese „Trainingszwecke“ auch extra ein Hubschrauber bewegt.

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