Lendringsen. Der Berliner Künstler mit Fröndenberger Wurzeln hat über ein Jahr an dem Werk gearbeitet. Das steckt dahinter.
Der Wandschmuck in einem der kleinsten Räume des Industriemuseums Gut Rödinghausen wirkt auf den ersten Blick wie ein gewellter Vorhang. Tatsächlich aber ist er eines der größten Kunstwerke, die Patrick Lemke bisher geschaffen hat – extra für Menden. Umso erfreuter ist der Künstler, dass seine Ausstellung im Industriemuseum verlängert worden ist. Museumsleiterin Jutta Törnig-Struck kann nach einer coronabedingten Pause derweil erfreuliche Besucherzahlen präsentieren.
Kleidung und Mode
Über ein Jahr arbeitete Patrick Lemke an der 37 Meter langen Leinwand, die die Wände des Raumes ziert. „Eineinhalb Jahre lang war so gut wie nichts möglich“, blickt der Künstler zurück, der in der Vergangenheit unter anderem die Fassade des Fröndenberger Rathauses neu gestaltete. „Ich habe von meiner Altersvorsorge gelebt“, sagt Lemke. Umso erfreuter zeigt er sich, dass seine Ausstellung im Mendener Industriemuseum nun bis Ende Januar 2022 verlängert wurde. Nicht weniger erfreut darüber ist Museumsleiterin Jutta Törnig-Struck. Denn es ist auch eine Reaktion auf den Besucherstrom der vergangenen Monate.
Bis Mitte Mai war das Industriemuseum coronabedingt geschlossen. Nach einem eher schleppenden Start – bis Ende Juni kamen gerade einmal 92 Besucher – waren vor allem die Sommermonate deutlich stärker. Alleine im August und September besuchten 970 Menschen Gut Rödinghausen. Zahlen, die die Museumsleiterin optimistisch in die Zukunft blicken lassen. Thematisch bleibt das Industriemuseum dem Kunstfest treu. Unter dem Motto „Passagen“ zeigt die Wechselausstellung derzeit die Vorläufer der heutigen Shopping-Malls. „Wir wollen alte und neue Objekte in einen Dialog bringen“, erklärt Jutta Törnig-Struck. So sind nicht nur Kunstwerke ausgestellt, die etwa die Vorläufer großer Einkaufszentren in Paris dokumentieren, sondern auch Mode aus der Zeit. „Auch wenn wir keinen Picasso ausstellen können“, scherzt die Museumsleiterin. Die Kleidungsstücke sind allesamt von Mendenern gestiftet worden. Und das schütze eben auch historische Überbleibsel, die sonst verloren gehen würden. „Die Hüte mit den Kleidermotten musste ich erst einmal bei mir in die Tiefkühltruhe stecken“, sagt Jutta Törnig-Struck. Die Kälte habe den ungebetenen Gästen dann den Garaus gemacht. Mit Seide verzierte Kleidungsstücke haben derweil ein anderes Problem: ihre Farbe. Denn die habe die Seide über die Jahre brüchig werden lassen. „Die Mode erzählt auch viel über die gesellschaftliche Veränderung, etwa die Rolle der Frau“, sagt Jutta Törnig-Struck. Besucher, die durch das Erdgeschoss des Industriemuseums schlendern, fühlen sich in die Zeit der großen Shopping-Malls in Paris zurückversetzt.
Jedes Kunstwerk eine Geschichte für sich
Der wahre Hingucker ist aber die 37 Meter lange Leinwand Lemkes. „Je länger der Lockdown wurde, desto länger wurde auch das Kunstwerk“, sagt er. Mit den Arbeiten hat Lemke bereits im April 2020 begonnen. Etappenweise sind so Abschnitte von fünf bis sieben Meter Länge entstanden. Am Ende sind so gut 200 Liter Sprühfarbe und mehrere Liter Ölfarben auf der Leinwand gelandet. Oftmals habe sein Atelier in Berlin eher einer Lackiererei geglichen, so dicht sei der Farbnebel gewesen. „Eigentlich wollte ich die Decke auch noch mit rein nehmen“, sagt der Künstler. Doch das habe schlussendlich den Rahmen der Möglichkeiten gesprengt. Auf der Leinwand selbst sind unter anderem Figuren zu sehen, die eine schräg nach oben verlaufende Linie erklimmen. Sie soll Kurven mit Corona-Inzidenzen widerspiegeln.
Lemke verbindet abstrakte Hintergründe gerne mit realistischen Figuren. Entweder schauen sie den Betrachter direkt an oder es sind Silhouetten. „Mit den meisten Bildern verbinde ich besondere Erlebnisse“, sagt Lemke. So sind die bunten Quadrate auf einem Werk an das Mischpult eines DJs angelehnt, geometrische Kreise sollen Lichtreflexionen während der Show darstellen. Insgesamt sind Bilder aus gut 25 Jahren Schaffenszeit des Künstlers ausgestellt – von frühen Werken mit Tusche und Aquarell bis hin zum maßgefertigten Wandschmuck. Ziellos malt Lemke aber keinesfalls drauf los. Jedem Bild liege eine Idee zugrunde. Danach sei es ein wenig wie Schachspielen. „Ich fange mit gelb und weiß an und der Rest ergibt sich Zug um Zug.“