Menden/Dernau. Kaum ein Ort ist so zerstört durch die Flut wie das Ahrtal. Zwei Mendener helfen seit Wochen beim Wiederaufbau mit. Und das nagt an der Substanz.

Es sind Anblicke, die schon auf Fotos und Bildern erschrecken: Die Überflutungen im rheinland-pfälzischen Ahrtal waren verheerend. Neben extremen Schäden, weggeschwemmten Häusern und komplett zerstörten Dörfern, haben auch zahlreiche Menschen ihr Leben in den Fluten verloren. Der Mendener Tim Döbel hat das Ausmaß live miterlebt, seit mehr als vier Wochen hilft er gemeinsam mit anderen in der Stadt Dernau, mit vereinten Kräften versuchen sie alle, das Dorf wieder aufzubauen und den Einwohnern Hoffnung, eine Perspektive zu geben.

Helfende Hände werden nach wie vor dringlichst in den betroffenen Gebieten benötigt. „Da es sich hier im Gegensatz zum Ahrtal etwas in Grenzen gehalten hat, haben wir uns entschieden, dort zu helfen“, sagt der 28-Jährige im Gespräch mit der Westfalenpost. Gemeinsam mit einem guten Freund, Johannes Klauke, hat er den Kontakt zu Landwirt Johannes Laurenz gefunden. Dieser hatte die Hilfsaktion kurz nach der Katastrophe ins Leben gerufen. Die Entscheidung, im Ahrtal mit anzupacken, stand für beide Mendener schnell fest. Vielleicht auch aus dem Grund, dass beide selbst aus einem Dorf kommen und ebenso jeweils Mitglied im Hüingser sowie im Halinger Schützenverein sind. Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung sind fast schon eine Selbstverständlichkeit für die jungen Männer.

Die Mendener Tim Döbel und Johannes Klauke (von links) helfen seit mehr als vier Wochen im überschwemmten Ahrtal. Sie versuchen gemeinsam mit vielen anderen das Dorf Dernau wieder aufzubauen.
Die Mendener Tim Döbel und Johannes Klauke (von links) helfen seit mehr als vier Wochen im überschwemmten Ahrtal. Sie versuchen gemeinsam mit vielen anderen das Dorf Dernau wieder aufzubauen. © WP | Tim Döbel

Sieben-Tage-Woche

Am 21. August, eine Woche nach der Flutkatastrophe, fuhren Tim Döbel und Johannes Klauke zusammen mit den anderen Helfern zum ersten Einsatz nach Dernau. „Die erste Fahrt war komplett unter Anspannung“, erinnert sich der 28-Jährige. Man wusste nur von Bildern, was auf einen zukommen würde, vom wirklichen Ausmaß hatte man so gut wie keine Ahnung. „Wir kamen erst mitten in der Nacht an, das Ausmaß haben wir also erst am nächsten Tag gesehen.“ Und es war erschreckend. Also ging es auch direkt los. Großartig Zeit, um sich Gedanken zu machen, wo man überhaupt anfangen soll, blieb den Helfern nicht. „Man hat einfach mit angepackt.“ Zunächst sollten Johannes Klauke und Tim Döbel nur von Mittwoch bis Freitag im Ahrtal bleiben. Doch bereits der erste Einsatz wurde direkt bis Sonntag verlängert. „Dann waren wir zwei Stunden zuhause, haben kurz geduscht, neue Sachen eingepackt und sind von Sonntag bis Donnerstag wieder hingefahren.“ Eine nervenaufreibende Zeit – und vor allem eine Zeit, die auch die jungen Männer an ihre körperlichen Grenzen bringt. Nach der Ankunft daheim am darauffolgenden Sonntag in der Nacht ging es am Dienstag wieder nach Dernau. Danach war dann der Urlaub der beiden Berufstätigen vorbei. „Also haben wir jetzt eine Sieben-Tage-Woche eingeführt“, erklärt Tim Döbel. Von montags bis freitags gehen die meisten aller Helfer ihrem eigentlichen Beruf nach, das gesamte Wochenende helfen sie dann im Ahrtal. „Natürlich ist das anstrengend, ich bin auch Familienvater, das ist schon schwierig im Moment“, gibt der gelernte Kfz-Mechatroniker zu. Doch die Dankbarkeit der Menschen vor Ort sei so enorm und gebe ihm und all den anderen unermüdlichen Helfern immer wieder neue Kraft.

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Persönliche Schicksale

Mit vielen betroffenen Flutopfern kamen beide Mendener ins Gespräch. Vor allem beim Essen in der privat organisierten Suppenküche haben die Menschen viel erzählt. Das Leid ist unfassbar groß. Viele Eltern habe ihre Kinder verloren, zwei Schwestern verbrachten 16 Stunden auf einem Baum, nachdem ihr Auto in die Fluten gerissen wurde, und das sind nur Bruchteile der Geschichten, die die Opfer durchgemacht haben. „Die Geschichten schluckt man manchmal einfach, danach muss man wirklich noch mal in sich gehen.“ Die persönlichen Erlebnisse haben alle Helfer unglaublich gerührt. „Wir möchten den Menschen einfach neue Kraft spenden.“

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Jeder kleine Erfolg sei besonders. Doch, bis das Dorf auch nur ansatzweise wieder aufgebaut ist, dauert es noch Monate, vermutet Tim Döbel. „Im Moment trocknen wir die Häuser mit Zelt-Heizungen, das ist schon ein Riesen-Erfolg“, sagt der Kfz-Mechatroniker stolz. Jeder, der mithilft, packt einfach irgendwo mit an. Von Kärcher-Teams über Elektriker-, Stemm- bis hin zu Straßenräum-Teams ist alles dabei. „Natürlich geht man irgendwann am Stock“, sagt Döbel offen. Doch bis Dernau wieder für die Opfer bewohnbar ist, möchte er definitiv weiter mit anpacken, das steht jetzt schon für ihn fest. „Die Zeit zuhause genießt man dadurch natürlich umso mehr. Und wir merken einfach, dass wir mit der Arbeit etwas bewegen.“

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Nach wie vor werden Helfer, die im Ahrtal mit anpacken möchten, händeringend gesucht und gebraucht. Interessierte können sich bei Tim Döbel melden. Kontakt zu ihm ist über die E-Mail: hilfeimahrtal@gmail.com möglich. Schlafplätze sind zu genüge vorhanden, sagt der Mendener.

Zudem hat die private Hilfsgruppe, die durch den Landwirt Johannes Laurenz ins Leben gerufen wurde, ein Spendenkonto eingerichtet. Beträge können an die Kreissparkasse Ahrweiler, IBAN: DE08 5775 1310 1000 5625 59 gespendet werden. Der Name des Kontos: Spendenkonto Katastrophenhilfe der Ortsgemeinde Dernau. Betreff: Direkthilfe für unsere Dorfbevölkerung.

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