Menden/Siegen/Saarbrücken. Im Streit um die Impfstudie an Kindern und Jugendlichen legt Impfdoktor Gregor Schmitz nach. Die Forscher verteidigen ihre Studie trotz Pannen.

Die geplante Impfstudie mit Zwölf- bis 15-Jährigen schlägt hohe Wellen im Märkischen Kreis. Einer der beteiligten Forscher verteidigt das Projekt im Gespräch mit der Redaktion. Während im Kreis Siegen-Wittgenstein Jugendliche gegen die Empfehlung der Ständigen Impfkommission geimpft werden sollen, soll der Märkische Kreis als Referenzregion dienen. Das örtliche Gesundheitsamt wurde aber nicht informiert (WP berichtete) und attackierte am Dienstag die Studie.

„Eltern müssen also keine Sorge haben, dass wir Kinder nicht impfen, um Daten für eine aus meiner Sicht zweifelhafte Studie zu liefern. Das ist medizinisch und ethisch nicht vertretbar“, erklärte Dr. Gregor Schmitz, Leiter des Impfzentrums im Märkischen Kreis. Beim Märkischen Kreis hatte man von der Studie aus der Zeitung erfahren und gefolgert, dass man ja nur Vergleichsregion sein könne, wenn eben im MK nicht geimpft werde. Das werde man aber nicht tun. Sobald die Stiko eine Empfehlung ausspreche, werde man sie umsetzen. +++ Hintergrund: So soll die Studie im Kreis Siegen-Wittgenstein durchgeführt werden +++

Forscher hoffen auf auf wichtige Daten zu Impfung bei Jugendlichen

Es sei am Ende für das Ergebnis der Studie gar nicht entscheidend, ob früher oder später im Märkischen Kreis geimpft werde, sagt Professor Dr. Karsten Lehr, vom Lehrstuhl für Klinische Pharmazie an der Uni des Saarlandes auf Nachfrage. „Das können wir über unsere Verfahren rechnerisch berücksichtigen.“ Er erhoffe sich von der Studie jede Menge Daten über die Altersgruppe, „in der aktuell die Inzidenz am höchsten“ sei. Die Rolle des Märkischen Kreises sei dabei eher passiv zu sehen. „Der Märkische Kreis muss eigentlich nichts machen. Wir wollen zum Beispiel schauen, wer sich überhaupt impfen lassen will. Alleine daraus können wir lernen.“

Lehr gesteht dennoch ein, dass die Vergleichsregion in der Studie nur Sinn ergebe, wenn tatsächlich ein gewisser zeitlicher Verzug beim Impfstart in der Altersgruppe bestehe. „Ich rechne aber nicht damit, dass die Stiko-Empfehlung sofort rauskommt. Das dauert noch ein bisschen.“ Tatsächlich sei die nun drohende Überschneidung bei der Vorbereitung der Studie vor einigen Monaten nicht absehbar gewesen. Die Entwicklungen in der Pandemie seien oft nicht absehbar. „Aus wissenschaftlicher Sicht wäre es natürlich ideal, wenn es eine Vergleichsregion gäbe, in der gar nicht geimpft wird“, sagt Lehr. Aber das sei nicht Ziel der Wissenschaftler: „Ich freue mich über jeden, der geimpft wird.“ +++ Das könnte Sie auch interessieren: Das müssen Astra-Zeneca-Geimpfte nun wissen +++

Forscher weist Vorwurf von Balver Mediziner Gregor Schmitz zurück

Dr. Gregor Schmitz aus Balve leitet das MK-Impfzentrum in Lüdenscheid.
Dr. Gregor Schmitz aus Balve leitet das MK-Impfzentrum in Lüdenscheid. © Hausarztpraxis Dr. Gregor Schmitz | Bjoern Braun

Den Vorwurf des Balver Mediziners Dr. Gregor Schmitz weist Lehr zurück: „Wir sind ja nicht doof. Wir wissen schon, was wir tun.“ Die Studie sei unter anderem von der Ethik-Kommission geprüft worden. Dieser Schritt war auch erforderlich, um eine Ausnahmegenehmigung für die vorzeitige Impfung in Siegen zu bekommen. Genau daran scheiterte allerdings der Start des Projektes am Dienstag in Siegen. Das NRW-Gesundheitsministerium hatte die Genehmigung noch nicht erteilt. Der Kreis Siegen-Wittgenstein verschob daraufhin kurzfristig am Montagabend den Start.

„Es tut mir leid, dass der Märkische Kreis sich überfahren fühlt“, sagt Forscher Lehr. Er habe bereits das Gespräch mit Schmitz gesucht. Unter den vielen Beteiligten habe die externe Kommunikation nicht gut funktioniert, gesteht er ein. Auch das Gesundheitsministerium kritisierte die Kommunikation. Man habe trotz des langen Vorlaufs erst kurzfristig von der Impfung in Siegen erfahren. Mittlerweile ist die Genehmigung aber erteilt.

Verwirrung um Verantwortung für die Organisation der Studie

Der Kreis Siegen-Wittgenstein und die Uni Siegen hatten auf Nachfrage die Forscher wie Lehr und seine Kollegin Folke Brinkmann aus Bochum in der Zuständigkeit gesehen. „Wir sind nicht die Initiatoren der Studie. Wir würden sie nur bei uns durchführen“, sagt Sprecher Manuel Freudenstein vom Kreis Siegen-Wittgenstein.

Forscher Lehr versucht den Fokus auf den Inhalt zu lenken: „Wir müssen diese Studie durchführen“, sagt er. Kinder seien bislang außen vor gewesen, die Covid-Bekämpfung in dieser Altersgruppe noch am Anfang: „Aus psychologischer Sicht gibt es aber viele Defizite bei den Kindern. Bis zu neun Prozent der infizierten Kinder leiden auch an Long-Covid-Symptomen.“