Menden. Marion Kölling ist Vorsitzende des Lendringser Werberings und spricht im Interview über die coronabedingten Existenzängste der Einzelhändler.
Marion Kölling, Vorsitzende der Werbegemeinschaft in Lendringsen, verdeutlicht im Gespräch mit der Westfalenpost den Ernst der Lage. Einzelhändler kämpfen täglich um ihre Existenz, viele leben mit zahlreichen Ängsten. Zudem mussten in der kleinen Lendringser Innenstadt bereits zwei Geschäfte schließen. Dabei handelt es sich um ein Reisebüro und das Restaurant Big Daddys Bowl. Sie konnten die Coronakrise nicht mehr händeln.
Wie sieht die aktuelle Lage in Lendringsen aus?
Die Situation in Lendringsen ist nicht anders als in allen anderen Ortsteilen auch. Die bekannten Geschäfte, die geöffnet haben dürfen, sind geöffnet. Wir von der Werbegemeinschaft gehören mit dazu, weil wir die MVG-Busfahrkarten verkaufen. Es muss ja auch trotz der aktuellen Lage gewährleistet sein, dass die Menschen von A nach B kommen. Das war aber auch schon im ersten Lockdown so.
Was hat sich denn im Vergleich zum ersten Lockdown verändert?
Allgemein kann ich sagen, dass das Hygienekonzept auch hier über die Hauptstraße greift. Da wird wirklich alles getan, das sehe ich selbst. Auch an die neue Maskenpflicht mit medizinischen OP-Masken oder den FFP2-Masken halten sich mittlerweile fast alle.
Wenn Sie sagen ,mittlerweile' - war das nicht immer so?
Richtig, das war nicht immer so. Ich denke, das lag vor allem daran, dass der erste Lockdown für jedermann neu war. Es war wirklich schwierig, jedem die Maskenpflicht zu erklären. Wir hatten da auch wirklich massive Auseinandersetzungen in Geschäfte, wo die Frequenz höher ist. Zudem haben wir auch vieles am Rande gehört, dass es katastrophal läuft und die Kunden teilweise sehr forsch reagiert haben. Bei unseren kleineren und inhabergeführten Geschäften haben wir das auch erlebt. Allerdings hielt es sich in Grenzen, da diese fast nur Stammkunden haben. Und nun ist die Pflicht des Tragens einer Maske auf der Hauptstraße schon irgendwie in Fleisch und Blut übergegangen. Mittlerweile ist das, was wir hier sehen, wirklich sehr vorbildlich.
Rückblickend auf das Weihnachtsgeschäft und den Lockdown – wie enorm waren die Einbußen?
Das Weihnachtsgeschäft, da sind wir eiskalt erwischt worden. So wie viele. Jeder weiß, dass in einem Weihnachtsgeschäft viel Arbeit und viel Finanzielles steckt. Es ist eigentlich das Hauptgeschäft des Jahres. Man wurde brachial gestoppt und auf Eis gelegt. Insbesondere die Textilbranche hat die ganze Ware irgendwo liegen, man weiß ja überhaupt nicht, was damit passiert.
Aber hier gibt es ja auch das sogenannte Click and Collect.
Ja, genau. Ein Kollege und eine Kollegin bieten den Service auch hier an. Sie sagen, dass es okay läuft, aber davon kann man ja nicht leben. Aber nun ja, man muss eben jeden kleinsten Strohhalm nutzen. Ich weiß auch von einem Kollegen im Uhrenbereich, dass er nun stundenweise für Reparaturen ansprechbar ist. Auch wenn es eben nur kleine Sachen wie ein Batteriewechsel sind. Denn das Leben geht ja trotzdem weiter. Und nicht jeder ist so aktiv im Netz unterwegs, für manche Kunden ist das wirklich schwierig. Da tun wir natürlich alles dafür, die Menschen an die Hand zu nehmen und ihnen zu helfen.
Und was sagen die Händler, können sie überleben?
Natürlich kommen die Gespräche nach außen, dass vereinzelt Geschäfte schließen müssen. Es wird immer nach außen signalisiert, dass man Hilfen aus dem Topf bekommt. Aber bislang wurde der Topf nicht aufgemacht. Insbesondere in so einem kleinen Ort wie Lendringsen spricht man miteinander und drückt sich die Daumen. Viele warten eben auf dieses Geld und das bricht ihnen letztendlich das Genick. Das kann so nicht weitergehen, dann wird es eine Massenschließung geben. Ich bin sowieso davon überzeugt, dass es viele Schließungen geben wird, aber hoffe natürlich, dass es kein allzu großes Ausmaß annimmt.
Gab es auch hier bislang Schließungen?
Ja, leider Gottes haben wir bislang zwei Schließungen beklagen müssen. Im Herbst hat Big Daddys Bowl zugemacht und nun Ende des Jahres ein Reisebüro. Wir hoffen einfach darauf, dass der Lockdown irgendwann aufgehoben wird. Denn auch finanzielle Hilfen werden ja irgendwann zurückverlangt. Und der Fakt ist nun mal, dass wir alles dafür getan haben, die Hygienekonzepte umzusetzen. Egal, ob im Einzelhandel oder in der Gastronomie. Wir haben wirklich alles, was von uns verlangt wurde, erfüllt. Und alle sind nun vorbereitet, aber dürfen nichts machen. Wir müssen das jetzt einfach aussitzen, jeder hilft sich im Moment irgendwie selbst. Die Verzweiflung ist hier wirklich groß. Denn die Mitarbeiter bekommen ja trotzdem ihr Geld, aber der Einzelhändler als solches kämpft tagtäglich um seine Existenz und sieht gar kein Licht am Ende des Tunnels.
Aber die Unterstützung in Lendringsen scheint groß zu sein.
Auf jeden Fall, ich meine, wir sind ja auch alle nicht blauäugig. Wir glauben nicht, dass der Lockdown so schnell enden wird. Daher versuchen wir alle uns irgendwie gegenseitig zu helfen und zu unterstützen. Ich selbst habe einen Kollegen im Textilbereich unterstützt. Da, wo man es kann, tut man es auch. Und weil wir so klein sind hier, unterstützt man sich in jedem Bereich. Zum Beispiel auch in der Gastronomie. Wir als Familie bestellen gerne, erst Samstag haben wir bei Frank Hünnies bestellt. Aber auf Dauer kann eben auch er nicht davon leben.
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