Menden. Im Herbst gab es bereits viele Anfragen wegen Verdachts auf Kindeswohlgefährdung beim Jugendamt. Offene Arbeit zurzeit „eine Katastrophe“.

Zu den Leidtragenden der Corona-Krise zählen offenbar zunehmend auch Mendener Kinder, die in ihren Familien Gewalt erfahren müssen. Allein im Herbst dieses Jahres hat das Mendener Jugendamt 35 Anfragen meist aus Schulen wegen des Verdachts der Kindeswohlgefährdung erhalten. Zum Vergleich: Im gesamten Vorjahr waren es 20. Im ersten Lockdown, als im Frühjahr auch Schulen und Kitas geschlossen waren, sei dagegen so gut wie nichts gekommen. Das war allerdings, wie berichtet, auch so erwartet worden. Und zwar nicht, weil es weniger an häuslicher Gewalt gab, als Familien oft auf beengten Raum zuhause saßen. Sondern weil mit Schulen und Kitas die wichtigsten Melder fehlten.

Späte Reaktion auf Notrufe? Kritische Nachfragen der FDP beim Jugendamt

Die Zahlen, die Jugendamtsleiter Christian-Peter Goebels in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Kinder- und Jugendhilfe nannte, machten Politikerinnen und Politiker sichtlich betroffen – womöglich auch mit Blick auf den jetzt beginnenden erneuten Lockdown. Denn die Werte erscheinen doch als Beleg dafür, dass die Corona-Krise und der vermehrte Aufenthalt von Eltern zuhause für manche Mendener Kinder fatale Folgen hat.

Notruf-Telefon soll nicht erreichbar gewesen sein – Stadt will prüfen

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Umso hartnäckiger fragte Monika Adolph (FDP) bei der Verwaltung nach: Von Goebels wollte sie zum Beispiel wissen, wie es um die womöglich lebensrettenden Hilfen des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) der Stadt stehe. So sei ihr zu Ohren gekommen, dass ausgerechnet das Notruftelefon zwischen 10 und 12 Uhr nicht erreichbar gewesen sei – was für Frauen und Kinder in womöglich höchster Not einer Katastrophe gleichkäme. Goebels will das prüfen.

Jugendamt: Klare Standards für gefährdete Familien gelten auch in der Pandemie

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Monika Adolphs Informationen, wonach auch die Hausbesuche in Familien unter Gewaltverdacht erst Tage oder gar Wochen nach einem Notruf erfolgten, ließ der Jugendamtsleiter aber so nicht stehen: „Da gibt es klare Standards, innerhalb welcher Zeiträume wir dort zu zweit zu erscheinen haben. Und diese Vorgaben zu jedem Verdacht der Kindeswohlgefährdung gelten auch unter den erschwerten Bedingungen der Corona-Pandemie. Die Kolleginnen und Kollegen sind da sehr fit. Und wenn die Meldung kommt, müssen wir hingehen, mit Maske.“

Offene Kinder- und Jugendarbeit in der Coronakrise heruntergefahren: „Ein Drama“

Probleme nicht allein in Menden

Dass die Coronakrise die offene Kinder- und Jugendarbeit schwer trifft, ist laut dem Mendener Jugendamtsleiter Christian-Peter Goebels kein Problem, das Menden allein hätte.

Von anderen Jugendamtsleitern im Märkischen Kreis wisse er, dass andernorts ebenso wenig für die Kinder und Jugendlichen getan werden kann, wenn man den Großteil von ihnen im Winter nicht in die Treffs und andere Einrichtungen holen darf.

„Ein Drama“ nannte Christian-Peter Goebels auch das, was sich derzeit unter den Einschränkungen der Pandemie an offener Kinder- und Jugendarbeit in Menden abspielt. Als Beispiel nannte er das Jugendzentrum an der Vincenzkirche: „Im Zentrum werden üblicherweise 60 bis 80 Kinder und Jugendliche betreut die als Besucher zu uns kommen. Jetzt dürfen wegen der Pandemie nur zehn eingelassen werden. was die anderen draußen machen, wissen wir nicht.“

Online Kontakte halten: Jugendverwaltung will jetzt die Digitalisierung forcieren

Im Sommer sei die Lage besser gewesen, da man die offenen Angebote auch nach draußen verlagern konnte. Jetzt sei das wetterbedingt nicht mehr möglich. Als Lösungsansatz nannte Goebels auch hier die Digitalisierung. So könne man den Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen halten und sie mit sinnvollen Dingen beschäftigen. Zu diesem Komplex kündigte Goebels einen eigenen Bericht an.