Menden. Kitas und Grundschulen melden dem Jugendamt sonst die meisten Verdachtsfälle von häuslicher Gewalt. Doch beide sind seit Wochen zu.
Tag für Tag wächst in der Corona-Krise auch im Mendener Jugendamt die Sorge um Kinder in Familien, in denen es zu häuslicher Gewalt kommt. „Experten wissen, dass ein Aufeinandersitzen in beengten Lebensverhältnissen, womöglich gepaart mit finanzieller Not und unsicheren beruflichen Aussichten, die Gefahr von Ausbrüchen gegen die Schwächsten begünstigt“, erklärt der Mendener Jugendamtsleiter Christian-Peter Goebels.
Jugendamtsleiter Goebels: „Wir erwarten eine Welle von Meldungen“
Das gelte überall, aber eben auch in Menden. Und auch hier sind Kitas und Grundschulen, die sonst die meisten Verdachtsfälle melden, schon lange geschlossen. „Deshalb erwarten wir nach der Wiederöffnung eine Welle von Meldungen, wo wir heute wegen der Pandemie vor verschlossenen Türen stehen“, fürchtet Goebels.
Qualifizierte und erfahrene Kinderschutzkraft soll jungem Sozialdienst beistehen
Der Mendener Jugendamtsleiter kennt sich gut aus mit dem Schutz von Kindern vor Gewalt. Seit vielen Jahren arbeitet er in der Bundesarbeitsgemeinschaft für den Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) mit und hat selbst eine Ausbildung als Kinderschutz-Fachkraft absolviert. Der ASD übt in den Städten das Wächteramt im Kinderschutz aus. In Menden soll dieser Dienst jetzt eine halbe Stelle zusätzlich erhalten, bestätigt Goebels: „Wir brauchen eine nicht nur fachlich, sondern auch von der Lebenserfahrung her hochqualifizierte Kinderschutzfachkraft, die gerade unseren jungen Kräften mit Rat und Tat zur Seite stehen kann.“
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Die Stelle beantrage er nicht wegen der kommenden Meldewelle, betont Goebels. Das Problem gehe tiefer: Im Mendener Dienst haben sich die Beschäftigten in den letzten Jahren die Klinke in die Hand gegeben. Heute ist die Fachkraft mit der längsten Erfahrung seit gerade mal zweieinhalb Jahren dabei. „Dieser Umstand führt dazu, dass teilweise fachliches Wissen und Erfahrungen fehlen“, heißt es in der Beschlussvorlage, die dem städtischen Ausschuss für Kinder- und Jugendhilfe am 13. Mai vorliegt.
Warum gab und gibt es diese hohe Fluktuation? „In einer Untersuchung der Universität Münster ist festgestellt worden, dass die psychische Belastung der Kräfte im ASD so hoch ist wie nirgendwo sonst im sozialen Bereich“, weiß Goebels. Das liege daran, dass man im Kinderschutz häufiger mit herzzerreißenden Szenen und belastenden Situationen konfrontiert sei, die man trotz aller Professionalität mit nach Hause nehme. Gepaart sei das mit der enormen Verantwortung entscheiden zu müssen, ob das Kindeswohl gefährdet ist oder nicht. Wenn das inzwischen auch Menschen mit Mitte 20 leisten sollen, seien Beratung und Begleitung unabdingbar.
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Ein weiterer Grund für die vielen Wechsel sei die Tatsache, dass sich viele Frauen für soziale Arbeitsfelder interessierten, die dann mit der eigenen Familiengründung zuhause blieben und später vielfach in Teilzeit in anderen Bereichen weiterarbeiten wollten. Mit Einführung der Bachelor-Abschlüsse sei zudem das einstige Anerkennungsjahr in der beruflichen Praxis weggefallen. Heute werden Absolventinnen und Absolventen vom Hörsaal aus unmittelbar ins kalte Wasser geworfen werden. „Woher soll da die Erfahrung kommen?“
Ausschuss für Kinder- und Jugendhilfe entscheidet über neue Stelle
Mit der neuen Stelle gehe es gerade um Begleitung und Beratung dieser jungen Kräfte, die man nicht alleine lassen dürfe. „Für mich ist diese Stelle deshalb wirklich eine Herzensangelegenheit“, sagt Christian-Peter Goebels. Zu entscheiden haben darüber die Politikerinnen und Politiker am Mittwoch, 13. Mai, im Ausschuss für Kinder- und Jugendhilfe.