Menden. Nach dem Tönnies-Fleischskandal boomen die Hofläden in Menden. Wo kauft Ihr Euer Fleisch?

Vor zwei Monaten erschütterte der Tönnies-Fleischskandal viele Verbraucher. Nach dem Massentest auf Corona wurde tagelang unter anderem über die menschenunwürdigen Zustände, unter denen Mitarbeiter mit Werksverträgen wohnen, berichtet. Welche Auswirkungen hat der Skandal auf die Hofläden in Menden?

Landwirtin Maria Korte in ihrem Hofladen in Menden, Dentern 44.
Landwirtin Maria Korte in ihrem Hofladen in Menden, Dentern 44. © Thomas Hagemann

„Wo wird geschlachtet, wie hat das Tier gelebt?“ – das sind die Hauptfragen, die Kunden Maria Korte in ihrem Hofladen in Dentern immer wieder stellen. Die Nachfrage habe stark zugenommen. „Es wird sehr viel mehr hinterfragt“, erzählt Maria Korte. „Die Kunden interessieren sich viel mehr.“ Das gelte für alle Fleischsorten – Hühner, Schweine und Rinder.

Eine stärkere Nachfrage verzeichnete der Hofladen auch in früheren Jahren regelmäßig nach bundesweit negativen Schlagzeilen in der Lebensmittelindustrie – aber noch nie sei die Nachfrage dauerhaft so stark geblieben. „Das war zuletzt beim Eier-Skandal so, da haben die Leute das Ganze schnell wieder vergessen“, weiß Maria Korte. Der Tönnies-Skandal indes scheine Kunden nachhaltig zu einem anderen Umgang mit dem Thema Fleischproduktion bewegt zu haben: „Das merken wir enorm. Da hat sich massiv was verändert. Ich hoffe, dass das so bleibt.“

Kunden wollen sehen, wie die Tiere leben

Der Hofladen Korte verkauft Fleisch an Metzgereien beispielsweise in Hagen und Siegen: „Und selbst Kunden dieser Metzgereien rufen bei uns an, kommen vorbei und wollen sehen, wie die Tiere leben“, erzählt Maria Korte. „Das hätte ich vorher nie gedacht.“ Hofbesichtigungen für große Gruppen sind derzeit Corona-bedingt nicht möglich, aber einzelne Kunden könnten gerne unter Einhaltung der entsprechenden Hygieneregeln über den Hof geführt werden, sagt Maria Korte.

Fleisch von Jedowski aus Balve

Im Hofladen auf dem Bauernhof Rohe an der Provinzialstraße wird Fleisch von Jedowski (Balve) verkauft. Schon seit dem Corona-Ausbruch Mitte März verzeichnet Gerhard Rohe einen stärkeren Zulauf, seit dem Tönnies-Skandal habe sich dieser Trend zunächst fortgesetzt, nun sei er leicht rückläufig. „Seit dem Corona-Ausbruch kommen auch Leute zu uns, die nicht mehr so gerne in Geschäfte gehen möchten“, hat er beobachtet.

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Dafür sorgt eine neue Investition für starke Nachfrage. Denn vor rund sechs Wochen hat sich Gerhard Rohe einen Verkaufsautomaten zugelegt, an dem Kunden rund um die Uhr Grillfleisch, Kartoffeln, Eier, Marmelade und Honig kaufen können: „Das wird sehr gut angenommen.“

Der Automat sei ausschließlich mit Produkten aus Menden und Nachbarstädten bestückt, darunter natürlich auch die Kartoffeln, die auf dem Hof Rohe schwerpunktmäßig verkauft werden. Früher gab es dort auch Kühe, Schweine und Mastrinder: „Aber das lohnt einfach nicht mehr, da bleibt unterm Strich nichts übrig“, so Rohes ernüchternde Bilanz.

Lebensmittel auf drei Grad gekühlt

„Die Sachen sind auf drei Grad runtergekühlt“, erklärt Gerhard Rohe mit Blick auf den Lebensmittelautomaten. Die Kunden werfen ihr Münzgeld ein, wählen eine der Nummern, die unter dem Produkt zu lesen sind, eine Art Mini-Aufzug befördert das Produkt zum Entnahmefach, das Restgeld kann entnommen werden – das war’s. „Eigentlich ist das ziemlich selbsterklärend“, sagt Gerhard Rohe. Vor allem am Wochenende sei die Nachfrage groß: „Dann entschließen sich viele, spontan zu grillen.“

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Nach den Erfahrungen der ersten Wochen überlegt Gerhard Rohe derzeit, zukünftig eventuell auch Milchprodukte und Käse ins Sortiment des Automaten aufzunehmen.

Landwirt Heinz-Josef Scheffer aus Bösperde vor der Eingangstür seines Hofladens.
Landwirt Heinz-Josef Scheffer aus Bösperde vor der Eingangstür seines Hofladens. © Thomas Hagemann

„Wir sind Corona-Gewinner“, sagt Landwirt Heinz-Josef Scheffer schmunzelnd. Seit Mitte März boome der Hofladen – so sehr, dass derzeit dringend eine Verkaufskraft gesucht wird. Ähnliches zeichne sich jetzt beim Bäcker Christian Hömberg ab, der vor kurzem auf dem Hof eröffnet hat: „Im Moment läuft alles hervorragend, aber irgendwann schaffen das die Leute nicht mehr.“

Während in der Vor-Corona-Zeit vor allem ältere Kunden seinen Hofladen besucht hätten, seien es nun auch viele jüngere, vor allem junge Familien seien als neue Kunden hinzugekommen.

„Und die Leute fragen nach, das finde ich gut“, sagt Heinz-Josef Scheffer. „Die sind viel kritischer.“ Und wer dem Landwirt sage, dass er sich als Hartz-IV-Empfänger nicht das Fleisch aus dem Hofladen leisten könne, dem entgegnet Heinz-Josef Scheffer: „Es muss ja nicht jeden Tag Fleisch sein.“ Auch er selbst esse nicht jeden Tag Fleisch.

Heinz-Josef Scheffer nahm an, dass die gestiegene Nachfrage nach Fleisch und anderen Produkten im Hofladen wieder abflache, „das ist aber nicht der Fall“. Weiterhin gilt für Heinz-Josef Scheffer: „Wir kaufen kein Fleisch zu.“ Das bedeute aber auch, dass er manchmal einen allzu kurzfristigen Kundenwunsch nach großen Fleischmengen abschlagen müsse. Seiner Linie bleibt der Bösperder treu: „Sonst verlieren wir unsere Authentizität.“