Menden. Nach 42 Jahren Beruf als Berufung geht eine der bekanntesten Schulleiterinnen in Pension. Die Kinder empfehlen: Jetzt U-Boot fahren!
Ganz sicher ist sich Helga Sommer nicht, ob sie nicht doch ein Tränchen verdrückt: „Mal sehen, wie ich hier durch die letzten Tage komme.“ Denn auf die 64-jährige Leiterin der Nikolaus-Groß-Grundschule in Bösperde warten die großen Ferien – die ganz großen: Nach 42 Berufsjahren geht die gebürtige Mendenerin in Pension.
25 Jahre davon hat sie in Schulleitungen absolviert. Erst fünf Jahre als Konrektorin der Albert-Schweitzer-Schule, danach je zehn Jahre in Westschule und Nikolaus-Groß-Schule. Hier war sie gerade in den Klassen, ein Abschied nach dem anderen. Am schönsten fand sie, dass ein Kind aufblickte und sagte: „Ich dachte, Sie sind schon längst in Rente!“
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Wer „in Rente“ geht, darf sich auch an Anfänge erinnern. „Schulleitung hat mich immer schon gereizt. Ich wollte gerne eine Position haben, in der ich etwas bewegen kann und nicht nur ausführe.“ Auf den Geschmack kam sie an ihrer allerersten Station in Hohenlimburg. Damals wurde der Konrektor krank, Helga Sommer sprang für sechs Wochen ein und probierte mit Hagener Experten die damals neue Freiarbeit aus. „Als ich sah, wie Kollegium und Kinder dabei mitzogen, wusste ich, was ich werden wollte.“
Stolz auf die Kreismeisterinnen
A propos Kinder: Gab es in den 42 Jahren Schützlinge, an die sich besonders gern erinnert? „Das gilt für unfassbar viele“, lacht sie. „Und es ist schon toll, wenn ich heute hier in Bösperde Kinder unterrichte, deren Eltern an der Westschule schon meine Schüler waren.“ Die Welt ist halt klein, und Menden sowieso.
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Sichtlich stolz macht es Sommer, wenn sie eine nachhaltige Entwicklung begleitet hat. „Wir haben einen Erzählkreis, da haben Handballmädchen berichtet, wie sie ein ums andere Mal hohe Niederlagen kassierten, 30:3 und so. Aber sie hielten zusammen – und sie hielten durch. Irgendwann waren sie Kreismeisterinnen. Das war toll.“
Schulleiterstelle: Ausschreibung schon gelaufen
Wegen der Schulschließung zu Beginn der Corona-Krise und der zuletzt erfolgten Staffelung der Schul- und Pausenzeiten hat Helga Sommer ihr Kollegium zuletzt viel seltener gesehen als üblich. Hier soll der Abschied mit einem kleinen Beisammensein begangen werden.
Im jüngsten Schulausschuss wurde Helga Sommer offiziell von der Stadt Menden als Trägerin der Grundschulen verabschiedet.
Die Ausschreibung der Schulleiterstelle für die Nikolaus-Groß-Schule und damit die Nachfolge für Helga Sommer ist unterdessen bereits erfolgt. Allerdings stockte das Verfahren aufgrund der Corona-Krise.
Auch unter den Lehrkräften hielt sie Ausschau nach möglichem Führungsnachwuchs, konnte insbesondere Lehrerinnen dafür begeistern, die selbst noch gar nichts von ihrer Eignung ahnten, wie sie berichtet. „Gerade Frauen drängen nicht nach vorn, wollen gefragt werden. Manche sind sogar sauer, wenn das nicht passiert.“ Und Führungsposition hin oder her: Für die Belange der Lehrkräfte als Arbeitnehmer/innen setzte sie sich zwölf Jahre lang im örtlichen MK-Personalrat der Grundschulen ein.
Rückschläge und Hindernisse: Lange Karriere war nicht ein einziger Siegeszug
Ein einziger Siegeszug war ihre Karriere aber nicht. Gegen die Schließung der Westschule nach 110 Jahren kämpfte sie mit Kollegium und Eltern am Ende vergebens. Als das Aus Mitte 2013 kam, war sie nach Bösperde gewechselt. Doch diese Jahre der Unsicherheit schweißten zusammen. Bis heute treffen sich ehemalige Lehrkräfte regelmäßig.
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In Bösperde habe sie 2009 ein ruhiges Umfeld vorgefunden. Hier galt es 2014 die Eltern vom Umzug ins ehemalige Hauptschulgebäude zu überzeugen. Zuvor gab es die Zusammenlegung mit der Halinger Dorfschule, auch das erinnert sie als „heftige Zeit“.
Die Schließung der Westschule hält sie bis heute für falsch. „Wir hätten an der Anne-Frank-Schule nicht so viele Probleme, wenn es die Westschule noch gäbe.“
Optimischer Ausblick für die Nach-Sommer-Zeit: „Wir sind wieder vierzügig“
In Bösperde habe sie sich jedenfalls voll und ganz auf Kinder, Eltern und Kollegium konzentrieren können, und diese Schule wird es noch lange geben: „Wir sind gerade vierzügig geworden“, blickt Helga Sommer optimistisch in die Zukunft. Ihre Nachfolge ist coronabedingt noch nicht klar, „aber ich habe mit Christina Grawe eine wunderbare Stellvertreterin“. Hat sie die auch ausgewählt? „Na sicher!“, lacht sie.
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Was fängt eine verheiratete Mutter dreier erwachsener Kinder mit der Freizeit an, die ihr jetzt ins Haus steht? „Ach, ich habe es mir ja ausgesucht, früher zu gehen, nachdem mein Mann vor einem Jahr in den Ruhestand gegangen ist.“ Große Pläne hegt sie nicht, will alles auf sich zukommen lassen. Immerhin haben die Kinder ihr wichtige Empfehlungen gemalt: Fallschirmspringen soll sie. Und U-Boot fahren. Und in den Urlaub fliegen.
Die Fotografie, die sie schon als Studentin der Mathematik und Kunst reizte, will sie jetzt intensiver betreiben. Ansonsten sei es schade, dass ihr Abschied unter Corona-Bedingungen ablaufen muss. „Von den Eltern konnte ich mich nur auf der Homepage verabschieden.“