Menden/Fröndenberg. Die Unzufriedenheit ist groß: Im WP-Heimatcheck belegen Menden, Balve und Fröndenberg im Gesamtschnitt nur den vorletzten Platz.
Eine gute „Drei“ als Schulnote der Mendener für die medizinische Versorgung in ihrer Stadt – das hört sich zunächst mal nicht so schlecht an. Doch tatsächlich liegt der heimische Raum damit weit hinten, gemessen am gesamten WP-Heimatcheck für 40 Städte und Gemeinden. Zu einem entsprechend durchwachsenen Urteil kommt denn auch der Mendener Hans Stromenger, der auf Anfrage der WP seine Erfahrungen mit der medizinischen Ve rsorgung in seiner Heimatstadt schildert.
„Wenn ich mit meinem Hausarzt anfange, dann muss ich sagen: Der ist gut, man kommt nur nicht immer dran“, schmunzelt Stromenger. Deutlich ärgerlicher werde es für ihn bei den Fachärzten in Menden. „Beim Zahnarzt brauche ich ein halbes Jahr Vorlauf. Das nehme ich nur in Kauf, weil der so gut ist.“ Vom Augenarzt werde er auch schon mal nach Dortmund ins Krankenhaus geschickt.
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Und wie sieht es mit dem Mendener Krankenhaus aus, das in einigen Einzelurteilen eher schlecht wegkommt? „Mit unserem St. Vincenz war und bin ich ganz zufrieden. Ich finde, dass die ständige Meckerei hier mal aufhören muss, denn was bringt das? Am Ende doch nur, dass sie uns das Krankenhaus auch noch schließen, und das kann sich kein Mendener wünschen.“
Monatelanger Vorlauf, stundenlange Wartezeiten: Was Patienten erleben
Als Stromenger vom Hausarzt einmal notfallmäßig ins St.-Vincenz-Krankenhaus geschickt wurde, sei er schon im Taxi losgefahren. Unterwegs habe ihn sein Arzt dann aber angerufen und nach Unna umgeleitet. Denn inzwischen hatte der Arzt erfahren, dass Menden gerade gar keine Notfallpatienten mehr aufnehmen konnte. „In Unna musste ich dann sechs Stunden warten.“
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Christian Bers, Sprecher der Katholischen Krankenhäuser im Märkischen Kreis, erklärt dazu: „Es kann tatsächlich mal passieren, dass unsere Notfallplätze belegt sind. Dann sind wir dazu verpflichtet, uns dafür abzumelden.“ Zur nach wie vor häufigen Kritik an der Aufgabe der Geburtsstation in Menden sagt Bers: „Das hat sich doch auch bei uns keiner gewünscht. Aber die Auflagen wurden so hoch geschraubt – bis hin zu einer eigenen Kinderklinik mit 24-Stunden-Bereitschaft –, dass wir das nicht mehr tragen konnten. Wir waren da auch nicht die einzigen. Das war politisch so gewollt.“
Gratis-Rezepte für Bedürftige: Fröndenberg schneidet besser ab als Menden
Vergleichsweise gut schneidet Fröndenberg im WP-Heimat-Check ab – mit der Note 2,6. Ein Grund dafür ist laut Ilona Degenhardt die aus ihrer Sicht „überdurchschnittlich gute“ Versorgung mit Fachärzten. Oder auch das „Grüne Privatrezept“, angeboten vom Bündnis für Familien mit vier Fröndenberger Apotheken für Kunden der Tafel. Seit 2014 können sich Tafelkunden vom Hausarzt bestimmte Medikamente als „grünes“ Rezept ausstellen lassen. Jeden Donnerstag können diese Rezepte bei der Tafelausgabe abgestempelt werden. Die Medikamente gibt es dann zum halben Preis in den Kooperations-Apotheken, die andere Hälfte tragen Sponsoren.
Die Markt-Apotheke von Inhaberin Dr. Anke Lochmann ist von Beginn an dabei: „Ich wurde damals von Birgit Mescher angesprochen und habe alles mitorganisiert.“ Sie freue sich, dass das Konzept gut angenommen wird. „Wir haben mit der Liste eine wirklich tolle Lösung gefunden, die Tafel hat ja nur einmal in der Woche geöffnet. Es ist eine Hilfe von Fröndenbergern für Fröndenberger.“
Düstere Aussichten: Mehr als die Hälfte aller Hausärzte ist älter als 60
Wie viele Ärzte und Psychotherapeuten für eine Stadt, einen Kreis oder eine Region benötigt werden, wird durch die sogenannte Bedarfsplanung festgelegt. „Sie soll eine ausreichende flächendeckende Versorgung mit niedergelassenen Ärzten/Psychotherapeuten gewährleisten sowie eine Fehlversorgung vermeiden. Die Bedarfsplanung ist das entscheidende Instrument zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung“, teilt Jana Elbert von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) mit. Doch wie in vielen ländlichen Regionen fehlt es am Nachwuchs.
Versorgungsgrad in Menden noch bei fast 100 Prozent
Die hausärztliche Versorgung wird auf Ebene der Mittelbereiche geplant. Zum Mittelbereich (MB) Menden gehören die Gemeinden Menden und Balve. Der Versorgungsgrad beträgt im Moment 98,7 Prozent. „Insgesamt ist die Versorgung mit Hausärzten in Menden derzeit – statistisch gesehen – noch stabil“, erklärt Jana Elbert. Doch wie genau es in den einzelnen Stadtteilen aussieht, lasse sich nicht sagen. „Eine kleinräumige Abbildung des Versorgungsgrads unterhalb der Planungsbereichsebene sieht die Bedarfsplanungs-Richtlinie nicht vor und wäre statistisch nicht korrekt“, heißt es dazu.
Neben dem Versorgungsgrad ist auch die Altersstruktur der Hausärzte vor Ort ein wichtiger Faktor für die Bewertung der Versorgungslage. So sind im Moment beispielsweise rund 56 Prozent der Hausärzte im Mittelbereich Menden älter als 60 Jahre. Zum Vergleich: In Westfalen-Lippe sind derzeit rund 38 Prozent der Hausärzte älter als 60 Jahre.
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„Viele dieser Ärzte dürften in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen“, so die Einschätzung der KVWL. Gleichwohl gibt es keine konkrete Altersgrenze für Ärzte. Zuletzt hatte Thomas Tillmann auf Platte Heide seine Praxis Ende März diesen Jahres geschlossen. Der 68-jährige Allgemeinmediziner hatte zuvor vergeblich einen Nachfolger gesucht.
Weniger Medizinstudierende entscheiden sich für die eigene Praxis vor Ort
Aufgrund der tendenziell angespannten Nachwuchssituation in der Hausärzteschaft könnte sich die Suche nach einem Nachfolger allerdings schwierig gestalten. Das liegt etwa daran, dass sich „immer weniger junge Medizinstudierende für eine Weiterbildung zum Hausarzt und eine Tätigkeit in der eigenen Praxis entscheiden“.
Im Gegenzug nimmt der Anteil der Ärzte zu, die aufgrund ihres fortschreitenden Alters in naher Zukunft in den Ruhestand gehen.