Menden. Die Stadt verteidigt die Quarantänehalle, die FDP nennt sie verantwortungslos, die CDU hält dagegen. Unterdessen wollen andere Städte nachziehen.

Die Stadtverwaltung verteidigt die mittlerweile fertig eingerichtete Quarantäne-Halle in der Sporthalle der ehemaligen Realschule Lendringsen. Die in einer Boulevardzeitung als „Corona-Knast“ bezeichnete Maßnahme wird ausdrücklich als Vorsorge bezeichnet. Die Mendener FDP dagegen bleibt im Urteil knallhart, greift den Ersten Beigeordneten Sebastian Arlt an und nennt den Alleingang der Stadt „verantwortungslos und verfassungswidrig“. Mit scharfen Worten unterstützt die Mendener CDU die Position ihres Bürgermeisterkandidaten. Unterdessen wir bekannt, dass Städte im Rheinland den Mendener Weg jetzt auch gehen wollen.

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Die Stadtverwaltung erklärt zunächst noch einmal ihre Motivation: Im Rathaus-„Stab für außergewöhnliche Ereignisse“ wolle sich später niemand die Frage vorhalten lassen: ,Warum habt ihr nicht…?’“ Aus diesem und aus keinem anderen Grund sei auch die Turnhalle vorbereitet worden. Die sei jetzt mit Feldbetten, tragbaren Trennwänden und der nötigsten Grundausstattung versehen, heißt es weiter. Und: „Wofür? Denkbar sind viele Szenarien, für die so eine Halle mit Betten darin in einer solchen Krise nutzbar sein könnte.“

Stadt bittet um sachliche Debatte – offenbar vergebens

Der „Corona-Knast“ habe in den vergangenen Tagen höhere Wellen geschlagen als erwartet. „Und auch eine Diskussion ausgelöst, die mit Sicherheit geführt werden muss, wenn es um solch drastische Maßnahmen geht, wie Quarantäne-Verweigerer einzusperren. Möglich, dass eine solche Diskussion in den kommenden Wochen oder gar Monaten ganz anders geführt wird“, erklärt die Verwaltung. Wichtig sei ihr nur eines: „Wir bereiten uns auf alle möglichen Szenarien vor. So wie es aktuell jede Verwaltung tut oder tun sollte. Der eine geht diesen Weg, der andere einen anderen. Alles aber, und jetzt kommt das Entscheidende, um den größtmöglichen Schutz von Ihnen und uns zu gewähren.“

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Natürlich gingen die Meinungen auseinander, und das sei „richtig und wichtig in einer Demokratie“. Die Verwaltung habe nur eine Bitte: „Wenn Sie mit uns diskutieren, bleiben Sie sachlich und halten Sie sich, genau wie wir, an die gegebenen und bekannten Fakten. Auch wir hoffen, dass sich diese Vorkehrung hinterher als unnötig herausstellt.“

FDP: „Nicht das Augenmaß verlieren und die Solidargemeinschaft spalten“

Die FDP Menden sieht das nach den Worten von Fraktionschef Stefan Weige allerdings ganz anders, auch der Ton bleibt hier scharf: Gerade jetzt dürften die Verantwortungsträger aus Politik und Verwaltung „nicht das Augenmaß verlieren und die Solidargemeinschaft spalten“. Ein Alleingang der Verwaltungsspitze der Stadt Menden „mit dem Inhalt, Bürger unserer Stadt, die nicht Richtlinien konform agieren, 48 Stunden lagerähnlich in einer Turnhalle einzusperren und sie einer exponierten Ansteckungsgefahr auszusetzen, ist verantwortungslos und wahrscheinlich auch verfassungswidrig“.

Die Kommentare dazu und die Wortwahl in der Medienlandschaft seien „beschämend“, hieß es. Derartige Maßnahmen müssten immer mit dem Land Nordrhein-Westfalen abgesprochen werden, „damit derartige Alleingänge nicht in der Folge zu menschenverachtenden Aufrufen in sozialen Netzwerken genutzt werden, die unsere Gesellschaft durch Schuldzuweisungen zu spalten versuchen“.

Erste Städte im Rheinland wollen Menden gleichtun

Wie die Rheinische Post meldet, prüfen die Städte Leverkusen und und Solingen Unterbringungsmöglichkeiten für Quarantäneverweigerer. In Leverkusen könne eine solche Einrichtung „bei Bedarf in Betrieb genommen werden“, wird eine Sprecherin der Stadt zitiert.

In Solingen sei eine ehemalige Flüchtlingsunterkunft, die aus Containern besteht, ins Auge gefasst. Sie könne indes auch dafür dienen, Frauen vor häuslicher Gewalt zu schützen. Es gebe laut der Stadt „viele denkbare Szenarien“, die auch Quarantäneverweigerer umfassten.

Die Stadt Bielefeld suche nach einem geeigneten Objekt. In Bonn, Krefeld, Goch oder Hilden seien dagegen keine Hallen geplant, schreibt die RP.

Verschärfte Maßnahmen seien nur angemessen, wenn zum Beispiel in einem Ort deutlich mehr disziplinarische Vergehen zu bemerken sind, als dies im gesamten Land festgestellt werden kann. „Wir sind alle dazu bereit, temporär Bürgerrechte aufzugeben in der Hoffnung die Solidargemeinschaft zu stützen und die Krise zu überstehen. Zur Überwindung der kurzfristigen und langfristigen Folgen ist allerdings ein starker Zusammenhalt der Bevölkerung und ein Einstehen der Bürger für andere erforderlich.“

Auch dass dies nicht erfolgt sei, werde durch den Innenminister des Landes NRW „zurecht mit Nachdruck gerügt und sollte die Verwaltungsspitze nachdenklich stimmen“. Einfühlungsvermögen, so die FDP, sei „nicht erlernbar“. Auch die Beauftragung eines Rechtsgutachtens helfe wenig, wenn es um den sensiblen Umgang mit wichtigen Themen und den Bürgern geht.

Entscheidung hätten die Liberalen lieber vom Bürgermeister erfahren

Der in den Medien allein auftretende Akteur sei der Erste Beigeordnete der Stadt, Sebastian Arlt, der zugleich Bürgermeisterkandidat der CDU sei. Weige dazu: „Eine derart weitreichende Entscheidung sollte grundsätzlich vom Bürgermeister kommuniziert werden.“

Der „unsensible Alleingang der Verwaltung“ habe einmal mehr das Image der Stadt in der Außenwahrnehmung erheblich beschädigt. Arlt wird von der FDP aufgefordert: „In Zukunft müssen solche Alleingänge zum Schaden unserer Mendener Solidargemeinschaft unterbleiben, mögen sie auch durch derzeit geltendes Recht gedeckt werden. Die Verschärfung von Maßnahmen im vorauseilenden Gehorsam in Zeiten angespannter Bürgerrechte“ lehne die FDP ab.

CDU hält Hallen-Gegnern „Kampf für das Bürgerrecht des Virenträgers“ vor

Ganz anders sieht das Bernd Haldorn. Der CDU-Fraktionschef im Stadtrat erklärt in Anlehnung das kleine gallische Dorf von Asterix mit reichlich Sarkasmus:: „Ganz Deutschland kämpft gegen eine Pandemie, ganz Deutschland kämpft für das überragende Schutzgut der Volksgesundheit und das Bürgerrecht auf körperliche Unversehrtheit. Alle Bürgerinnen und Bürger sollen bestmöglich vor einer Infizierung mit dem Coronavirus geschützt werden, deshalb kommen das öffentliche Leben, die Wirtschaft und der menschliche Kontakt fast zum Stillstand. Ganz Deutschland? Nein, in Menden (Sauerland) wird für das Bürgerrecht des Virenträgers gekämpft, denn dieser soll auf jeden Fall sein Recht auf Bewegungsfreiheit und freie Verteilung der Viren nicht verlieren.“

Die Stadtverwaltung habe gesetzesgemäß gehandelt, erklärt Haldorn, der von Beruf Oberstaatsanwalt ist. Denn darin stehe: „Die zuständigen Gebietskörperschaften haben dafür zu sorgen, dass die notwendigen Räume, Einrichtungen und Transportmittel sowie das erforderliche Personal zur Durchführung von Absonderungsmaßnahmen außerhalb der Wohnung zur Verfügung stehen.“ Die Verwaltung habe dies nicht nur gelesen, sondern auch umgesetzt. Folge laut CDU: „Der Skandal ist da.“

Unions-Idee: Wer Unbelehrbare schützen will, soll sie zu Hause aufnehmen

Das Gesetz habe aber in den Augen der Freiheitskämpfer nicht etwa der Gesetzgeber erlassen, sondern der Beigeordnete, denn dieser (tatsächlich natürlich nicht er, sondern die Stadt Menden) wolle ja die Virenträger beschränken.“ Der Jurist Haldorn dazu: „Schön wäre es, wenn Grundzüge der Staatsorganisation Allgemeinwissen wären!“

Und: „Jeder, der glaubt, Unbelehrbare seien mit guten Worten oder Bußgeldern zu erreichen, der irrt.“ Typischerweise würden Bußgelder in derartigen Fällen nicht gezahlt. „Und bis sie zwangsweise beigetrieben worden sind, haben wir vergessen, wann genau Covid 19 war“, vermutet Haldorn. Um dann einen ungewöhnlichen Vorschlag zu machen: „Jedem, der unbedingt eine Einquartierung in der Halle vermeiden will, steht es frei, im entsprechenden Extremfall dem Virenträger sein Gästezimmer zur Verfügung zu stellen und höchstpersönlich die Verantwortung für den Schutz der Volksgesundheit und der körperlichen Unversehrtheit der Mitbürgerinnen und Mitbürger zu übernehmen.“

Die CDU jedenfalls stehe „geschlossen hinter der Verwaltung – in dem Wissen und Vertrauen, dass diese in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft immer das Ziel hatte und hat, uns, die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Menden zu schützen.“