Menden. Stadt Menden baut wie angekündigt Feldbetten für Uneinsichtige in der Lendringser Realschulhalle auf. Vom Medien-Echo überrascht.
Im Eingang der ehemaligen Realschul-Sporthalle haben sich die Judoka des TuS Lendringsen per Aushang längst in die Zwangspause verabschiedet, jetzt ist wieder Leben da: Am Donnerstagvormittag schleppen Nils Spieler und Dennis Gubba vom Mendener Baubetrieb Feldbetten hinein. 17 Betten der Mendener Jugendfeuerwehr sind da, weitere bei der Bezirksregierung Arnsberg geordert.
„Die Halle ist zuvor gesäubert und desinfiziert worden“, sagt der Erste Beigeordnete Sebastian Arlt. Sie stehe künftig als Quarantäne-Halle für uneinsichtige Corona-Infizierte zur Verfügung. Konkrete Fälle gebe es noch nicht, sagt Arlt. „Wir hoffen, dass wir sie nie brauchen werden. Aber was wir brauchen, ist eine wirksame Abschreckung für Uneinsichtige – und Glaubwürdigkeit gegenüber dem gesetzestreuen Bürger.“
Wenn Corona-Infizierte raus wollen: „Stehen wir achselzuckend daneben?“
Denn die Menschen schenkten den Behörden Vertrauen. Und dann müsse es auch Antworten auf die Frage geben, was passiert, wenn Corona-Infizierte partout nicht in häuslicher Quarantäne bleiben wollen. „Stehen wir dann achselzuckend daneben?"Auch wenn es in Menden noch keinen konkreten Fall gegeben habe: Hinweise auf ein mindestens gedankenloses Verhalten von Betroffenen liegen vielfach vor.
Wenn die Ärzte des Mobilen Dienstes beim Gesundheitsamt des Märkischen Kreises zu Untersuchungen von Verdachtsfällen ausrücken, dann treffen sie jeden fünften Patienten nicht zuhause an – obwohl er dort auf die Untersuchung warten soll. Auch die Ordnungsämter der Städte fahren Kontrollen bei häuslicher Quarantäne. Und als Verdachtsfälle gelten immerhin Menschen, die Symptome zeigen und entweder aus Risikogebieten kommen oder Kontaktpersonen von Infizierten sind.
Mit dem Vorhalten der Halle hat Arlt indes überregional Aufmerksamkeit auf sich gezogen: Kaum hatte die WP die Einräum-Aktion angekündigt, sind TV-Journalisten ebenso erschienen wie die Vertreterin eines Boulevardblatts. Sebastian Arlt, der auch Bürgermeisterkandidat der Mendener CDU ist, hat unversehens alle Chancen, als eine Art Markus Söder des Sauerlandes in die Schlagzeilen zu kommen. Er selbst drückt die wohl eher ungewollte Popularität angesichts der Medienpräsenz anders aus: „Ich hoffe, wir stehen nicht plötzlich da wie texanische Sheriffs“, sagt er.
Am Mittag erklärt dann Innenminister Herbert Reul vor der Presse auf Anfrage in Düsseldorf, dass er eine Beugehaft für Uneinsichtige für überzogen und nicht angebracht halte: „Wenn man den Maßstab der Verhältnismäßigkeit anlegt, kann das keine richtige Maßnahme sein“, meint der Minister. Im Boulevard ist vom Mendener „Corona-Knast“ die Rede, und in anderen Städten heißt es, so etwas werde nicht gebraucht.
Stadtverwaltung hegt die Hoffnung, die Halle nie nutzen zu müssen
Der Beigeordnete ist indes bereits am Vormittag bemüht, die offenbar landesweit erste Quarantänehalle medial auf eine kleinere Flamme zu setzen: „Diese Halle kann, wenn sie hoffentlich nicht für ihren Ursprungszweck benötigt wird, auch als Aufenthalt für ambulante Fälle dienen, falls Krankenhäuser überbelegt sind.“
Um die Maßnahme rechtlich abzusichern, hat der Jurist Sebastian Arlt allerdings auch ein Gutachten des Fachanwalt Stefan Bartels aus Möhnesee beauftragt. Immerhin gehe es um einen tiefen Eingriff in die Grundrechte. Doch dessen Urteil fällt nach langen juristischen Ausführungen eindeutig aus: „Nach allem besitzen die örtlichen Ordnungsbehörden die Befugnis, eine Person, die sich hartnäckig weigert, die Anordnung einer häuslichen Quarantäne zu befolgen, in einer von der Stadt geschaffenen gesonderten Einrichtung zwangsweise unterzubringen und abzusondern.“ Damit folgt der Gutachter dem Sinne nach auch dem Quarantäne-Paragrafen 30 im Infektionsschutzgesetz.
Andere Städte könnten in Menden um Amtshilfe ersuchen
Noch einmal beschreibt Arlt die Halle als Vorsorgemaßnahme. Allerdings könne er sich vorstellen, dass – je nach Entwicklung der Corona-Krise – andere Städte mit solchen Einrichtungen nachziehen – oder in Menden um Amtshilfe ersuchen.