Platte Heide. Der Mendener Hausarzt Thomas Tillmann schließt seine Praxis Ende März. Was wird nun daraus? Drei Jahre hat der Mediziner einen Nachfolger gesucht.

Drei Jahre hat er vergeblich einen Nachfolger gesucht. Nun schließt Hausarzt Thomas Tillmann Ende des Monats endgültig die Türen seiner Praxis.

„Noch 16 Tage und den Rest von heute“, sagt Thomas Tillmann mit Blick auf den Kalender am Montagmittag. Im Moment sind die Tage in der Praxis am Veilchenweg besonders lang. Die bevorstehende Schließung ist Thema in vielen Patientengesprächen.

Patienten können Kopie ihrer Unterlagen abholen

Am 31. März findet die letzte Sprechstunde in der Praxis von Thomas Tillmann statt. Die Unterlagen seiner Patienten bewahrt er zehn Jahre auf. Wer möchte, kann sich im April eine (digitale) Kopie abholen. Patienten, die dies möchten, sollen sich bereits jetzt im März in der Praxis melden.

Nach Schließung der Praxis Ende März nutzt Thomas Tillmann dann noch den April, um die Praxis auszuräumen. Wer erst später eine Kopie seiner medizinischen Unterlagen haben möchte, müsste über die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe den Kontakt suchen.

Gerne hätte Thomas Tillmann seine Praxis in andere Hände übergeben. Angedacht war, mit dem Nachfolger beziehungsweise der Nachfolgerin zwei Jahre parallel zu arbeiten, sich dann zurückzuziehen. Etliche Gespräche führte der Allgemeinmediziner mit Interessenten, „einige junge Kollegen waren sogar hier“. Im Anschluss hörte er nichts mehr von diesen. „Das war für mich eine sehr eindrucksvolle Erfahrung“, schildert der 68-Jährige. „Ich hätte erwartet, dass sich jemand, der es sich anders überlegt, zumindest kurz meldet und Bescheid gibt.“ Statt dessen: Funkstille. Erst auf Nachfrage wurde ihm mitgeteilt, dass doch kein Interesse an einer Praxisübernahme mehr bestand.

Lange Arbeitszeiten schrecken ab

Die Suche nach einem Nachfolger sei leider völlig erfolglos verlaufen – trotz seiner Kontakte zu Universitäten, bilanziert Thomas Tillmann. „Die jungen Kollegen wollen diese Selbstständigkeit mit einer eigenen Praxis nicht mehr.“ Ein nicht unerheblicher Teil der Mediziner gehe beispielsweise in die Forschung oder die Pharma-Industrie. Die Arbeitsbedingungen, wozu auch die langen Arbeitszeiten und die Intensität der Patientenbetreuung gehören, schrecke manche jungen Kollegen ab, so Thomas Tillmann: „Die Life-Work-Balance ist für viele sehr wichtig.“ Die Hausarzt-Medizin sei „chronisch unterfinanziert“, stellt er fest. „Und die jungen Kollegen werden an wirtschaftliches Denken herangeführt, das war früher nicht so. In meiner Generation haben ja viele eher ein Helfer-Syndrom.“ Die jüngere Generation schaue eher: „Zu welchen Bedingungen kann ich wie viel verdienen.“ Deshalb ließen sich viele lieber anstellen, sagt Thomas Tillmann. Hinzu komme, dass der ländliche Raum nicht so attraktiv wie so manche Großstadt sei. „Es ist einfach schade, ein Nachfolger hätte eine funktionstüchtige Praxis übernommen.“

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Von Corinna Schutzeichel

Von Versorgungszentren bis Telemedizin

Von Medizinischen Versorgungszentren, wie häufig diskutiert, hält Thomas Tillmann nichts. Nicht jeder ältere Patient sei so mobil, um per Bus zum Versorgungszentrum zu fahren, „und ein Taxi kann sich nicht jeder leisten“. Zudem widerspreche ein Versorgungszentrum dem Hausarzt-Gedanken. Er sehe sich mit seinem Fachgebiet als Hausarzt „auf der Schwelle zwischen Medizin und Sozialwissenschaften, wir nennen das gelebte Anamnese“. So kenne er als Hausarzt in der Regel seit vielen Jahren die familiären Verhältnisse, die berufliche Situation und vieles mehr von seinen Patienten.

Auch von der Telemedizin – Arzt und Patient treffen sich in einer Videosprechstunde – hält Thomas Tillmann wenig. „Ohne einen Patienten in der Praxis zu erleben, kann ich nicht ärztlich tätig sein.“ Bilder, die über eine Webcam übermittelt werden, könnten nicht die Grundlage einer Diagnose sein: „Die kann ich nur stellen, wenn ich den Patienten vor mir sehe.“

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Von Corinna Schutzeichel

Absagen wegen Corona

Und was hält der erfahrene Mediziner von der aktuellen Diskussion um die mögliche Absage von Großveranstaltungen wegen des Coronavirus? „Die Zahl 1000 ist aus der Luft gegriffen“, sagt Thomas Tillmann. Der Allgemeinmediziner plädiert dafür, die Entscheidung je nach Qualität einer Veranstaltung zu treffen: „Eine Veranstaltung, bei der die Besucher dicht gedrängt in einer Halle stehen, sollte man sicherlich absagen. Anders ist es bei einer Freiluftveranstaltung oder bei Messen, bei denen es nicht überfüllt ist.“ Das Wichtigste sei momentan ohnehin: „Abstand zu anderen Menschen halten.“