Menden. . Stefan Neuhaus (55) kämpft seit 30 Jahren als Sprecher der Initiative GigA46 gegen die Verlängerung der A 46. Warum er nicht aufgeben will.

Er ist das Gesicht des A-46-Widerstands. Stefan Neuhaus (55) kämpft seit 30 Jahren als Sprecher der Initiative GigA46 gegen den Bau der A 46. Im Interview mit WP-Redakteur Arne Poll erzählt er, warum Aufgeben für ihn nicht in Frage kommt und warum er trotzdem in ein Auto steigen würde, das über die fertige A 46 fährt.

Sie beschäftigen sich seit mehr als 30 Jahren mit der A 46. Da könnte man doch irgendwann an einen Punkt kommen und sagen: Jetzt gebe ich auf, weil die Autobahn eh nicht kommt?

Stefan Neuhaus: Den ganzen Widerstand gegen die A 46 muss man unter verschiedenen Aspekten sehen. Dass sie bis heute nicht realisiert ist, zeigt, wie schwierig es ist, sie zu bauen. Das hat ja nicht alleine an dem Widerstand gelegen. Das liegt an den Gegebenheiten der Region. Das ist eine ökologisch hochwertige Region. Da ist es schwierig, eine Autobahn durchzubauen. Das haben die Planer und die Befürworter im Laufe der letzten 40 Jahre immer wieder festgestellt. Wenn die Befürworter sich in den 80er Jahren durchgesetzt hätten, dann gäbe es heute kein europäisches Schutzgebiet Luerwald. Mit den aktuellen Planungen soll unter anderem das Naturschutzgebiet Waldemei zerschnitten werden. Die A 46 steht im Bundesverkehrswegeplan und hat Gesetzescharakter. Deswegen gehen die Planungen ja auch weiter. Der Landesverkehrsminister hat einen Masterplan vorgelegt, wie er die A 46 bis 2030 realisieren will. Wer also sagt, die Autobahn kommt eh nicht, der sollte sich nicht täuschen. Aufgeben kommt deshalb nicht in Frage.

geplanter Lückenschluss A46

Was müsste man tun, um Sie von der Notwendigkeit der Autobahn zu überzeugen?

Ich glaube, da gibt’s nichts. Ich halte sie verkehrspolitisch für falsch, wirtschaftspolitisch für unnötig und ökologisch für verheerend. Außerdem bin ich viel zu sehr, mit dieser Region verbunden. Ich bin Lendringser von Geburt an und weiß, was die Region um Menden ausmacht. Das hat viel mit den ökologisch hochwertigen und wunderbaren Naherholungsgebieten zu tun.Dass die Autobahn diese Gebiete zerschneidet und zerstört, dass es eine Autobahn-Schneise zwischen Menden und Lendringsen geben soll, das geht nicht. Das gibt mir einen Stich mitten ins Herz.

Die Gegner haben Alternativplanungen gemacht, die nicht weiter verfolgt wurden. Was ist aktuell Ihre Alternative zur A 46? Verkehrsprobleme gibt’s doch ohne Frage, oder?

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Ich bin kein Verkehrsplaner. Das gilt auch für meine Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Auf dem Tisch liegt aber eine Alternative des BUND, die zusammen mit Verkehrsgutachtern entwickelt worden ist, die das Land zur Verfügung gestellt hat. Das ist der Versuch, überhaupt einmal einen Denkansatz in die Diskussion zu bringen, ob man Verkehr in der Region nicht anders leiten kann.

Klar ist: Eine Autobahn ist keine Lösung für innerörtliche Verkehrsprobleme, nicht einmal für regionale. Eine Autobahn als eine Aneinanderreihung von Ortsumgehungen ist unsinnig. Sie ist eine überregionale Straßenverbindung. Die ursprüngliche Überlegung war es deshalb auch, mit der A46 die Autobahnverbindungen im Ruhrgebiet und Autobahnkreuze zu entlasten. Einiges davon ist oder wird aber jetzt ausgebaut. Dass es an einigen Stellen in der Region Verkehrsprobleme gibt, ist Fakt. Das sehen alle. Die A46 kann sie aber im Kern nicht lösen. Das zeigt auch der Verkehrsentwicklungsplan der Städte Hemer, Iserlohn und Menden. Darin steht, dass die Autobahn negative und positive Auswirkungen hat. Die Autobahn kann an einigen Stellen durchaus die Belastung geringfügig reduzieren. Aber insgesamt auf der Gesamtstrecke der B 7 von Hemer durch Menden bis nach Wickede kann die Belastung nur um 20 Prozent reduziert werden. Das ist nicht viel. Und im Gegenzug kommt dann auch noch ein ganzer Teil überregionaler Verkehr dazu, der Wohngebiete betrifft, die heute nicht belastet sind.

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Viele Menschen denken nicht so differenziert. Die sehen, dass sie vielleicht eine Viertelstunde weniger nach Hagen brauchen. Kann man solche Leute mit Argumenten überzeugen?

Ich kann verstehen, dass sich Menschen, die jeden Tag im Stau stehen, darüber ärgern. Ich würde ihnen aber die Frage stellen, ob sie bereit sind, für die Lösung dieser Probleme, die Naherholungsgebiete ihrer eigenen Städte, die sie ja auch nutzen, zu opfern. Diese Gebiete werden zerschnitten von einer Autobahn oder einer dreispurigen Bundesstraße. Ich bin überzeugt, dass viele nicht unbedingt eine Autobahn wollen. Sie wollen eine Lösung der vorhandenen Problem. Es fehlt eine gutachterliche, von allen Interessierten getragene Lösung, die unterhalb einer Autobahn diese Probleme angeht.

Wenn man sich die Mendener Erklärung gegen den Autobahnbau ansieht, haben viele Menschen unterschrieben, die gar nicht in Menden wohnen.

Die Mendener Erklärung richtet sich ja nicht nur an Menschen, die in Menden leben, sondern an alle, die sich Menden verbunden fühlen. Ich bin ja auch einer, obwohl ich gerade in Dortmund lebe.

Was glauben Sie, kann man bei der Bürgerbeteiligung im Herbst überhaupt einbringen?

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Es kann alles an möglichen Alternativen zur Autobahn auf den Tisch kommen. Und wenn es einigermaßen plausibel ist, muss es auch geprüft werden. Dabei geht es nicht darum, nur zu gucken, ob die A46- Trasse 50 Meter weiter rechts oder links der schützenswerten Eiche verläuft. Es geht auch um grundsätzliche Alternativen. Ich finde es allerdings merkwürdig, dass ein Landesverkehrsminister ein solches Beteiligungsverfahren in seinen eigenen Masterplan reinschreibt und gleichzeitig an einem Bündnis beteiligt ist, das am 16. März in Hemer gegründet werden soll und sich zum Ziel gesetzt hat, die Autobahnpläne schnellstmöglich umzusetzen. Das passt nicht.

Es heißt, dass die Bürgerbeteiligung auch gemacht wird, um letztlich ein Verfahren auch zu beschleunigen.

Die Gefahr besteht. Aber dafür stehen wir nicht zur Verfügung, wenn es nur darum geht, Widerstände einzuebnen.

In Menden hat es einen Stadtratsbeschluss gegen den Bau der Autobahn ohne Tunnel gegeben. Es heißt, die Stadt soll klagen, wenn der Wunsch nicht erfüllt wird. Gegner und Befürworter waren sich so einig wie nie zuvor. Wie einig sind Sie sich tatsächlich?

Letztlich ist dieser Beschluss ja nicht einstimmig gefallen. Es war ja ein CDU-Antrag mit fünf Punkten. Es schwang so ein „Eigentlich will ich die Autobahn, aber ...“ mit. Einige Fraktionen haben den Beschluss deshalb nicht mitgetragen. In der Konsequenz finde ich den Beschluss aber gut. Die aktuellen Pläne sind damit eindeutig vom Rat abgelehnt worden. Und es gibt aktuell keine anderen Pläne. Dass auch die CDU als Autobahnbefürworterin inzwischen große Probleme mit der A46 hat, zeigt ja der Beschluss, einen Tunnel bis zum Windrad in Oesbern zu prüfen. Das würde die eh schon schlechte Nutzen-Berechnung der A 46 so verschlechtern, dass sie aus dem vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans fallen würde Deshalb wird es diesen und andere Tunnel nicht geben. Das prophezeie ich mal.

Hat man als kleine Stadt Menden überhaupt in diesem riesigen Verfahren eine Chance?

Das ist eine schwierige Frage. Für mich ist eher die Frage, ob man als Rat der Stadt nicht eine Verpflichtung hat, für seine Stadt eine Zerstörung großer Gebiete durch eine Autobahn zu verhindern. Dann muss man im Zweifelsfall auch klagen. Das geht im Planfeststellungsverfahren. Die Stadt wird auch eigene Grundstücke haben, die vom Bau betroffen sind. Die muss man ja nicht sofort hergeben. Menden wäre am meisten vom Bau der Autobahn betroffen. Deshalb gibt es doch gar keine andere Wahl, als die Interessen der Stadt laut und mit Nachdruck zu vertreten.

Würden Sie die Autobahn nutzen, wenn sie gebaut wird?

Ich habe gar kein Auto.

Auch nicht als Beifahrer?

Ich bin ja nicht weltfremd. Ich weiß, dass wir hier in einer ländlichen Region leben, in der man ohne Pkw nicht auskommt. Es schwebt mir aber vor, dass es viel bessere Kombinationsmöglichkeiten von Auto, Bus, Bahn und Fahrrad gibt als bisher. Wenn man sich den Verkehrsentwicklungsplan ansieht, erkennt man, dass genau da die großen Lücken sind.

Ich nutze in Dortmund für die meisten Wege Bus, Bahn und Fahrrad . Und wenn ich weiß, dass ich abends irgendwann aus Menden nicht mehr mit der Bahn wegkomme, dann miete ich mir einen Car-Sharing-Wagen.

Sie sehen bei der Katastrophenkultur auch gerne mal Themen von der lustigen Seite. Wie kann man Befürworter pointiert überzeugen, dass die A 46 nicht sinnvoll ist?

Als Sprecher der GigA bin ich nicht der Rudi Carell des A-46-Widerstandes. Es gibt so viele sachliche Argumente, die gegen den Bau sprechen. Als Sprecher ist es meine Aufgabe, sie auch zu vermitteln. Manchmal helfen allerdings plakative Dinge, diese Argumente auch zu veranschaulichen. Ich bin ein großer Befürworter solcher Aktionen. Wir haben am Hexenteich die Baupatenschaften mit 250 Leuten vergeben. Oder die Schneemänner gegen die A 46 gebaut und Ostereier auf der Trasse versteckt. Letztendlich sind die entscheidenden Argumente aber die sachlichen.

Sie hatten mal eine Bildmontage der Brücke durchs Hönnetal. Die Brücke wirkte übertrieben groß.

Das war eine Aktion der „Mendener Erklärung“ um Anselm Vedder. Der ist ja Architekt und weiß, was er tut. Aber ich bin mir sicher, dass es wichtig ist, solche Dinge auch zu veranschaulichen.

Sie sind Menden treu geblieben, obwohl Sie in Dortmund wohnen. Was verbindet Sie immer noch mit Menden?

Ich bin jetzt 56 Jahre alt und habe 44 Jahre meines Lebens in Menden gelebt, davon gut 20 Jahre hier Politik gemacht. Ich habe hier einen großen Teil meiner privaten Kontakte und Freundschaften. Das ist meine Heimat. Mein Herz hängt an dieser Stadt, den Menschen und den Dingen, die es in Menden zu erhalten gilt. Und dann haben mich auch noch die Mitglieder der GigA gebeten, weiterzumachen, als ich weggezogen bin.

Hätten Sie gedacht, dass das so eine Lebensaufgabe wird?

Nein, hätte ich nicht. Ich komme in diesem Leben aber ohnehin nicht mehr darum herum, ein politischer Mensch zu sein. Ich weiß, wie viele tolle Menschen dabei an meiner Seite sind, unsere Region ohne Autobahn zu erhalten. Von da her spüre ich auch eine Verpflichtung, das zu machen. Das alles aus Dortmund zu regeln, kostet Zeit, aber ich freue mich über jede Versammlung und jede Diskussion.

Das ist nicht immer vergnügungssteuerpflichtig.

Der Widerstand gegen eine Autobahn ist ja auch keine Butterfahrt. Wenn aber zum Schluss nach 50 Jahren ein Mobilitätskonzept für die Region herauskommt, bei dem man vorhandene Schwachstellen ausbügelt, mit dem man vorhandene Belastungen reduzieren kann, das keinen zusätzlichen Verkehr in die Region bringt, in dem man vorhandene Naherholungs- und ökologisch hochwertige Gebiete erhält, dann ist das doch eine gute Auseinandersetzung und den Einsatz wert gewesen – auch wenn es lange gedauert hat.