Olpe. Vor zehn Jahren hat Frank Leifermann sein Sehvermögen verloren. Einblicke in sein Leben und wie er seinen Alltag in Olpe meistert.
Im Alter von 46 Jahren ist Frank Leifermann aus Olpe erblindet: „Ich wurde im ersten Moment sehr mutlos und traurig, weil ich dachte, ich könnte an nichts mehr teilhaben“, erzählt er rückblickend. Er hatte bereits in der Schule mit verminderter Sehkraft zu kämpfen, die Augenerkrankung Grüner Star (Glaukom) wurde mit den Jahren immer schlimmer. Heute erlebt er einen stark veränderten Alltag ohne Sehvermögen.
„In Düren liefen lauter Blindfische herum, da haben wir uns kennengelernt“
Frank Leifermann wuchs in Niedersachsen auf; nach dem Abitur begann er, Lehramt mit den Fächern Geschichte und Deutsch in Osnabrück zu studieren. „Es wurde immer schwieriger mit dem Sehen, deswegen konnte ich mein Studium nicht beenden“, erinnert er sich zurück. Trotz Sehbehinderung gab er Computerkurse für Rentner und lektorierte Diplomarbeiten. Doch der Grüne Star verschlimmerte sich, führte zu einem erhöhten Augeninnendruck und schlechterer Sehnerv-Durchblutung. Als Frank Leifermann seine Augen 2016 operieren ließ, war der Sehnerv bereits zu sehr geschädigt; er erblindete.
Mit dem Verlust des Sehvermögens kam die Angst, auch ein Stück weit das gewohnte Leben zu verlieren. „Es gibt vieles, was jetzt nicht mehr geht. Und auch Freundschaften haben sich geändert, was vorher an oberflächlichen Bekanntschaften da war, ist ganz weggebrochen. Die tieferen Freundschaften haben sich auch verändert. Wenn ich jetzt zu Besuch komme, bereiten sie extra ihre Wohnung für mich vor“, erzählt der 56-Jährige. Auch beruflich war ihm klar, dass es anders als bisher laufen würde: „Oft landen Blinde in der Telefonzentrale, das ist der Klassiker.“
Doch als Frank Leifermann auf den 2. Vorsitzenden des Blinden- und Sehbehindertenvereins im Kreis Olpe trifft, schöpft er neue Hoffnung. Dieser zeigt ihm den Umgang mit dem iPhone, das durch Sprachausgaben sämtliche Apps auch blind bedienbar macht. Außerdem empfiehlt er ihm das Berufsförderungswerk in Düren, ein Zentrum für berufliche Bildung blinder und sehbehinderter Menschen. Er erlernt dort Blindenschrift und schließt eine zweijährige Ausbildung zur Bürofachkraft mit sehr guten Noten ab. Und noch eine Begegnung prägt seinen weiteren Lebensweg.
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„In Düren liefen lauter Blindfische herum, da haben wir uns kennengelernt“, erzählt Sabina Seithe lachend. Auch sie ist durch multiple Augenkrankheiten nahezu blind, doch sie sprüht vor Optimismus und Lebensfreude. „Meine Freunde sagen, Frank strahlt so eine Ruhe aus, das tut mir gut. Ich rege mich nicht auf, meine Energie brauche ich für andere Sachen“, erzählt sie. Die beiden sind ein Paar, leben aber getrennt. Sabina Seithe ist bei der Kreisverwaltung Olpe beschäftigt.
Alltag von zwei Blinden in Olpe
Zu Hause versucht Frank Leifermann seinen Alltag so gut wie möglich zu meistern: Er hört Podcasts statt wie früher Bücher zu lesen und hält alles sehr ordentlich, um Gegenstände wiederzufinden. Einkaufen geht er mit Begleitung, mal mit Freunden, mal mit bezahlten Assistenzkräften. „Wir brauchen für alles länger, man lernt, für alles die doppelte Zeit einzuplanen“, erzählt Sabina Seithe.
Dank seiner guten Abschlussnoten bekommt Frank Leifermann eine Stelle bei der Polizei Gummersbach. Zu Fuß komme er dank Blindenstock und vertrauter Wege in Olpe gut zurecht, eine besondere Herausforderung sei jedoch der knapp zweistündige Arbeitsweg mit dem Bus. „Auf dem Rückweg ist der Bus mit Schülern knackevoll, oft sind die Leute dann so laut, dass ich die Ansage der Bushaltestelle nicht höre“, erzählt er. An der falschen Haltestelle auszusteigen bedeutet, den Weg nach Hause nicht zu kennen. Er ist froh über die Tage im Homeoffice. „Wir sind auf unsere Umwelt angewiesen, in Olpe empfinden wir das als sehr positiv“, sagt Sabina Seithe. „Wir gehören hier schon ins Stadtbild, viele Leute erkennen uns und helfen uns weiter, wenn wir uns verlaufen“, ergänzt Frank Leifermann.
Beide engagieren sich ehrenamtlich im Blinden- und Sehbehindertenverein im Kreis Olpe und versuchen dort, ihre Belange voranzutreiben. So zum Beispiel mehr barrierefreie Ampeln in der Kreisstadt zu schaffen. Am Samstag, 8. Juni, steht das 100-jährige Jubiläum des Vereins an.
„Es ist kein Unglück, blind zu sein. Es ist nur ein Unglück, die Blindheit nicht zu ertragen“ (Konfuzius) – hinter diesem Zitat stehen sie beide.
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