Attendorn. Am Freitag kam es beim „Bäumchensetzen“ in Attendorn zu einem Unfall mit einem Gauwagen. Die Eltern des Unfallfahrers äußern sich zu dem Vorfall.

Der Tradition des sogenannten „Bäumchensetzens“ gehen die Abiturienten aus Attendorn seit vielen Jahren nach, um gemeinsam den Schulabschluss zu feiern. Dazu gehört auch, dass „Rivianer“ und „Ursulinen“, also die Oberstufen-Schüler vom Rivius- und vom St.-Ursula-Gymnasium, das Ende ihrer Schulzeit gemeinsam auf einem großen Platz im Stadtgebiet feiern. Einige Abiturienten fahren dafür mit ihren „Gauwagen“ vor, in der Regel ältere Rostlauben, die sie mit viel Liebe zum Detail verschönert haben. Doch immer wieder wird Kritik an dieser Tradition laut. Den Jugendlichen wird vorgeworfen, dass die Feierlichkeiten ausarteten. Nicht zum ersten Mal kam es jetzt zu einem unschönen Zwischenfall, der glücklicherweise halbwegs glimpflich endete.

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Am Freitag kamen die Abiturienten auf dem Osterfeuerplatz an der Stadthalle mit ihren „Gauwagen“ zusammen. Laut Angaben der Polizei war ein 18-jähriger Schüler vom Rivius-Gymnasium gegen 14.30 Uhr mit seinem Auto, in dem sich weitere Schüler befanden, auf dem Schotterparkplatz gedriftet. Dabei passierte es: Er fuhr einen 16-jährigen Schüler vom St.-Ursula-Gymnasium an. Der junge Mann verletzte sich dabei leicht, nach unseren Informationen wurde eine Schnittwunde im Krankenhaus genäht.

Er wollte sofort, als wir ihn zehn Minuten später am Auto angetroffen haben, zu dem Jungen ins Krankenhaus, um nach ihm zu sehen, ihn zu sprechen und sich aufrichtig zu entschuldigen. Er hat also keineswegs, wie erzählt wird, Fahrerflucht begangen, sondern wir haben uns unverzüglich ebenfalls ins Krankenhaus begeben, um nach dem Jungen zu sehen.
Die Eltern des 18-jährigen Unfallfahrers in einem Schreiben

Der Unfallfahrer musste jedoch seinen Führerschein abgeben. Auf ihn kommt nun eine Strafanzeige zu. Die Eltern des jungen Fahrers haben am Samstag einen Brief, der unserer Redaktion vorliegt, an die Eltern beider Schulen geschrieben, in dem sie den Unfall aus Sicht ihres Sohnes schildern. Er habe „am Ende der Driftkurve das Fahrzeug gebremst, und dabei ist es auf dem Schotter ins Rutschen geraten und an einige dort stehende Jungs (...) drangerutscht, die zur Seite sprangen, und einer ist mit dem Rücken auf die Windschutzscheibe gesprungen, um auszuweichen. Dabei hat sich der Junge (...) eine Schnittwunde an der Hüfte zugezogen, die im Krankenhaus genäht wurde.“

Ihr Sohn habe unmittelbar nach dem Unfall seinen Wagen auf einem Nachbarparkplatz abgestellt und zuhause angerufen, um abgeholt zu werden, schreiben seine Eltern: „Er wollte sofort, als wir ihn zehn Minuten später am Auto angetroffen haben, zu dem Jungen ins Krankenhaus, um nach ihm zu sehen, ihn zu sprechen und sich aufrichtig zu entschuldigen. Er hat also keineswegs, wie erzählt wird, Fahrerflucht begangen, sondern wir haben uns unverzüglich ebenfalls ins Krankenhaus begeben, um nach dem Jungen zu sehen.“ Er mache sich große Vorwürfe und es tue ihm aufrichtig leid.

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In dem Brief stellen die Eltern jedoch klar, dass ihr Sohn keineswegs – wie im Polizei-Bericht steht – „Donuts“ gedreht habe. Mit Sorge hätten sie zudem vernommen, dass von einigen Schülern (...) die Drohung ausgesprochen worden sei, dass ihr Sohn, wenn er sich nochmal blicken lasse, verprügelt werde und dass ihr Haus und Garten zerlegt würden. „Es ist unserer Meinung nach (...) jugendlicher Leichtsinn, die Vorfreude auf das Setzen und Freude über das bestandene Abi, der Spaß an den Gauwagen und all das unglücklich zusammengenommen und hat richtigerweise Konsequenzen (Anmerkung der Redaktion: für unseren Sohn). Wir hoffen sehr, dass nun nicht noch Selbstjustiz hinzukommt.“

Schulen können nur appelieren

Für Markus Ratajski, Schulleiter des St.-Ursula-Gymnasiums, deuteten sich solche Zwischenfälle – leider – ein Stück weit an. „Diese eigentlich so schöne Tradition hat in den vergangenen Jahren eine Eigendynamik mit Problemen entwickelt. Die beste Prävention, um Vorfälle wie diesen zu vermeiden, wäre, von Beginn an Abstand davon zu nehmen. Aber das Bäumchensetzen ist für die Abiturienten eben das Event überhaupt“, erklärt er im Gespräch mit dieser Redaktion und ergänzt: „Jeder Schüler soll seine Abitur-Freude ausleben, aber es gibt Grenzen. Spaß zu haben unter Vernachlässigung jeglicher Verantwortung ist nicht hinnehmbar.“ Vonseiten der Schulen sei man weitgehend machtlos, weil es sich um eine komplett private Veranstaltung der Schüler handle, die Schulen könnten maximal an den Verstand und die Rücksichtnahme der beteiligten Abiturienten appelieren. Das bestätigt auch Daniela Greitemann, Leiterin des Rivius-Gymnasiums. Sie weist ausdrücklich daraufhin, dass die Schulen eng zusammenarbeiten und über mögliche Gefahren aufklärten.

Die Polizei versucht ebenso, über ein Präventionsgespräch im Vorfeld die Jugendlichen zu sensibilisieren. Thorsten Scheen, Pressesprecher der Olper Polizei, erklärt auf Nachfrage: „Wir stellen immer dann ein erhöhtes Gefährdungspotenzial fest, wenn sich, wie zum Beispiel im Fall des sogenannten Bäumchensetzens, die Toleranzschwelle zu einem nicht-normkonformen Verhalten senkt. Insbesondere die mitunter euphorisierenden Eindrücke nach den bestandenen Abiturprüfungen könnten hier durchaus negativen Einfluss auf das Verhalten der jungen und unerfahrenen Fahrzeugführer entwickeln.“ Die Polizei sei über die Termine des „Bäumchensetzens“ informiert, sie habe im Rahmen der Verkehrsüberwachung auch vermehrt die „Gauwagen“ mit einbezogen, so Scheen weiter. Im Jahr 2019 war es zu einem ähnlichen Vorfall während der Abi-Feierlichkeiten gekommen. Ein damals 18-jähriger „Gauwagen“- Fahrer wurde, am Steuer sitzend, mit Bier bespritzt und bekam laut damalige Polizeiauskunft die Flüssigkeit ins Auge – mit der Folge, dass er kurzzeitig nichts sehen konnte und einen Auffahrunfall verursachte.