Attendorn. Joshua Beckmann und Marek Müller reagieren auf die Kritik einer besorgten Mutter aus Attendorn, die das Bäumchensetzen stark kritisiert hat.

Eine besorgte Mutter aus Attendorn schlägt Alarm: Sie sieht die Tradition des Bäumchensetzens in Gefahr, weil aus ihrer Sicht die Abiturienten, die nochmal kräftig ihren Abschluss feiern, zu sehr über die Stränge schlagen. Sie spricht davon, dass die Tradition in den vergangenen Jahren mehr einem Zerstörungsakt glich (wir berichteten).

Gegen diese Darstellung wehren sich Joshua Beckmann (19) und Marek Müller (18). Die Abiturienten vom Rivius (Beckmann) und vom Ursula-Gymnasium (Müller) gehörten in diesem Jahr der sogenannten Gau-Leitung an, sie kümmerten sich also um die Durchführung der Feierlichkeiten. Zur Erklärung: Beim Bäumchensetzen treffen sich die Abiturienten der beiden Attendorner Gymnasien zunächst bei den Schülern zuhause und pflanzen dort ein Bäumchen. Am Ende des Tages kommen sie alle zum sogenannten Joker zusammen, also zu einer abschließenden Feier auf einem freien Feld. Diese Feierlichkeiten sind, wie die beiden sagen, friedlich an drei Wochenenden vonstatten gegangen.

Welche Bedeutung hat das Bäumchensetzen für euch?

Joshua Beckmann Auf jeden Fall eine sehr hohe Bedeutung, denn es gibt diese Tradition schon seit so vielen Jahren. Ich habe sie schon bei meinen Geschwistern mitbekommen. Es ist ein Bestandteil von Attendorn geworden und gehört einfach zu den beiden Gymnasien dazu.

Marek Müller Ich habe das Bäumchensetzen durch Verwandte vor vielen Jahren kennengelernt, später durch meinen Bruder. Es ist mitunter die letzte Möglichkeit, die Freunde, mit denen man täglich in der Schule saß, nochmal zu sehen, bevor sie zum Studieren weggehen. Man trifft auch einige Ehemalige, die für dieses Event gerne nach Attendorn zurückkommen. Es ist einfach ein Highlight.

Wie viel Arbeit steckt in der Vorbereitung auf das Bäumchensetzen?

Beckmann Enorm viel (lacht).

Müller Es fängt damit an, die Leute zu motivieren, ein eigenes Setzen zu machen. Dann wird geklärt, wer einen Gauwagen stellt. Das sind alte Autos, die eigentlich nur für diese Feierlichkeiten gedacht sind. Dann müssen wir die Route planen. Wo und wann fahren wir an welchem Wochenende wohin. Dann sprechen wir natürlich mit der Polizei. Es geht darum, die Motto-T-Shirts zu designen und zu bestellen. Für die abschließende Feier, die wir Joker nennen, müssen wir die Musiktechnik buchen, es braucht einen DJ und wir halten Ausschau nach einem geeigneten Platz. Es ist wirklich viel. Und die Platzsuche hat uns dieses Jahr wirklich Nerven gekostet.

Warum?

Müller Wir hatten ein Feld in Echternhagen, also auf Meinerzhagener Stadtgebiet, ins Auge gefasst. Doch leider hat uns einen Tag vorher das Ordnungsamt der Stadt Meinerzhagen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Also mussten wir quasi über Nacht einen neuen Platz finden und sind durch den ganzen Kreis Olpe gefahren und haben sämtliche Bauern abgeklappert, die uns ein Feld zur Verfügung stellen könnten.

Wo habt ihr schließlich eure Feiern gemacht?

Müller Wir waren einmal in Fehrenbracht, dann in Melbecke und in Helden. Schließlich wollen wir nicht jedes Wochenende am gleichen Standort sein, weil wir natürlich nicht immer die selben Leute bei der Lautstärke belästigen möchten. Ende gut, alles gut.

Zur Person

Joshua Beckmann ist 19 Jahre alt und hat in diesem Jahr sein Abitur am Rivius-Gymnasium in Attendorn gemacht. Der Finnentroper wird bald ein Bundesfreiwilligen-Jahr bei der Gemeinde Finnentrop antreten.

Marek Müller ist 18 Jahre jung und Abiturient des St. Ursula-Gymnasiums. Der Attendorner wird duales Maschinenbau-Studium bei der Firma Mubea in Attendorn beginnen.

Wie groß ist denn so eine Veranstaltung?

BeckmannDas ist schwierig zu schätzen. So um die 300 Leute. Du weißt halt nicht, wie viele Auswärtige kommen.

Müller Wir versuchen, die Anzahl aber so gering wie möglich zu halten. Deswegen verraten wir den Platz, auf dem der Joker gefeiert wird, auch immer erst sehr spät. Wir wollen nicht, dass Leute dazukommen, die gar nichts mit unserer Stufe zu tun haben und nur billig Bier abgreifen wollen.

Wie reagiert ihr auf die Kritik der besorgten Mutter, die behauptet, das Bäumchensetzen sei aus den Fugen geraten?

Müller Ich weiß, es ist nicht immer alles gut, was wir machen. Aber die Aussagen sind falsch. Es ist nichts zerstört worden. Früher war es ganz normal, dass die Abiturienten sich auf das Dach oder auf die Motorhaube des Gauwagens gesetzt haben. Dass dann Beulen und Kratzer reinkommen, ist kein neues Phänomen. Wir weisen auch immer darauf hin, dass das Auto fahrtüchtig sein muss. Scheiben, Spiegel oder Lichter sind absolut tabu. Bis auf ein, zwei Ausnahmen sind sie auch immer heile geblieben. Es wurde auch niemand angehalten, der Alkohol getrunken hatte und noch am Steuer saß. Wir wissen selber, wenn man mit dem Gauwagen unterwegs ist, dann hat man eine Verantwortung. Niemals würde jemand ein paar Bier trinken und dann noch weiterfahren. Die Gefahr, von der Polizei angehalten zu werden, ist viel zu groß. Wir passen wirklich auf und wollen einfach nur friedlich unseren Schulabschluss feiern.

Beckmann Wir würden von der Gau-Leitung auch dazwischen gehen, wenn sich jemand alkoholisiert ans Steuer setzt. Den würden wir sofort aus dem Verkehr ziehen.

Aber ist es für euch überhaupt machbar, im Blick zu halten, dass wirklich jeder Gauwagen-Fahrer nüchtern bleibt?

Müller Das ist möglich, ja. Wir sind da schon konsequent und machen denjenigen, die sich nicht an die Regeln halten, eine klare Ansage. Wir haben die Verantwortung. Vor zehn Jahren war das alles noch viel schlimmer. Da wurden Hecken eingerissen oder Garagentore beschädigt. So etwas machen wir gar nicht. In den letzten Jahren haben wir, weil wir eben diese Tradition fortsetzen möchten, immer darauf geachtet, dass das Bäumchensetzen in einem vernünftigen Rahmen abläuft und nicht außer Kontrolle gerät.

Beckmann In den letzten Jahren ist es sogar deutlich ruhiger geworden. Das haben uns viele Leute bestätigt, mit denen wir darüber gesprochen haben.

Findet ihr denn noch genügend junge Leute, die überhaupt einen Gauwagen zur Verfügung stellen?

Beckmann: In der Q1 sind rund 50 Schüler gewesen – und zehn Gauwagen. Das ist eine wirklich gute Quote. Sicherlich muss man den einen oder anderen ansprechen und motivieren. Aber dann sind fast alle Feuer und Flamme. Es ist nicht weniger geworden.

Müller Und das, obwohl die Preise für Gebrauchtwagen gestiegen sind. Aber da können wir als Stufe ja nichts zu. Wir hatten am Ursula-Gymnasium bei 80 Schülern 15 Gauwagen. Der Trend ist so, dass fast alle von dieser Veranstaltung begeistert sind und sich darauf freuen. Ich merke das daran, wie oft ich von Jüngeren angesprochen wurde. Alle wollen diese Tradition erhalten. Deswegen ist es weder fair noch richtig, uns zu unterstellen, die Tradition des Bäumchensetzens dadurch zu gefährden, dass alles nur noch chaotisch abläuft. Das entspricht einfach nicht der Wahrheit.