Attendorn. Es ist eine Tradition, die es in Attendorn seit vielen Jahren gibt: das Bäumchen setzen. Doch es gibt Kritik an dem Verhalten der Schüler.
Die Mutter aus der Hansestadt macht sich große Sorgen. Um den Fortbestand einer Attendorner Ur-Tradition, auf die sich jedes Jahr zig Abiturienten des Rivius-Gymnasiums und der St. Ursula-Schule tierisch freuen. Beim „Bäumchen setzen“ feiern die Jugendlichen nochmal ausgelassen ihren Schulausstand. „In den vergangenen Jahren war diese wunderbare Tradition allerdings gleichzusetzen mit Zerstörung“, echauffiert sich die Frau, die selber betroffen ist, denn ihre Tochter macht dieses Jahr ihr Abitur in Attendorn. Und „Bäumchen setzen“ gehört dabei natürlich zum fest eingeplanten Programm.
Die Familie hatte im Vorfeld extra ein altes Auto gekauft, es mit viel Liebe zum Detail bemalt und dadurch zum „Gauwagen“ umfunktioniert. Mit diesen alten Rostlauben fahren die Jugendlichen traditionsgemäß nach den Prüfungen zu ihren Abi-Kameraden und pflanzen bei den Schülern ein Bäumchen, etwa im Vorgarten. Ist die „Arbeit“ getan, treffen sich alle zu einer abschließenden Feier auf einer Grünfläche oder einem großen Platz in der Hansestadt. Das letzte „Bäumchen setzen“ in diesem Jahr fand übrigens am Samstag in Biekhofen statt.
Früher, erzählt Markus Pröll, der 1992 am Ursula-Gymnasium sein Abitur machte und seit einigen Jahren als Lehrer für Sozialwissenschaften, Politik und Erdkunde dort tätig ist, gab es bei jedem Schüler noch Speis und Trank und es wurde gesungen. Alkohol gab es damals genauso wie heute. Dem gebürtigen Attendorner bleibt allerdings nicht verborgen, dass das Maß der Zumutbarkeit mitunter überschritten wird. Ein Beispiel vom Wochenende: Weil ein 18-Jähriger beim Gauwagen-Fahren mit Bier bespritzt wird und die Flüssigkeit ins Auge bekommt, kann er laut Polizeiangaben kurzzeitig nichts sehen und verursacht dadurch einen Auffahrunfall. Den Beifahrer erwartet nun eine Strafanzeige wegen gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr.
Beide Kotflügel eingetreten
Genau das meint die betroffene Mutter. „Die Jugendlichen machen sich keine Gedanken darüber, dass es Straftaten sind, die sie da begehen.“ Es würden nicht nur andere Verkehrsteilnehmer gefährdet, die Schüler könnten ihre Führerscheine verlieren, sie müssten für zivilrechtliche Schäden aufkommen und Sachbeschädigungen gehörten ebenso dazu. Von Letzterem kann die Attendornerin aus eigener Erfahrung ein Lied singen. Das alte Auto ihrer Tochter sei nach einem einzigen Tag entsorgungsfällig gewesen. „Beide Kotflügel waren eingetreten und die Außenspiegel abgetreten. Und nicht nur unser Auto sah so aus“, ärgert sie sich über die mutwilligen Zerstörungen der Jugendlichen und die, so wörtlich, erschreckend niedrige Hemmschwelle zur Begehung von Straftaten. Sie ergänzt: „Dabei gibt es immer weniger Kinder, die sich einen „Gauwagen“ leisten können. Diejenigen, die sich die Mühe machen, stehen am Ende mit einem völlig zerstörten Auto da.“ Markus Pröll kann verstehen, dass sich die betroffene Mutter derart aufregt. Wenngleich es die Beschwerden schon immer gegeben habe. Nichtsdestotrotz sagt der Lehrer klipp und klar: „Grundsätzlich ist diese schöne Tradition immer unreglementierter geworden. Teilweise fahren Jugendliche mit, die gar nichts mit der Sache zu tun haben und nur billig Bier abgreifen wollen.“
Schüler immer jünger
Grund für diese Entwicklung sei unter anderem, dass die Jahrgänge immer größer und etwa durch G8 die Schüler immer jünger würden. Verteufeln will Pröll seine Schüler aber nicht. „Wir haben damals auch Passanten nass gespritzt und schon mal ein Garagentor ausgehebelt.“ Allerdings müsse die ganze Aktion im Rahmen bleiben, weshalb Markus Pröll eindringlich dafür wirbt, dass sich die Schüler wieder mehr der Tradition besinnen. Und sie nicht für einen reinen Alkohol-Vernichtungs-Akt missbrauchen.
Auch interessant
Denn sonst, so befürchtet die betroffene Mutter aus Attendorn, würde ihrer jüngere Tochter möglicherweise in drei Jahren zum Abi diese Tradition verwehrt bleiben. Und das wolle ja niemand.