Olpe. Der DGB-Kreisverband lud auf den Marktplatz und warb für die gewerkschaftliche Sache. IGBCE-Chef Vassiliadis gab sich kämpferisch.
Der Vortag des 1. Mai ist seit mehreren Jahren für den DGB-Kreisverband Olpe Anlass, eine Kundgebung anlässlich des „Tags der Arbeit“ zu organisieren. Stets hat DGB-Kreischef André Arenz hochkarätige Redner am Start, und das war in diesem Jahr nicht anders. Der Olper Marktplatz war vom Gewerkschaftsbund in Beschlag genommen worden. Bühne und Verpflegungsstände waren aufgebaut, und mehrere Mitgliedsgewerkschaften waren mit Infoständen mit dabei.
Doch hätte der Andrang größer sein können; die Zahl der Zuhörer war auf dem weitläufigen Gelände schwer auszumachen, dürfte aber in etwa gleicher Höhe gewesen sein wie am Samstag beim Wahlkampfauftritt von CDU-Bundeschef Friedrich Merz. Etwa 250 Männer und Frauen waren gekommen, darunter jede Menge lokaler Prominenz. Neben den beiden Bundestagsabgeordneten aus dem Kreis Olpe, Florian Müller (CDU) und Nezahat Baradari (SPD), waren auch alle drei Landtagsabgeordneten da: Jochen Ritter (CDU), Dr. Gregor Kaiser (Grüne) und Christin-Marie Stamm (SPD), die Bürgermeister Bernd Clemens (Wenden), Achim Henkel (Finnentrop), Christian Pospischil (Attendorn) sowie stellv. Bürgermeister Markus Bröcher (Olpe). Besonders freute André Arenz sich, dass die beiden ehemaligen Bundestagsabgeordneten Petra Crone und Willi Brase (beide SPD) aus den Nachbarkreisen angereist waren und durch ihre Beteiligung die Bedeutung der Mai-Kundgebung betonen wollten. Und auch Gewerkschaftsfunktionäre aus den Nachbarkreisen sowie der ehemalige Bezirkschef der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft, Jürgen Weiskirch, gaben sich die Ehre.
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In seiner Begrüßung betonte Arenz, dass im Jahr 2024 sowohl 75 Jahre Grundgesetz wie auch 75 Jahre Tarifvertragsgesetz Gründe zum Feiern seien. Nach wie vor seien Tarifverträge das Mittel der Wahl, wenn es um gerechte Bedingungen in der Arbeitswelt gehe. Er rief dazu auf, die Herausforderungen durch den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel nicht den Kräften des Marktes zu überlassen. Der Wandel brauche eine starke Wirtschaft, und diese sei auf Verlässlichkeit bei den Energiepreisen angewiesen. Bezahlbare Preise für alle statt Übergewinnen für wenige müsse die Devise heißen. Gewerkschaften leben, so Arenz, von Vielfalt und stehen für diese, und diese Vielfalt sei die Grundlage für eine Gesellschaft, in der Freiheit und Demokratie nebeneinanderstehen. Er rief zum Kampf gegen Feinde der Demokratie auf, insbesondere „alte und neue Nazis“, für die es in Deutschland keinen Platz gebe.
Enttäuschung drückte Landrat Theo Melcher (CDU) aus, dass nicht mehr Menschen gekommen waren. Dabei gehe von einer derartigen Veranstaltung das wichtige Signal aus, dass „unsere Gesellschaft, unsere Werte vom Mitmachen leben“. Wer sich heraushalte, der setze Freiheit und Demokratie aufs Spiel. Die Gesellschaft stehe durch demografische Veränderungen, die Digitalisierung und die Dekarbonisierung vor großen Herausforderungen, und dies könne am besten von einer Wirtschaft gemeistert werden, in der eine intakte Sozialpartnerschaft auf Augenhöhe herrsche. Sein Appell an die Bundesregierung: „Setzen Sie auf Kontinuität.“ In Krisenzeiten seien veränderte Rahmenbedingungen erschwerend für die Bewältigung dieser Krise.
Hauptredner des Abends war der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Bergbau-Chemie-Energie, Michael Vassiliadis. Er erklärte, der 1. Mai sei ein besonderer Tag und müsse genutzt werden, um darauf aufmerksam zu machen, dass die Gewerkschaften wieder da seien „als Kraft, der die Menschen vertrauen“. In Zeiten einer für viele unklaren Zukunft sei es Aufgabe der Gewerkschaften, Orientierung zu geben. Wohlstand sei weiterhin ein wichtiges Ziel, aber ein Wohlstand, der ungleich verteilt werde, bedeute nichts anderes als Reichtum für wenige. Selbstverständlich sei Ziel auch der Gewerkschaften, eine erfolgreiche Wirtschaft zu haben, aber eine Wirtschaft, die den Menschen diene. In den vergangenen beiden Jahrzehnten sei vieles auf der Strecke geblieben oder habe äußerst hart erkämpft werden müssen, „beispielsweise der Mindestlohn, schlimm genug, dass wir den brauchen“. Er kritisierte die von der FDP als sakrosankt angesehene Schuldenbremse: Schulden seien nichts Schlechtes, wenn das Geld für die Gesellschaft investiert werde. Angelegenheiten wie Bildung werde vom Markt nicht geregelt, hier sei der Staat gefragt, und dafür brauche er Geld. Auch im Bereich der Infrastruktur gebe es immensen Nachholbedarf. „Über Wasserstoff darf man nicht nur reden, wir brauchen dafür schlicht und einfach Rohre.“
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Er kritisierte Teile der Politik: Da werde von denen geschimpft, die in Wahrheit das verursacht hätten, was sie nun anderen vorwürfen. In Richtung der „Ampel“ erklärte er, diese gebe zwar genug Anlass zur Kritik, „unter anderem weil die ja mehr streiten als machen“, aber bei nüchterner Betrachtung müsse der Regierung attestiert werden, dass sie „auch eine ganze Menge gerockt hat“. Hart ins Gericht ging er mit neurechten Europagegnern, denn Deutschland sei einerseits stets der Motor der europäischen Wirtschaft gewesen, sei aber auch so abhängig von Europa wie kein anderes Land. Er hoffe, dass der 1. Mai seine Bedeutung zurückgewinne und zum Signal werde für die Wichtigkeit der gewerkschaftlichen Sache. Mit einem Strauß Nelken dankte Arenz dem Gewerkschaftsvorsitzenden, der die Gelegenheit nutzte, im Anschluss noch manches Gespräch auf dem Marktplatz zu führen, wo die Kundgebung in lockerer Runde bei Live-Musik langsam ausklang.