Olpe/Attendorn. Junger Mann muss sich vor Gericht verantworten: Lange Verfahrensdauer und schwierige Kindheit im Fokus.

Der Angeklagte war in sich gekehrt. Der 23-Jährige, der sich am Donnerstag im Olper Jugendschöffengericht zu verantworten hatte, leide unter der langen Zeit, die ins Land gezogen sei zwischen erster Hausdurchsuchung und Verhandlung. In der Tat ist es ungewöhnlich, dass fünf Jahre vergehen, bis sich ein Angeklagter für seine ihm vorgeworfenen Taten vor Gericht zu verantworten hat. Zumal auch die Ermittlungen schon Konsequenzen für den Angeklagten hatten. Denn als die Polizei sein Mobiltelefon beschlagnahmte, um darauf kinder- und jugendpornografische Bilddateien sicherzustellen, lebte der junge Mann im inzwischen aufgegebenen Collegium Bernardinum in Attendorn, einem vom katholischen Bistum getragenen Wohnheim mit Internats-Charakter. Der Angeklagte hatte das Collegium verlassen müssen, als die Vorwürfe bekannt geworden waren. Er ließ überwiegend seinen Anwalt sprechen, antwortete aber auch selbst auf Fragen von Gericht und Staatsanwaltschaft und machte dabei deutlich, wie sehr das Verfahren bislang schon auf ihn eingewirkt habe und wie sehr ihm das Ganze leidtue.

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Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft verlas insgesamt zwei Anklagen, zum einen wegen des Besitzes von kinder- und jugendpornografischen Bildern, zum anderen wegen der Verbreitung entsprechender Daten an Minderjährige. Denn nach dem ersten Tatkomplex aus dem Jahr 2019 waren auch im Jahr 2021 nochmal Mobiltelefone des in Attendorn lebenden Angeklagten mit einem kinderpornografischen Motiv und mehreren jugendpornografischen Bildern beschlagnahmt worden. Auf kritische Nachfragen von Stephanie Scheepers als Vorsitzender Richterin erklärte der junge Mann, dies seien besonders ärgerliche Vorwürfe: Er habe schlicht und einfach versäumt, beim Aufsetzen eines neuen Mobiltelefons alte Bilddateien aus dem ersten Verfahren zu löschen, die auf diese Weise automatisch mit auf das neue Gerät aufgespielt worden seien. Die Richterin glaubte ihm dies, wies aber auf die besondere Sorgfalt hin, die nach einer Hausdurchsuchung mit derartigen Konsequenzen erforderlich sei.

Eltern des Mädchens holten ihn ab

In dem ersten Tatkomplex hatte der junge Mann intime Fotos mit einer damals 13-Jährigen ausgetauscht, mit der er kurze Zeit liiert gewesen sei. Sein Verteidiger betonte, die Vorwürfe seien anders zu bewerten als wenn ein 50-Jähriger Mann sich jugendpornografische Bilder ansehe: „Zum Tatzeitpunkt war er 19 Jahre alt“ und sei davon ausgegangen, dass das Mädchen 14 sei. Seinem Mandanten sei damals nicht wirklich bewusst gewesen, dass der Austausch solcher Bilder aufgrund des jugendlichen Alters des Mädchens strafrechtliche Relevanz besitze. Denn die Beziehung sei von den Eltern der 13-Jährigen toleriert worden, sie hätten ihn sogar vom Bahnhof abgeholt, damit er im Haus der Familie zusammen mit dem Mädchen habe übernachten können.

Es war das Dümmste, das ich je getan habe.
Angeklagter - 23-jähriger Attendorner

Der Vertreter der Jugendgerichtshilfe berichtete über eine äußerst schwierige Jugend des Angeklagten, aufgewachsen bei einer lieblosen Mutter und einem unter Kontrollzwang leidenden Stiefvater, vom Gymnasium zur Realschule umgemeldet, damit die Mutter weniger mit ihm lernen musste, schließlich ins Internat abgeschoben. Trotz dieser Widrigkeiten führe er inzwischen ein selbstbestimmtes Leben mit fester Arbeitsstelle und eigener Wohnung. Lediglich die Sozialkontakte gäben Anlass zur Sorge; der junge Mann pflege nur ganz wenige Kontakte und habe nur ein Hobby: das Schrauben an seinem Auto.

„Der objektive Tatbestand wird eingeräumt“, so der Verteidiger. „Es war das Dümmste, das ich je getan habe“, erklärte der Angeklagte dann selbst. Er wisse inzwischen, dass die Verbreitung derartiger Fotos ein Leben zerstören könnte. Seine Offenheit stieß beim Gericht auf Zustimmung. „Ich finde es sehr gut, dass Sie sich hier hinstellen und alles zugeben, das macht längst nicht jeder“, so Richterin Scheepers. Auch mussten aufgrund der geständigen Einlassungen die beiden Zeuginnen nicht aussagen.

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Beim Urteil folgte das Gericht der Einschätzung der Jugendgerichtshilfe und fällte ein Urteil, das unter das Jugendstrafrecht fällt: Zum Zeitpunkt der Taten habe der Heranwachsende durch die schwierige Kindheit und soziale Defizite nicht wie ein Erwachsener gehandelt. Schädliche Neigungen seien nicht vorhanden, weshalb auf eine Jugendstrafe verzichtet werden könne. Wie von der Staatsanwaltschaft beantragt und der Jugendgerichtshilfe vorgeschlagen, verurteilte die Jugendkammer ihn zu 80 Stunden gemeinnütziger Arbeit und zehn Therapiestunden bei einem Attendorner Sexualtherapeuten.

Richterin Scheepers: „Vielleicht sollten wir Ihnen noch die Auflage geben, in einen Fußball- oder Tennisclub einzutreten. Sie brauchen soziale Kontakte, suchen Sie sich einen Verein.“ Es sei nicht gut, als Eigenbrötler grübelnd in der Wohnung zu sitzen. Angeklagter wie Staatsanwaltschaft verzichteten auf die Einlegung von Rechtsmitteln, wodurch das Urteil rechtskräftig ist. Er hat nun sechs Monate Zeit, die Sozialstunden abzuleisten und sieben Monate, um die Therapiestunden zu besuchen.