Olpe. Ein junger Mann hat in Olpe zahlreiche Hausverbote ignoriert und in Discountern geklaut. Jetzt stand er vor Gericht – es gibt ein Urteil.

Der junge Mann ignorierte gleich ein halbes Dutzend Hausverbote und griff in Olper Geschäften immer wieder in die Regale, ohne zu bezahlen. Vor allem einen Discounter suchte er im November/Dezember 2022 regelmäßig auf, holte sich im Geschäft etwas zu essen – am liebsten Garnelen im Becher – und verspeise die Lebensmittel an Ort und Stelle. Auch hier, ohne zu zahlen und trotz eines Hausverbotes. „Er war fast täglich bei uns, die Kollegen kannten ihn“, berichtete der als Zeuge geladene Filialleiter vor dem Amtsgericht Olpe.

Dort wurde gegen den nach Deutschland geflüchteten 23-Jährigen unter anderem wegen mehrfachen Diebstahls, Körperverletzung und Hausfriedensbruch verhandelt. Am Ende sprach das Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Matthias Witte den Angeklagten in den meisten Punkten wegen Schuldunfähigkeit frei. Übrig blieb nur eine Verurteilung wegen Schwarzfahrens Anfang März 2023, dafür verhängte das Gericht eine Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen von jeweils 10 Euro.

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Bis auf den letzten Anklagepunkt, eine Körperverletzung, räumte der zur Tatzeit obdachlose Angeklagte alle Vorwürfe ein. „Er war in einem desolaten Zustand, hatte keinen festen Wohnsitz und konsumierte Cannabis und Alkohol“, betonte seine Anwältin Dr. Anneke Bohlen aus Köln. Auch heute noch raucht der 23-Jährige regelmäßig „ein bis zwei Joints“ und trinkt Bier. „Ich habe sehr viele Probleme mit mir“, sagte der beschäftigungslose junge Mann. Das hatte er vor kurzem auch gegenüber seinem Betreuer mit den Worten eingeräumt: „Ich brauche Hilfe“. Inzwischen wohnt der Angeklagte in einer Notunterkunft und soll auf der Warteliste für eine Entgiftung stehen.

Die Liste der Anklagepunkte, die von der Staatsanwältin verlesen wurden, war lang. Immer wieder soll der Mann Ende 2022 Hausverbote missachtet, Lebensmittel in Geschäften verzehrt oder in Gaststätten bestellt haben, ohne zu bezahlen. In einem Fall soll er den Filialleiter eines Discounters beleidigt und bedroht haben. Von einem „versuchten Faustschlag in die Richtung meines Gesichts“, erzählte der Zeuge vor Gericht. „Ich konnte aber ausweichen.“ Die persönliche Entschuldigung des Angeklagten („Es tut mir leid.“) nahm der Filialleiter an. Zur Polizei soll der Beschuldigte mal gesagt haben: „Warum muss man kaufen, wenn man klauen kann.“

Im Dezember 2022 soll der 23-Jährige einem Landsmann, mit dem er früher befreundet war, ohne erkennbaren Grund ins Gesicht geschlagen haben. Dabei sei ein Zahn halb abgebrochen, schilderte das vermeintliche Opfer vor dem Schöffengericht. „Ich glaube Ihnen nicht“, schüttelte Rechtsanwältin Dr. Bohlen den Kopf. Zwischendurch offenbarte der Zeuge immer wieder Erinnerungslücken. Auch die Vertreterin der Anklage hatte „erhebliche Zweifel“ an dessen Aussage.

Wesentlich klarer fiel das Gutachten des Sachverständigen Dr. Thomas Schlömer aus. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie aus Schmallenberg hat sich eingehend mit dem psychischen Zustand des Angeklagten beschäftigt. In seinem Gutachten ist von einer „episodisch verlaufenen psychotischen Erkrankung“ die Rede.

Symptome einer Psychose

Typische Symptome einer Psychose sind Denk- und Wahrnehmungsstörungen, Wahnvorstellungen und eine veränderte Gefühlswelt. Eine psychotische Episode oder Psychose ist eine schwerwiegende seelische Erkrankung, bei der die Betroffenen den Bezug zur Wirklichkeit verlieren.

Für Richter Matthias Witte war damit zumindest im Tatzeitraum November/Dezember 2022 der „vollständige Verlust der Steuerungsfähigkeit“ des Angeklagten nicht ausgeschlossen. Seiner Einschätzung schlossen sich die Staats- und Rechtsanwältin an. Wegen der „Schuldunfähigkeit“ bei den Vorwürfen Ende 2022 wurde der 23-Jährige, der auch in Deutschland keinen Schulabschluss gemacht hat und nach Jobs als Produktionshelfer aktuell arbeitslos ist, freigesprochen.

Für das Erschleichen von Leistungen im März 2023, sprich das „Schwarzfahren“ mit dem Zug in zwei Fällen innerhalb von vier Stunden, erhielt der Beschuldigte aber eine Geldstrafe von 30x10 Euro. „Er war sehr nett und freundlich, gar nicht aggressiv“, beschrieb die Zugbegleiterin den Angeklagten, der ohne gültigen Fahrschein eingestiegen war. Wie von ihr angemahnt, hat der damals Obdachlose den Fahrpreis von 21 bzw. 31 Euro aber nicht nachgezahlt.

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Nach der Verhandlung verließ der junge Mann, der seine Familie nach der Flucht nach Deutschland in der Heimat zurückgelassen hat, das Gerichtsgebäude als freier Mann. Eine mögliche Einweisung in eine Entziehungsanstalt wurde nicht ausgesprochen. Aber ohne eine fachärztliche Behandlung und die entsprechenden Medikamente dürfte der laut Dr. Schlösser „wellenförmige Verlauf der Erkrankung“ nicht in den Griff zu bekommen sein. Sonst besteht die Gefahr, dass der Betreuer wie im November/Dezember 2022 wieder fast täglich Anrufe wegen Verhaltensauffälligkeiten und Straftaten seines Schützlings bekommt.