Fretter/Schmallenberg. Jonas Sander, Geschäftsführer des Fahrradgeschäfts „Aubic“ aus Schmallenberg, eröffnet eine Filiale in Fretter. Das sind die Hintergründe.

Wenn Jonas Sander (36) davon spricht, in einer „schwierigen Branche“ zu arbeiten, will der gebürtige Schmallenberger keineswegs auf die Tränendrüse drücken oder Mitleid bekommen. „Denn dass die Branche gute Umsätze erzielt hat und vermutlich auch in den nächsten Jahren generieren wird, steht außer Frage“, sagt der Mann, der in seiner Heimatstadt das Fahrradgeschäft „Aubic“ betreibt und am kommenden Samstag (13. April) in Fretter eine weitere Filiale mit E-Bikes, Mountainbikes und Co. samt Werkstatt eröffnen wird.

Denn der Branche geht es gut, davon profitiert auch der 36-Jährige. Laut aktuellen Zahlen des Fahrradverbandes ZIV (Zweirad-Industrie-Verband) hat sich der Bestand von Fahrrädern bzw. E-Bikes in Deutschland von 82,8 Millionen in 2022 auf 84 Millionen im vergangenen Jahr erhöht – trotz negativen Konsumklimas, wie der Verband kürzlich bekanntgab. Das Jahr 2023 sei vergleichbar mit dem coronabedingten Fahrrad-Boomjahr 2020 gewesen. Und dennoch wählt der 36-jährige Unternehmer aus Schmallenberg kritische Worte über seine Branche, der es in erster Linie, wie vielen anderen Branchen auch, an Planbarkeit fehle. Doch dazu später mehr.

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Das Rad begleitet Sander, der Vater einer neunjährigen Tochter ist, seit der Kindheit. Viele Jahre „nur“ als Hobby, denn sein Geld verdiente der ausgebildete Schlosser im Maschinenbau. Doch nach einem vierjährigen Auslands-Aufenthalt ging er beruflich neue Wege, „Aubic Cars & Bikes“ stellte ihn im Jahr 2014 zunächst als Mitarbeiter ein. Die Firma, die er 2020 als Geschäftsführer übernahm, stammt ursprünglich aus der Automobilbranche, eher zufällig gesellte sich das Fahrrad-Standbein hinzu. Ein Glücksfall, wie sich heute zeigt, denn Radfahren boomt – nicht nur, aber eben auch im Sauerland und vor allem dank des E-Bikes.

Die Nachfrage explodierte

Das weiß auch Rouven Soyka, Pressesprecher vom Sauerland-Tourismus: „Das E-Bike hilft uns in unserer Mittelgebirgsregion doch sehr, die Topografie schreckte den einen oder anderen früher ab. Doch mit dem E-Bike ist die Hemmschwelle gesunken und attraktiver für alle Radfahrer, die das Sauerland bislang gemieden haben.“ Gut ausgebaute Radwege sowie eine deutlich verbesserte Lade-Infrastruktur, die beispielsweise Hoteliers oder Gastronomen anbieten, machten das Sauerland noch attraktiver für den Radtourismus. Neben den E-Bikern, so Soyka, würden auf den Radwegen im Sauerland viele Mountainbikes, Rennräder oder – der neueste Trend – sogenannte Gravel-Bikes (erinnert an das Rennrad, kann beispielsweise aber auch auf Schotter gefahren werden) unterwegs sein.

Durch die Corona-Pandemie und die vielen Einschränkungen im Leben erlebte das Fahrrad einen ungeahnten Boom. Die Nachfrage explodierte regelrecht. Doch damit begannen die Probleme der Händler: „Durch Corona kam auf uns eine Masse an Anfragen zu, der wir sowohl im Verkauf als auch in der Werkstatt nicht mehr gewachsen waren, vor allem nicht personell. Die Jahre 2020 und 2021 haben sehr geschlaucht“, erzählt Sander offen und ehrlich.

Diese Aufs und Abs sind kräftezehrend, unserer Branche fehlt komplett die Planbarkeit.“
Jonas Sander - Geschäftsführer von Aubic

Profitierte die Branche in der Pandemie-Zeit noch von der Warenverfügbarkeit aus den Vorjahren, wendete sich das Blatt 2022. Als „Corona-Nachwirkung“ bezeichnet der „Aubic“-Geschäftsführer, dass große Hersteller kaum noch Räder lieferten, weil Werke monatelang geschlossen und Lieferketten unterbrochen waren. Als die Produktion wieder hochfuhr und die Händler laut Sander dazu gezwungen wurden, ganze Kontingente aus Bestellungen bei den Herstellern abzurufen, kam das nächste Problem: Es setzte eine spürbare Kaufzurückhaltung ein, durch die zwischenzeitlich gestiegene Inflation und explodierende Energiepreise wichen viele potenzielle Kunden vom Fahrrad-Kauf ab. Plötzlich waren die Lager wieder voll, nur der Verkauf stockte. Lkw-Ladungen an neuen Fahrrädern wurden den Händlern in kürzester Zeit geliefert und mussten bezahlt werden. Stornierungen wurden durch die meisten Hersteller nicht akzeptiert, erzählt der Fahrrad-Händler. Er bedauert: „Diese Aufs und Abs sind kräftezehrend, unserer Branche fehlt komplett die Planbarkeit.“

Größter Werkstattkunde in Fretter

Ein verändertes Kaufverhalten sieht der Schmallenberger seit gut einem Jahr. War das hochpreisige Fully-Mountainbike über Jahre der Verkaufsschlager, interessieren sich seine Kunden mittlerweile eher für das günstigere, ungefederte Hardtail oder Trekking-Rad. „Der Verbraucher achtet mehr auf seine Ausgaben“, fasst Sander zusammen. Doch trotz all dieser Unwägbarkeiten erweitert er nun sein Filialnetz und wird im Kreis Olpe heimisch. Das Frettertal ist seiner Firma keineswegs unbekannt, ganz im Gegenteil: Drei Mal täglich steuern seine Fahrer Fretter an, um seinen größten Werkstattkunden –die Kfz-Meisterwerkstatt von Jan Reinecke – zu beliefern. Der Verkauf von Autozubehör und Ersatzteilen gehört bis heute zum Portfolio von Aubic.

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Direkt neben der Autowerkstatt befindet sich der ehemalige Gasthof Arens, dessen großer Saal zuletzt vom Männergesangverein genutzt wurde, doch das ist schon Jahre her. Seitdem ist der Raum samt Kegelbahn verwaist. Sander nutzte die Gunst der Stunde und mietete die rund 120 Quadratmeter großen Räumlichkeiten an. Seine Idee: Wenn er täglich die Kfz-Werkstatt seines Kunden beliefert, kann er auf diesem Wege auch Fahrräder aus der Hauptfiliale in Schmallenberg in seine neue Außenfiliale in Fretter liefern und sie dann vor Ort verkaufen. In den großen Saal im einstigen Gasthof hat er ordentlich investiert, genauso wie sein Vermieter Norbert Reuter, sodass hier am Samstag, gemeinschaftlich mit einem Tag der offenen Tür der Firma Autotechnik Jan Reinecke und der Provinzial-Versicherung Julian Reuter, Verkauf und Reparatur starten können. „Wir wollen hier in Fretter ein Einkaufserlebnis schaffen und setzen gewollt auf das Ambiente eines kleinen Radgeschäftes, das es früher in so vielen Orten gab“, erklärt Jonas Sander.