Meggen. Aus Angst vor Bomben lässt eine junge Familie ihre Heimat in Kramatorsk zurück und wohnt nun in einem Flüchtlingscontainer in Lennestadt.
Hellblondes Haar, auf dem Kopf eine blaue Schleife, die das Deckhaar zusammenhält. Lachend, hüpfend und singend läuft das kleine, süße Mädchen über die langen Flure des zweistöckigen Gebäudes in Lennestadt. So, als wäre nichts passiert – dabei hat sie vor Kurzem noch gesehen, wie ihr Kindergarten durch Bomben zerstört wurde. Sie zeigt sich verängstigt, wenn sie laute Geräusche hört. Über eine Metalltreppe gelangen die Menschen in die obere Etage, die durch eine offene Glastüre geschlossen ist. Eine Klingel und einen Briefkasten gibt es nicht, die Türe ist nur mit einem Schnappverschluss verschlossen – außer nachts.
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Der Flur ist breit, die vielen Türen, die vom langen Flur abgehen, sind alle geschlossen. Auf den ersten Blick glaubt man, zu Gast in einem Krankenhaus zu sein, doch es ist eine Gemeinschaftsunterkunft für geflüchtete Menschen. Hier in Meggen, hinter der Sekundarschule, steht seit rund einem Jahr der doppelstöckige Container, der Platz für rund 90 Flüchtlinge bietet. Die kleine vierjährige Vasylyna ist eines von vielen Kindern im Flüchtlingscontainer in Meggen, die gemeinsam mit ihren Eltern nun Schutz sucht, nachdem sie vor Kurzem in ihrer ukrainischen Heimat alles verloren und zurückgelassen hat.
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Leben auf 15 Quadratmetern
Die gelben Blümchen auf dem Rüschen-Kleidchen des kleinen Mädchens fliegen durch die Luft, immer wieder dreht sie sich auf dem langen Flur im Kreis und läuft zu einer weißen Zimmertüre auf dem sterilen langen Gang. Auf dem Schild steht ihr Name und der ihrer Eltern Mykola und Kseniira. 15 Quadratmeter ist ihr neues Zuhause, das sie seit sechs Wochen zu dritt bewohnen, besser gesagt zu viert. Denn Yorkshire-Terrier Dancy ist ebenfalls mit nach Deutschland gekommen. Und drei Koffer – das Nötigste und Wichtigste, was die Familie auf die Schnelle zusammenpacken konnte.
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„Ich hatte einen schönen Rosengarten und Erdbeeren angebaut“, berichtet die 38-Jährige, die aus der ukrainischen Kleinstadt Kramatorsek (gehört zur Oblast Donezk) kommt und dort als Verkäuferin gearbeitet hat. „Putins Bomben haben alles zerstört. Wir haben da nichts mehr“, blickt sie zurück. Jetzt möchte die Familie sich ein neues Leben aufbauen, ohne Krieg und ohne Angst. Denn Mykola (40) hat in den letzten zwei Jahren viel durchgemacht. Der Buchhalter wurde mit dem Beginn des Krieges vor zwei Jahren eingezogen und musste als Soldat an der Front kämpfen. Er hat viele Kameraden und Freunde fallen sehen. Jetzt ist er in Sicherheit. Mit seiner Familie. In einem fremden Land, in dem sie zwar die Sprache noch nicht verstehen, aber dankbar sind, für das Wenige, was sie derzeit haben.
40 Flüchtlinge teilen sich Bad und Küche
Der nur 2,50-Meter breite Schlafbereich ist mit Metallbetten ausgestattet. Ein Doppelbett für die Eltern und eins für Tochter Vasylyna, die in bunter Herzbettwäsche schläft. Außerdem gibt es eine kleine Sitzgruppe, die den Raum zusätzlich beengt. Gemeinschaftlich teilen sich etwa 40 Flüchtlinge je Etage die sanitären Räume, die jeweils für Männer und Damen getrennt sind und einen großen Gemeinschaftsraum mit gebrauchten Möbeln. In der Küche wird gemeinsam gekocht. „Wir sind sehr glücklich hier, gehen viel spazieren und hoffen bald, einen Integrationskurs besuchen zu können“, sagt das junge Ehepaar.
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So harmonisch wie in der Flüchtlingsunterkunft in Meggen, wo nur Ukrainier wohnen, läuft es nicht überall. Großen Anteil daran haben die zwei Außendienstmitarbeiterinnen der Stadt Lennestadt, Lina Dayekh und Alla Polishchuk. Sie sind selbst vor Jahren als Geflüchtete nach Deutschland gekommen und betreuen die Menschen in den Gemeinschaftsunterkünften. „Die beiden pendeln täglich zwischen den Gemeinschaftsunterkünften, bringen Post und unterstützen die Menschen vor Ort. Sie haben großen Anteil daran, dass vieles reibungslos läuft“, erklärt Jens Dommes, Bereichsleiter für Familie, Soziales und Integration bei der Stadt Lennestadt.