Olpe. Zwei Feuerwehrkameraden fanden ihren Weg zum Rettungsdienst und gingen jeden Schritt gemeinsam. Sie erzählen von Fällen, die unter die Haut gehen.
Es begann, wie so vieles im Sauerland, beim Bier. Peter Schaumann, heute 47, und der zwei Jahre jüngere Jörg Köster kommen aus ganz unterschiedlichen Regionen des Kreises Olpe, der eine aus Bamenohl, der andere aus Helden. Obwohl sie dasselbe Hobby teilten, nämlich die aktive Mitgliedschaft in der Freiwilligen Feuerwehr ihrer jeweiligen Heimat, kannten die beiden sich bis 1995 nicht. Ein schwerer Unfall sorgte für einen ersten Kontakt der beiden; die Feuerwehrleute, die beide zufällig in der Nähe waren, halfen.
„Und eine Woche später war Dorfdisko“, erinnert sich Jörg Köster. In der Schützenhalle in Heggen erkannten die beiden Ersthelfer sich wieder und tranken zusammen ein Bier. Und noch eins. „Wir kamen ins Gespräch, und dann kam eins zum anderen“, so Peter Schaumann. Beide stellten fest, dass sie beruflich ziemlich identische Vorstellungen von ihrer Zukunft hatten. Und so entschieden sie sich, sich gemeinsam beim Kreis Olpe für den Zivildienst zu bewerben. Ihr Ziel: die zum damaligen Ersatzdienst gehörende 520-Stunden-Ausbildung zum Rettungssanitäter zu absolvieren und dann auf dem Krankentransport- und Rettungswagen als Teil der Besatzung zu arbeiten. Gesagt, getan. Die Bewerbungen wurden angenommen, beide traten ihren Dienst als „Zivis“ beim Kreis an, beide in der Rettungswache Finnentrop.
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Und seitdem legen die beiden einen praktisch identischen Berufsweg zurück. Mal um wenige Wochen, mal um Monate versetzt, aber in der Sache komplett parallel. Sie wurden Rettungsassistenten, eine inzwischen nicht mehr angebotene zweijährige Ausbildung, die auf den Rettungssanitäter aufsetzte, und machten den Wechsel vom Notarztwagen-System hin zum heute noch praktizierten „Rendez-vous“-System mit. Dabei rücken bei Unfällen nun parallel zwei Wagen aus: ein Rettungswagen, der mit einem Notfall- und einem Rettungssanitäter besetzt ist, und ein Notarzteinsatzfahrzeug, gefahren meist von einem Notfallsanitäter und einem Notarzt als Beifahrer.
Zwei von 22
Inzwischen werden Rettungsassistenten nicht mehr ausgebildet. An ihre Stelle ist die dreijährige Ausbildung zum Notfallsanitäter getreten, und diese holten Schaumann und Köster gemeinsam nach, indem sie sich weiterbildeten und die staatliche Ergänzungsprüfung zum Notfallsanitäter absolvierten – natürlich gemeinsam. Vor acht Jahren dann ein weiterer gemeinsamer Schritt: Beide wechselten vom Rettungswagen in die Rettungsleitstelle. Sie sind nun zwei von 22 Disponenten, und sie gehören zu den Menschen, die am Telefon sind, wenn Hilfesuchende die 112 wählen. Ein einziger Unterschied: Nach einigen Jahren entschied Jörg Köster sich, mit einer halben Stelle zurück in den aktiven Rettungsdienst zu wechseln. Mit der anderen Hälfte seiner Arbeitsstunden arbeitet er wie Schaumann in der Rettungsleitstelle im Olper Kreishaus.
„Man glaubt wirklich nicht, wie anstrengend und belastend der Einsatz am Telefon sein kann“, berichtet Schaumann: „Es gibt Einsätze, da bin ich am Ende schweißnass.“ Denn anders als beim realen Einsatz am Unfallort fehlt hier die Möglichkeit zum direkten Eingreifen. Und die Arbeit am Telefon hat sich massiv verändert und nach vorn entwickelt. „Wir rufen inzwischen Checklisten auf, die abzuarbeiten sind. Das stammt aus der Fliegerei und verhindert, dass im Stress einer solchen Situation Grundlegendes vergessen wird“, so Jörg Köster. Und da alle Mitarbeiter in der Leitstelle einen rettungsdienstlichen Hintergrund haben, sind sie weit mehr als nur Telefonisten. „Wir bleiben bei echten Notfällen ja in der Leitung und helfen sofort“, erklärt Schaumann: „Oft sind wir praktisch die Fernsteuerung für den Anrufer, den wir zur Hilfe anleiten, nachdem wir die Kollegen mit dem Rettungswagen losgeschickt haben.“
Geburtshilfe via Telefon
Sie erzählen von Fällen, die unter die Haut gehen: Beide waren schon virtuelle Geburtshelfer aus der Ferne. Nicht selten kommt es vor, dass die Disponenten am Telefon eine Herz-Lungen-Wiederbelebung anleiten. Einsatzende für die Retter in der Leitstelle ist in solchen Fällen erst dann, wenn sie per Telefon mitbekommen, dass die Kollegen des Rettungsdienstes eintreffen und einer von ihnen fernmündlich übermittelt: „Wir haben übernommen.“
In ihrem gemeinsamen Vierteljahrhundert im Rettungsdienst haben die beiden viel erlebt, und aus der Zufalls-Bekanntschaft von der Dorfdisko ist eine enge Freundschaft geworden. Und so war es für sie selbstverständlich, dass sie anlässlich ihrer doppelten Dienstjubiläen auch gemeinsam zu Landrat Theo Melcher gingen. Dieser trinkt mit Dienstjubilaren zeitnah zum Jubeltag eine Tasse Kaffee und sagt persönlich Danke für die treuen Dienste, bevor es zur jährlichen Zentralfeier auf der Hohen Bracht geht, an der alle Jubilarinnen und Jubilare des Kreises aus dem gesamten Jahr teilnehmen. Schaumann wie Köster freuen sich auf die Fertigstellung des Gefahrenabwehrzentrums am Industriegebiet Hüppcherhammer, in dem auch die neue Rettungsleitstelle ihren Platz finden wird. „Das wird eine absolute Bereicherung, für uns ein ganz modernes Arbeitsumfeld“, so Peter Schaumann. Und Jörg Köster ergänzt: „Und ein Meilenstein für die Feuerwehren im Kreis Olpe.“
Ohnehin sehen sie einige Entwicklungen im Rettungswesen sehr positiv. „Die Einrichtung der Telenotärzte ist ein sehr guter Schritt und sinnvolle Ergänzung in der Notfallkette“, meint beispielsweise Jörg Köster, eine Maßnahme, die beim immer größeren Ärztemangel im Rettungswesen auch etwas entlasten könne. Dabei werden regional Notärztinnen und Notärzte von den Rettungsleitstellen zugeschaltet, um in Notfällen weitergehende Hilfe zu geben.
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Und beide sind große Unterstützer der Idee einer Wiedereinführung der Wehrpflicht. „Es muss ja nicht jeder zum Bund“, so Peter Schaumann. Aber ein generelles Pflichtjahr, das dann wahlweise auch zum Beispiel beim Rettungsdienst, der Feuerwehr oder anderen Hilfsorganisationen wie DRK oder Malteser Hilfsdienst absolviert werden kann, sehen beide positiv. Es sei nicht nur gut für das System, sondern auch für die jeweiligen jungen Menschen, die auf diese Weise etwas für die Allgemeinheit tun und Berufsfelder kennenlernen, die ihnen ansonsten vermutlich nie in den Sinn kämen. Für sie beide, da sind sie nach 25 Jahren sicher, war der eingeschlagene Weg genau der richtige. „Den Begriff vom Traumberuf mag ich nicht so“, fasst Peter Schaumann zusammen, „aber ich kann hier genau das tun, was ich kann.“