Kreis Olpe. Nach 37 Jahren geht WP-Redakteur Roland Vossel in den Ruhestand. Im Interview blickt er zurück – und verrät einige brisante Details.

Seit 37 Jahren arbeitet Roland Vossel als Redakteur für die Westfalenpost. In der gesamten Zeit hat er die Gemeinde Wenden begleitet. Zahlreiche Stunden hat er zudem in den Gerichtssälen verbracht, hat über die spannendsten Prozesse im Kreis Olpe berichtet. Doch nun geht diese Zeit zu Ende. Roland Vossel geht in den Ruhestand. Zum Abschied hat er im Interview die Fragen seiner Kollegen beantwortet.

Gab es einen Gerichtsprozess, der dir besonders in Erinnerung geblieben ist?

Einen einzigen Prozess gibt es da nicht. Der legendäre Siegener Staatsanwalt Braun hat einmal zu mir gesagt: „Herr Vossel, mir sind keine menschlichen Abgründe fremd.“ Das stimmt. Am schlimmsten waren die Prozesse, in denen Kinder zu Opfern wurden. Ich habe die abscheulichsten Missbrauchsprozesse erlebt. Das geht einem sehr nah. Dann erinnere ich mich an den Prozess gegen die Mutter, die in Möllmicke ihre drei Babys unmittelbar nach der Geburt getötet und die Leichen in eine Kühltruhe zwischen die Pizzen gelegt hatte. Und im Jahr 2020 war ich bei der Verhandlung gegen einen Vater, der seinen dreijährigen Sohn in Grevenbrück umgebracht und dann verbrannt hatte. Unfassbar! Da kann man nicht abschalten, wenn man den Bericht geschrieben hat und nach Hause geht.

Wurdest du im Zuge deiner Berichterstattung mal bedroht?

Ich habe mir schon ein dickes Fell zugelegt. Wenn ich zu sensibel wäre, hätte ich das nicht so lange machen können. Einmal gab es bei mir zu Hause eine Morddrohung eines Angeklagten am Telefon wegen einer Gerichtsberichterstattung von mir, die ihm nicht passte. Und dann stürmte vor Jahren ein in Olpe stadtbekannter Randalierer wegen meiner Berichterstattung in einem Prozess gegen ihn in die Olper Redaktion und drohte, mir den Kopf abzureißen.

Gab es auch mal etwas zum Schmunzeln bei Gericht?

Ja, da gab es einiges. Zuletzt war das, als ich im Juli 2023 im Prozess gegen den angeklagten Olper Randalierer vor der Großen Strafkammer des Siegener Landgerichtes als Zeuge aussagen sollte. Die Vorsitzende Richterin Elfriede Dreisbach sagte zu Beginn meiner Vernehmung: „Herr Vossel, auch wenn Sie Ihr halbes Leben in Gerichtssälen verbracht haben, muss ich Sie jetzt trotzdem als Zeuge belehren.“

Die WESTFALENPOST im Kreis Olpe ist auch bei WhatsApp. Jetzt hier abonnieren.

Folgen Sie uns auch auf Facebook.

Bestellen Sie hier unseren Newsletter aus dem Kreis Olpe.

Alle News aufs Handy? Jetzt die neue WP-App testen.

Die WP im Kreis Olpe ist jetzt auch bei Instagram.

Kannst du dir vorstellen, irgendwann noch einmal als Gerichtsreporter tätig zu werden?

Ich werde jetzt erst einmal eineinhalb Jahre während der passiven Phase meiner Altersteilzeit bis zur endgültigen Rente nichts Journalistisches machen. Vielleicht gehe ich mal ab und zu privat ins Gericht in Olpe oder Siegen, wenn es spannende Prozesse gibt und schaue zu. Nach den eineinhalb Jahren könnte ich mir schon vorstellen, wieder in die Rolle des Gerichtsreporters zu schlüpfen, dann als freier Mitarbeiter.

Gibt es etwas, was du deinen Kollegen niemals über dich verraten hast?

Ja, aber das werde ich auch weiterhin nicht verraten.

Du kennst beides: den hauptamtlichen Bürgermeister von heute und die Zeit der Doppelspitze mit Gemeindedirektor als Rathauschef und ehrenamtlichem Bürgermeister als Vorsitzenden des Gemeinderates. Was war die bessere Zeit?

Ich fand die Doppelspitze besser. Da gab es früher auf der einen Seite die Verwaltung und auf der anderen den Gemeinderat. Dadurch war die Kontrollfunktion größer, die Politiker haben dem Verwaltungschef mehr auf die Finger geguckt. Es gab mehr Reibereien, was natürlich auch für die journalistische Berichterstattung gut war.

Welcher Wendener Kommunalpolitiker bzw. welche -politikerin hat dich am meisten beeindruckt?

Josef Eichert. Das war noch in meiner Anfangszeit. Er war so ein Franz-Josef Strauß im Wendschen. Der hatte keine Angst, polterte los und sagte immer unverblümt seine Meinung. Taktieren, wie es heutzutage in der Politik häufig der Fall ist, war für ihn ein Fremdwort. Bei ihm wusste jeder, wo er dran ist. Und unterhaltsam war es mit dem Ottfinger CDU-Urgestein auch immer.

Als jahrelanger Wenden-Reporter: Wie oft hast du die Wendsche Kärmetze oder andere Großveranstaltungen besucht?

Bei der Kärmetze war ich fast jedes Jahr und dann meistens halb dienstlich und halb privat. Im Jahr 2022 bin ich erstmals am Samstagabend mit dem Bus zur Kirmes nach Wenden gefahren. Das dauerte fast eine Stunde, war aber lustig, als der Bus etliche Haltestellen anfuhr. Beim Karneval habe ich immer vom Rosenmontagszug in Schönau berichtet. Ich erinnere mich, als es vor Jahren einmal bitterkalt war. Fast wäre der Zug ausgefallen, weil die Motoren der Trecker nicht ansprangen. Auch meine Kamera streikte zunächst wegen der Eiseskälte. Ich musste sie zwischendurch unter der Jacke aufwärmen, damit ich wieder Bilder machen konnte. Ich fühlte mich wie ein Eisblock. Nach dem Zug war ich froh, als ich wieder in die Redaktion kam und habe erstmal die Heizung voll aufgedreht.

In den ersten Jahren hast du dich neben der Gemeinde Wenden auch um die Stadt Drolshagen gekümmert. Was unterscheidet die Wendschen von den Dräulzern? Ist vielleicht die Nähe zum Siegerland bzw. zum Rheinland spürbar?

Ja, das stimmt sicher mit der Nähe zum Siegerland bzw. Rheinland. Das spürt man schon. Klein, aber fein – so würde ich Drolshagen beschreiben. Ich bin immer sehr gerne dorthin gefahren. Als ich mich journalistisch um die Rosestadt gekümmert habe, waren noch die Bürgermeister Peter Jeck und Theo Hilchenbach im Amt. Zu den Beiden hatte ich immer einen guten Draht.

Gibt es Orte in den beiden Kommunen, deren Namen du in deinen 37 Dienstjahren nicht einmal in einem Bericht erwähnt hast?

Weitere Themen

In Drolshagen sind das Gipperich, Gelslingen, Wormberg, Eltge, Potzenhof und sicher noch ein paar mehr. Wenn ich auf die Gemeinde Wenden schaue, habe ich jeden Ort schon erwähnt.

Dein Kaffeekonsum ist bei deinen Kollegen durchaus auf Interesse gestoßen. Hast du eine grobe Schätzung, wie viele Tassen Kaffee du innerhalb der 37 Jahre im Büro getrunken hast?

Ja, ja. Mein Weg hat in der Redaktion häufig zur Kaffeemaschine geführt. Da haben sich die lieben Kollegen dann lustig gemacht und gesagt, als die Kanne leer war: Der Kaffee ist wieder weggevosselt worden. In all den Jahren habe ich ganz genau mitgezählt: Es waren exakt 55.595 Tassen.

Drei Dinge, die dich in deiner Laufbahn besonders bewegt haben

Als freier Mitarbeiter habe ich eine Reportage über Patienten im Wachkoma in Neuenothe geschrieben. Das hat mich als junger Journalist tief beeindruckt. Beim Blick auf diese Menschen lernt man zu schätzen, was es bedeutet, gesund zu sein. Bewegt hat mich auch der Absturz eines Bundeswehr-Hubschraubers beim Kindergarten in Möllmicke im Februar 1990. Als ich im dichten Nebel dorthin hinkam, bin ich fast über einen am Boden liegenden toten Soldaten gestolpert, ein Kamerad kam mir schreiend entgegen und hatte ein Ohr in der Hand. Zuletzt hat mich der plötzliche Tod von Martin Tillmann geschockt. Er war Anwalt und ich habe im Amtsgericht Olpe in den Verhandlungspausen einige Male mit ihm gesprochen. Ich erinnere mich, wie ich vor ein paar Wochen in einem Olper Discounter eine Stimme hörte: „Na, Herr Vossel, was macht das Gericht?“ Als ich mich umdrehte, sah ich Martin Tillmann. Er war ein ganz feiner Mensch.

Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann....

Da gibt es natürlich nur einen Wunsch: Gesundheit.

Was planst du jetzt mit der ganzen Freizeit?

Ich freue mich am meisten darauf, künftig frei über den Tag entscheiden zu können, mal ganz ohne Termine, Konferenzen etc. Reisen sind natürlich ein Thema und das dann auch einmal ganz spontan. Auch beim Fußball in Frankfurt werde ich wieder häufiger sein. Ich habe ein Haus mit Garten. Da gibt es immer etwas zu tun. Auch viel Bewegung habe ich mir vorgenommen, regelmäßige Wanderungen. Langeweile werde ich keine haben. In einem Lied von Unheilig heißt es: „Es ist Zeit zu gehen.“ Ich denke, für mich ist es nach 37 Jahren auch der richtige Moment. Jetzt bin ich noch fit und möchte noch einiges unternehmen. Ich wollte nicht, dass man mich aus der Redaktion trägt. Und überhaupt: Wer weiß, wie lange man noch hat?

Jetzt, mit mehr Freizeit, würde sich doch eine Dauerkarte fürs Waldstadion rentieren, oder?

Auf jeden Fall. Ich bin in sehr aussichtsreichen Gesprächen, dass das zur neuen Saison klappt.

Wenn du noch einmal vor der Berufswahl stehen würdest

Ich habe in Mainz und Münster Sport und Englisch studiert und wollte eigentlich Lehrer werden. Eine Referendariatsstelle an einem Gymnasium in Hagen hatte ich schon. In der Wartezeit habe ich die Hillmicker Fußball-A-Jugend trainiert, Nachhilfe in Englisch gegeben und als freier Mitarbeiter bei der WP angefangen. Da hat mich der Journalismus gepackt. Ich habe mich dann vom Lehrer-Beruf verabschiedet, bekam ein Volontariat bei der WP und wurde anschließend Redakteur. Keine Frage: Ich habe alles richtig gemacht. Das war mein Traumberuf.

Du hast erst kürzlich öffentlich das Geheimnis preisgegeben, dass du früher die Menschen mit der Parodie von Ruhrpott-Barde „Adolf Tegtmeier“ alias Jürgen von Manger begeistert hast. Wann können wir mit der ersten „Roland von Vossel-Show“ in der Stadthalle Olpe rechnen?

Nun, das ist ja schon sehr lange her. Ich war jung und brauchte das Geld (lacht). Das habe ich gemacht, wenn meine Eltern Besuch hatten im kleinen Kreis. Die Gäste baten darum. Dafür gab es dann ein paar Mark. Für eine Show in der Olper Stadthalle reicht es dann aber doch nicht.

Um deinen Wohnort in Olpe, unmittelbar neben dem Ümmerich, beneiden dich sicher viele Mit-Ölper. Was war dein aufregendstes und lustigstes Schützenfest-Erlebnis?

Da gibt es so viele lustige Anekdoten. Tradition hat ja das Spiegeleier-Backen nach dem nächtlichen Heimweg vom Ümmerich. Vor etlichen Jahren bin ich nach dem feuchtfröhlichen Besuch auf dem Schützenplatz zu Hause an den Kühlschrank und habe einen Becher mit Heringssalat herausgeholt. Dann habe ich mir ein Brot geschmiert mit Marmelade und den Fisch obendrauf platziert. Irgendwie hat das geschmeckt. Das ist aber wirklich nur einmal passiert.

In dieser Woche gibst du den Titel „Dino der Lokalredaktion“ an einen Kollegen ab. Welche Tipps hast du für diesen parat, damit er die letzten Jahre bis zum Ruhestand genauso gut übersteht wie du?

Volker, du schaffst das schon!