Kreis Olpe. Homöopatische Heilmittel soll jeder selbst bezahlen. Das sagen Mediziner, Heilpraktiker und Patienten im Kreis Olpe dazu.
Für Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sind Homöopathie und homöopathische Arzneimittel Hokuspokus, weil wissenschaftlich gesehen wirkungslos. Deshalb sollen Mittel und Behandlungen nicht mehr von den Krankenkassen bezahlt oder bezuschusst werden. Patienten im Kreis Olpe sehen das anders und selbst Fachleute sind in dieser Frage gespalten.
Die Heilpraktikerin
„Die Patienten, die zu uns kommen, sind sowieso Selbstzahler. Die allerwenigsten Patienten gehen davon aus, dass es einen Ersatz der Kosten durch die Krankenkasse gibt. Das war schon immer so“, sagt Bettina Brune, die als Heilpraktikerin in Olpe eine Praxis betreibt und dort homöopathische und naturheilkundliche Behandlungsmethoden anwendet. Nur ein paar „Glückliche“, sagt sie, könnten bei ihrer Krankenkasse eine Erstattung geltend machen: „Einige private Kassen zahlen, wenn es im Patientenvertrag steht.“ In den letzten Tagen legte Minister Lauterbach noch einmal nach. Er orientiere sich an wissenschaftlicher Erkenntnis: „Ich kann nicht medizinischen Unsinn weiterbezahlen lassen, nur damit ich einem öffentlichen Streit aus dem Weg gehen kann.“
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Das sind deftige Worte, für Bettina Brune aber nicht neu. Die Diskussion, ob Globuli etwas nutzen oder nicht, sei uralt. „Ich mache das jetzt im 28. Jahr. Seitdem ich mich erinnern kann, gibt es die Frage: Funktioniert Homöopathie oder nicht?“ Bettina Brune, die rund 40 Patienten pro Woche behandelt, setzt auf ihre Erfahrung: „Wir sehen, dass die Behandlungen wirken, auch wenn die Wissenschaft nicht in der Lage ist, dies nachzuweisen. Ich habe Kollegen, die arbeiten nur klassisch homöopathisch, also dann laut Lauterbach wissenschaftlich unsinnig. Die Patienten werden aber gesund. Wenn das nicht funktionieren würde, würden ihre Praxen nicht mehr existieren. Ich arbeite auch mit Pflanzenheilkunde und anderen Dingen. Aber ich schreibe auch Globuli auf und stelle fest, es funktioniert, wenn man die richtigen Mittel wählt.“
Die Patienten
Nach einer Online-Umfrage des Ärzteblatts glauben 50,8 Prozent der Deutschen, dass homöopathische Arzneimittel wirkungslos sind, 16 Prozent sind unentschlossen. Aber 32,6 Prozent sind von der positiven Wirkung der kleinen, weißen Kügelchen überzeugt. „Ich nehme Globuli bei Magenbeschwerden und Kreislaufproblemen und habe sie immer dabei. Sie helfen mir“, sagt eine 59-Jährige aus Lennestadt. Den Globuli-Fans hat der Minister mit seinen Aussagen einen Stich ins Herz verpasst. Bettina Brune: „Sie sind empört darüber, dass die Wirksamkeit der Mittel abgesprochen wird. Ich behandele einige Patienten schon sehr lange, ganze Familien sind dabei. Diese fühlen sich jetzt persönlich in ihrer freien Arzneimittelwahl und Behandlungswahl angegriffen.“
Neben den Stammpatienten finden regelmäßig auch Neupatienten den Weg in ihre Praxis. Oft sind es Menschen, denen die Schulmedizin nicht helfen konnte. „Diese Patienten kommen manchmal mit ihrer gesamten Krankengeschichte. Wir sortieren das und schauen, was man tun kann.“
Der Arzt
Wissenschaft hin, Wissenschaft her, selbst die Ärzteschaft ist in der „Wirkungsfrage“ gespalten. Dr. Thomas Vente, Allgemein-Mediziner aus Kirchhundem, ist hier näher bei Minister Lauterbach: „In Zeiten einer evidenzbasierten Medizin und eines stetig steigenden Kostendrucks halte ich eine Kostenübernahme für Behandlungen ohne wissenschaftliche Grundlage für nicht mehr zeitgemäß“, sagt Vente und betont, dies sei seine persönliche Meinung. „Es gibt ebenso Ärzte, die deutlich intensiver naturheilkundliche Verfahren inklusive Homöopathie einsetzen.“ Er selbst lehne nicht generell naturheilkundliche Behandlungen ab, „als Ergänzung zur Schulmedizin setze auch ich zum Beispiel Phytotherapie oder Akupunktur ein; hier besteht zumindest ein gewisser Grad an wissenschaftlicher Evidenz.“ Phytotherapie ist die Behandlung von Krankheiten und Beschwerden mit Blüten, Wurzeln oder Blättern von Arzneipflanzen oder mit Trockenextrakten, Tinkturen oder Säften aus Arzneipflanzen.
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Es gibt auch klassische Mediziner, die Homöopathie einsetzen. Dr. med. Ulf Riker, Internist, äußert sich auf der Homepage des Bundesverbands für Homöopathie dazu: Es gehe nicht um „Heilsteine“, Handauflegen oder suggestive Gespräche. Es gehe um eine seit 200 Jahren bewährte Therapiemethode. „Die Grundlagenforschung hat in den letzten Jahren wesentliche Fortschritte gemacht, und auch die klinische Studienlage hat sich so eindeutig verbessert, dass Ärzte heute mit Freude sagen können: ich muss nicht der evidenzbasierten Medizin den Rücken zukehren, wenn ich meinen Patienten helfen will. Homöopathie ist inzwischen selbst evidenzbasiert.“
Der Apotheker
Auch Apotheker Dr. Gerd Franke hat zu Lauterbachs Plänen eine klare Meinung: „Er hat da ein Thema aufgemacht, das im Alltag vollkommen irrelevant ist.“ Der promovierte Apotheker, der in Olpe die Linden- und die Franziskus-Apotheke betreibt, erklärt: „Ich glaube, das war ganz gezielt gemacht. Er lenkt damit von den eigentlichen Baustellen ab. Zu 99,9 Prozent zahlen Patienten die homöopathischen Arzneimittel selbst“, so Franke: „Das ist quasi ein Selbstzahler-Markt.“ Dass Globuli und Co. von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt würden, sei die absolute Ausnahme. „Das zeigen ja schon die Zahlen, die Lauterbach selbst anführt: bundesweit pro Jahr unter 10 Millionen Euro.“
Zur Wirksamkeit der Homöopathie hat Franke ebenfalls eine Meinung: „Für Unsinn halte ich das nicht. Ich habe eine Spezialistin für Homöopathie im Team. Wo es passt, empfehlen wir auch homöopathische Arzneimittel. Ich kann Kunden ganz oft guten Gewissens sagen, dass es Mittel gibt, mit denen andere gute Erfahrungen gemacht haben.“ Es gebe Krankenkassen, die homöopathische wie pflanzliche Arzneien auch weiterhin erstattet würden. Laut Statista, einer Online-Plattform für Statistik, wurden 2022 in deutschen Apotheken mit rezeptfreien Homöophatika 534 Millionen Euro umgesetzt.