Wenden. Bis vor wenigen Jahren fuhr Michél Krebsbach echte Lokomotiven. Nun befasst er sich mit deren verkleinerten Abbildern – mit großem Erfolg.
Es ist noch nicht lange her, da hatte so ziemlich jeder Junge einen Traumberuf: Lokomotivführer. Michél Krebsbach hat diesen Traumberuf ergriffen, der für ihn auch immer ein solcher war. Trotzdem verdient er sein Geld heute nicht mehr im Führerstand einer Lok - hat aber dennoch umso mehr mit dem Thema Eisenbahn zu tun. Der 40-Jährige ist gemeinsam mit seinem Schwager Sebastian Krebsbach geschäftsführender Gesellschafter der Firma „Modellbahn aus Leidenschaft GmbH“ und damit in wenigen Jahren zu nichts weniger aufgestiegen als zu Deutschlands größtem Second-Hand-Modellbahnhändler.
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Mitten in Wenden ist die Firma inzwischen heimisch geworden, die Krebsbach zunächst aus seinem Hobby heraus im Nebenerwerb zu Hause in Elben aufbaute. Die Familie Niklas verkaufte hier Fahrräder; es war quasi der Werksverkauf des Fahrradwerks Enik, der an der Hünsborner Straße in Verbindung mit einem großen Spielwarenhandel Kinderträume wahr werden ließ. Das Fahrradwerk ist Geschichte, und dort, wo die Räder einst gelagert wurden, hat sich nach dem Umzug des Fahrradhandels Niklas nach Wendenerhütte Krebsbachs Modellbahnhandel angesiedelt.
„Wir haben hier jetzt 350 Quadratmeter und stoßen so langsam an die Grenzen“, so Michél Krebsbach, der mit 16 Jahren bei der Deutschen Bahn eine Ausbildung zum Eisenbahner im Betriebsdienst, Fachrichtung Lokführer, begann und erfolgreich abschloss. Fertig ausgebildet, wechselte er zur Kreisbahn Siegen-Wittgenstein, wo er zunächst im Rangierdienst, ab dem 21. Lebensjahr im Lokfahrdienst arbeitete und sich zudem zum Wagenmeister ausbilden ließ. „Schon als Kind hatte ich mit Modellbahnen zu tun, irgendwann habe ich die Sachen dann wieder ausgepackt und beschlossen, wieder eine Anlage zu bauen“, berichtet Michél Krebsbach. Doch als er die Anlage ergänzen wollte, stellte er fest, wie teuer neue Loks und das Zubehör sind. Er schaltete eine Kleinanzeige und suchte so nach gebrauchtem Modellbahnmaterial. Das kam an: Rasch füllte sich sein Keller, „irgendwann hatte ich alles gleich mehrfach, und da schlug meine Frau vor, das, was ich nicht brauchte, doch via Ebay zu verkaufen.“ Das ging so gut, dass er zunächst ein Nebengewerbe anmeldete.
In einer Phase der Elternzeit kam er ins Grübeln. „Ich hatte innerhalb von drei Monaten dreimal mit Personenschäden bei der Bahn zu tun“, so Michél Krebsbach. „Gottseidank ist mir selbst niemand vor die Lok gesprungen, aber ich war dreimal involviert.“ Im Schnitt erlebt jeder Lokführer einmal in seinem Berufsleben einen solchen Todesfall, und irgendwann führte das Grübeln zur folgenschweren Entscheidung, seinen Traumberuf aufzugeben und sich ganz dem Handel mit gebrauchten Modellbahnen zu widmen. „Zu 80 Prozent kaufen wir private Sammlungen oder Erbschaften auf“, so Krebsbach, der Rest stamme beispielsweise aus Geschäftsaufgaben. „Wir nehmen alles, von der kleinsten Schmalspur bis zur Spur 1 und der noch etwas größeren LGB (Lehmann-Großbahn)“, so Krebsbach. Die Ankäufe werden in Wenden sortiert, bei Bedarf in der eigenen Werkstatt aufgearbeitet und dann je nach Zustand bei Ebay versteigert oder zum Festpreis angeboten. Das Angebot reicht vom wenige Euro teuren H0-Modell bis zur mehrere tausend Euro kostenden Edel-Lok, die im Fall der verbreitetsten Spur H0 mit einem Motörchen mit rund zweieinhalb Watt Leistung daherkommen.
Vor zehn Jahren gründeten Michél und Sebastian Krebsbach die Firma in Form einer GmbH, inzwischen setzen sie rund 3 Millionen Euro im Jahr um und beschäftigen rund 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auf Ebay hat ihr Shop rund 11.000 Follower, „wer bei Ebay eine Modellbahn sucht, der landet fast automatisch bei uns“, so Michél Krebsbach nicht ohne Stolz. Er hat festgestellt: Vorbild-Eisenbahner, so nennen Modellbahner die Menschen, die beruflich mit echten Loks zu tun haben, „haben einen ganz anderen Draht zum Thema“. So stellt Krebsbach aus eingekaufter Ware Sets zusammen, die beispielsweise einen typischen Güterzug einer bestimmten Epoche bilden.
Ein Kinderspielzeug ist die Modellbahn schon lange nicht mehr“ weiß er. Die Digitalisierung mache beim Bau einer Anlage vieles einfacher, aber auch teurer. Ohnehin ist der Markt schrumpfend, zumindest, was die Neuware angeht. „Da gab es bei vielen Herstellern Fehlentscheidungen. Teilweise wurde der Markt mit einer wahnsinnigen Vielfalt regelrecht überschüttet, die den Sammler überfordert hat“, weiß Krebsbach. Und er macht klar: „Die Modellbahn ist ein Hobby, das Spaß machen muss. Den Wert steigern, das tun nur ganz, ganz wenige Modelle.“ Sein Geschäft lebt derzeit von Menschen, die als Kinder schon Modellbahner waren und dann im fortgeschrittenen Alter die alte Anlage wieder hervorholen und neu aufbauen. „Diesbezüglich hat Corona für uns einen Riesenfortschritt gebracht. Viele hatten Langeweile und sind dann auf den Dachboden oder in den Keller und haben ihre alte Anlage oder sogar die von Papa oder Opa hervorgeholt und losgelegt.“
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Seine eigene Anlage ist überschaubar geblieben: „Das ginge auch gar nicht anders, wenn ich alles behielte, was mir gefällt. Andererseits habe ich ja den Vorteil, dass praktisch jede Lok irgendwann durch meine Hände geht und ich sie daher gar nicht zu besitzen brauche.“ Manchmal muss er allerdings schon innehalten, etwa wenn eine orangerote Vossloh G2000 hereinkommt und dann noch aus einer Auflage stammt, die die Eisenbahnfreunde Littfeld einst in Auftrag gegeben haben: Sie trägt das Design der Kreisbahn Siegen-Wittgenstein und hat exakt die umgerechnet 3000 PS starke Lok zum Vorbild, die Michél Krebsbach am liebsten gefahren hat.