Olpe. Der Olper Bahnhof hatte für die Stadt einst eine immense Bedeutung. Ein Neubau habe nichts mit der eigentlichen Geschichte zu tun
Axel Stracke fand klare Worte. „Unsinn“ und „Quatsch“ nannte der Vorsitzende des Heimatvereins Olpe die Pläne der Kreisstadt, das bestehende Empfangsgebäude des einstigen Olper Bahnhofs abzubrechen und durch einen ähnlich aussehenden Neubau zu ersetzen, um dort das geplante Stadtmuseum unterzubringen. Im Anschluss an die jüngste Jahreshauptversammlung des Vereins hatte der Vorstand zu einem Vortrag in den großen Saal der Begegnungsstätte „Altes Lyzeum“ eingeladen, bei dem es um besagten Bahnhof ging. Der aus Olpe stammende und in Nürnberg lebende Dr. Michael Nies-Steffens, der auch einen entsprechenden Beitrag im aktuellen Jahrbuch des Heimatvereins verfasst hat, referierte zum Thema „Der Zug ist abgefahren!“ über den Bedeutungswechsel des Bahnhofs Olpe. Anhand von Gleisplänen und Fotos machte er eindrucksvoll deutlich, was der Bahnhof, weit mehr als nur das Empfangsgebäude, einmal für eine Bedeutung für Olpe gehabt hat. Stracke betonte, wenn, dann könne es nur um den Erhalt des bestehenden Gebäudes gehen; ein an derselben Stelle entstehender moderner Neubau, der nur die Optik des Gebäudes kopiere, sei ein denkbares Modell für Disneyland, aber nicht, um Historie zu bewahren.
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Dr. Nies-Steffens hatte aufwendig recherchiert, obwohl es bereits ausführliche Literatur gerade über das Empfangsgebäude gibt: So hatte Altbürgermeisterin Wilma Ohly 2010 eine ausführliche Abhandlung verfasst, in der sie aus historischen Gründen für den Erhalt des Bahnhofs wirbt, und die Olper Historikerin Andrea Arens, inzwischen Vorsitzende des Kreisheimatbundes, hatte 2019 eine Ausstellung im ehemaligen Empfangsgebäude entwickelt, in der sie auf bauliche Besonderheiten und die etappenweise Entwicklung des Bauwerks eingeht. Der Nürnberger Heimatfreund Nies-Steffens, der bis heute eng mit Olpe verbunden ist, hatte unter anderem das Verkehrsmuseum in Nürnberg und dessen Bibliothek bemüht und unter anderem zahlreiche Gleispläne entdeckt, die deutlich machten, welche Ausdehnung der Bahnhof einmal hatte. „Obwohl ich aus einer Auto-Familie komme, war ich schon immer am Thema Eisenbahn interessiert“, so Dr. Nies-Steffens. Sein Großvater habe am Olper Bahnhof gearbeitet und sein Großonkel sei Lokführer gewesen, bis heute stehe seine Modellbahn in Olpe und er sehe bei den Besuchen in seiner Heimat seit Jahren mit großem Bedauern die Verwahrlosung des einstigen Empfangsgebäudes voranschreiten. Umso größer sei sein Interesse geworden, die Geschichte aufzuarbeiten.
Er berichtete den Zuhörern über die einstige Ausdehnung des Bahnhofs, der über ein eigenes Eisenbahnbetriebswerk mit mehrständigem Lokschuppen, einer Drehscheibe, einem Abstell-, einem Güter- und einem Personenbahnhof bestand, der einen Rangierbereich mit Ablaufberg hatte und der über insgesamt vier Stellwerke verfügte. Die Mehrzahl der Anwesenden, praktisch vollständig heimatkundlich interessierte Menschen, zeigte sich überrascht: Das Stellwerk Of (Olpe Fahrleiter) ist als Gebäude noch vorhanden, die beiden Stellwerke Os (Süd) und On (Nord) noch vielen in Erinnerung, dass aber etwas abgelegen noch ein Stellwerk mit der Bezeichnung Or (für „Rangier“) existierte, wussten die wenigsten. Der Bahnhof sorgte in Olpe für den Anschluss der Industrie an die Bahn, die wichtige Rohstoffe preiswert heranschaffen konnte, nachdem die Olper es nicht geschafft hatten, viel früher eine Bahnverbindung zu erhalten: Im Rennen um den Streckenverlauf hatte das Biggetal 1856 gegenüber der Lenneschiene das Nachsehen, und Olpe musste bis 1875 warten, bis die Zweigstrecke von Finnentrop bis in die Kreisstadt gelegt wurde. 1880 wurde sie bis Rothemühle, 1907 bis Wildenburg Bahnhof verlängert und dort an die Bahnstrecke bis Betzdorf angeschlossen. 1903 wurde Olpe zum Eisenbahnknotenpunkt, als die Strecke von Siegburg über Drolshagen in die Kreisstadt fertiggestellt wurde.
Mit dem Wechsel der Fahrzeuge von Dampfloks zu dieselbetriebenen und wendezugfähigen Schienenbussen kam das Ende des Betriebswerks Olpe im Jahr 1958, zehn Jahre später folgte ein umfassender Rückbau überflüssig gewordener Infrastruktur. Nies-Steffens Schilderung machte deutlich, welche Bedeutung der Anschluss ans Schienennetz seinerzeit hatte. Stracke schloss den mit langem Applaus bedachten Vortrag mit weiteren kritischen Worten über die städtischen Pläne: Der Heimatverein werde, so lange der Bahnhof noch nicht „in Schutt und Asche liegt“, weiter für den Erhalt kämpfen, auch wenn der Ratsbeschluss für den Neubau nicht mehr viel Hoffnung gebe, dass sich an diesem Plan noch etwas ändern lasse. „2025 werden wir das 150-jährige Bestehen des Bahnhofs sicher nicht im Empfangsgebäude feiern“, so Stracke nüchtern.
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Eine Online-Petition zum Erhalt des Empfangsgebäudes hat inzwischen über 400 Unterstützer, doch Axel Stracke machte deutlich, dass die öffentliche Preisgabe des Namens wohl viele abschrecke.