Olpe. Der Rat beschloss, das historische Gebäude abzubrechen und an selber Stelle einen Neubau zu errichten, der die Silhouette des Bahnhofs aufgreift.

Gleich zweifach hat sich in der Rats-Sondersitzung am Montagabend eine „Abbruch-Fraktion“, bestehend aus CDU und FDP sowie fallweise Teilen der UCW durchgesetzt. Sie haben damit beschlossen, dass zum einen das ehemalige Empfangsgebäude des Olper Bahnhofs niedergelegt und durch einen ähnlich aussehenden Neubau ersetzt werden soll und dass zum anderen das derzeitige Rathaus nach Fertigstellung des Neubaus nicht für Wohnzwecke umgenutzt, sondern gleichfalls abgebrochen wird, um im Sinne des bisherigen Innerstäditschen Entwicklungskonzepts (ISEK) Freiraum zu schaffen.

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Rund 30 Zuhörerinnen und Zuhörer verfolgten die außerordentliche Zusammenkunft der Stadtverordneten. Insbesondere SPD-Fraktionschef Volker Reichel nutzte die Sitzung für heftige Kritik an der Verwaltung. Nachdem er lange Zeit einen „Schmusekurs“ mit der CDU gefahren war, zeigte sich Reichel am Montag in alter Manier angriffslustig, kritisch und scharfzüngig. Über Jahre von einer Bahnhofssanierung gesprochen zu haben und nun quasi über Nacht mit einem Neubau konfrontiert zu werden, führe dazu, dass er sich „in mehr als zwei Jahrzehnten, in denen ich hier meine Freizeit und Lebenszeit verbringe, noch nie so vera….t gefühlt“ habe. Ausdrücklich sprach er Bürgermeister Peter Weber (CDU) „zumindest eine Teilschuld“ daran zu.

Vom „Genius loci“ geleitet

Mitarbeiter der von der Stadt beauftragten Büros BKS Architekten, Dr. Ehlers/Unland Beratende Ingenieure sowie Hitzler Ingenieure führten anschließend aus, was sie nach jüngsten Umplanungen mit dem Bahnhofsgebäude vorhaben, das laut einem durch Bürgerentscheid bestätigten Ratsbeschluss in den Neubau des Rathauses mit integriertem Museum einzubeziehen ist. Architekt Mario Schurbohm: „Durch Beibehaltung der Silhouettenform wollen wir den alten Ort wieder aufleben lassen. Uns ging es um Ort und Silhouette, den Genius loci, daher darf man hier auch einen Nachbau akzeptieren.“ Die Sanierung mit einigen Nachteilen würde rund 500.000 Euro teurer ausfallen als der Neubau. Reichel zeigte sich empört: „Wieviele Bauingenieure etc. beschäftigen wir hier eigentlich? Zahlreiche Begehungen des Bahnhofs haben stattgefunden, und da ist kein Mensch auf die Idee gekommen, Statikerexperten hinzuzuziehen? Da drängt sich das Gefühl auf, wir sind hier ein paar Jahre hintenrumgehoben worden.“ Technische Beigeordnete Judith Feldner hielt dagegen: „Wir machen nur auf Risiken und Schwierigkeiten aufmerksam.“ Erst durch die Planungen des neuen Museumsleiter „wissen wir erst jetzt, welche Nutzung an welcher Stelle durchzuführen ist. Ich kann verstehen, dass Sie sich erpresst fühlen“. Und Weber ergänzte: „Wir setzen mit dem Neubau nur eins zu eins die alten Plannungen um. Es wird nur 70 Zentimeter höher wegen des Hochwasserschutzes, ansonsten sieht das Gebäude so aus, wie es nach der Sanierung aussehen würde.“

Die Grünen setzten die Kritik fort. Zaklina Marjanovic: „In dem Gebäude haben zwei Brände stattgefunden, und das ohne jeden Erkenntnisgewinn? Niemand kam auf die Idee, das zu begutachten? Wir fühlen uns ebenso wie Herr Reichel veräppelt. Der Erhalt eines alten Gebäudes gibt der Stadt ein Gesicht, der Nachbau ist eine Farce.“

Schon bisher kein wirklicher Erhalt geplant

Doch die beauftragten Planer erklärten frank und frei, schon beim vorliegenden Sanierungsplan könne „niemand allen Ernstes von einem Gebäudeerhalt sprechen“. Schließlich werde dabei maximal vom Erhalt einiger Außenmauern ausgegangen. Doch Andreas Zimmermann (UCW) konterte: „Wirtschaftlichkeit muss man unabhängig davon sehen, was man erhalten will. Wir muten den Bürgern das mit der Denkmalbereichssatzung auch zu. Das ist Messen mit zweierlei Maß.“ Weber widersprach: „Wir reden hier von einem Gebäude ohne Denkmalschutz. Wir haben immer von einem identitätsstiftendem Ort gesprochen, und die Frage ist, ob das immer noch so ist, wenn wir neue Wände bauen oder die vier Außenwände erhalten.“ Frank Clemens erklärte für die CDU, auch in seiner Fraktion sei sehr kontrovers diskutiert worden. Aber es würden ja ohnehin nur zwei Teile stehenbleiben. „Ob das die erheblichen Mehrkosten rechtfertigt, darüber kann man trefflich streiten. Ich würde wetten, die meisten der hier Anwesenden könnten Neubau oder Sanierung nicht auseinanderhalten.“ Für die Olper CDU ungewohnte Kritik am Vorgehen der Verwaltung kam von Marco Kieserling: „Am allermeisten geärgert habe ich mich über die Rolle, in die wir gedrängt werden.“ Der Prozess laufe seit vielen Jahren „und jetzt kommt das wichtigste Bestandsgebäude mal einfach so weg. Mir fällt es schwer zu glauben, dass man das über all die Jahre nicht gesehen hat. Und das fällt auch einigen in der Fraktion schwer. Die andere Möglichkeit: Man hat es bewusst auf diese Situation hin zulaufen lassen. Und wir als Rat werden in diese Rolle gebracht.“ Dennoch sei er ganz klar für den Neubau, „die Sanierung wäre ein Fass ohne Boden“. Johannes Truttmann (SPD) erweiterte die Kritik: „Diese nichtöffentlichen Arbeitskreise haben dafür gesorgt, dass die Diskussion nicht früher öffentlich diskutiert wurden. Sowas gehört in die Öffentlichkeit.“

Dann kam es zu einer ganzen Reihe von Abstimmungen. Der Grünen-Antrag, ein ausführliches Gutachten zu erstellen, um den tatsächlichen Sanierungsbedarf und die Statik des Bestands-Bahnhofs festzustellen, wurde bei Enthaltung der SPD von einer breiten Mehrheit aus CDU, FDP und einem Teil der UCW abgeschmettert. Den Antrag der UCW, zumindest den linken „Turm“ stehenzulassen, lehnte bei Enthaltung der Grünen eine ebenso breite Mehrheit aus CDU, FDP und einem Teil der SPD ab. Ein von den Grünen spontan mündlich vorgelegter Antrag, den Bahnhof abzubrechen und nicht wieder aufzubauen, stattdessen das Museum ins neue Rathaus zu verlegen, fand mit neun Stimmen von Grünen und einem Teil der SPD keine Mehrheit. Die eigentliche Beschlussvorlage, Abbruch und Neubau des Bahnhofs, wurde von CDU und FDP auf den Weg gebracht. Acht Gegenstimmen von Grünen und SPD sowie vier Enthaltungen der UCW reichten nicht aus, um dies zu verhindern. Reichel hatte aus Protest gegen die kurze Frist der Vorlagen-Übersendung den Beratungstisch verlassen.

Trotz aller Bemühungen der Grünen und der SPD, in einem zweiten Tagesordnungspunkt der Sondersitzung das Rathaus nach dem Umzug der Verwaltung in den zu schaffenden Neubau zur Wohnanlage umzunutzen, wie es Architekt Axel Stracke vorgeschlagne hat, blieben CDU, UCW und FDP bei ihrer Meinung, den 45 Jahre alten Bau aus dem Stadtbild zu entfernen. Auch wenn es de jure nicht in den Beschlüssen angeführt sei, seien alle Beteiligten stets davon ausgegangen, dass der Neubau eines Rathauses auch den Abbruch des alten bedeute, so Werner Pulte (UCW). Andreas Zimmermann (UCW) fand die Idee an sich nicht schlecht, „sie kommt aber zehn Jahre zu spät“. Bei den vielkritisierten „Sichtachsen“ gehe es nicht um freie Blickfelder, sondern notwendige Wegebeziehungen, daher müsse das Rathaus weg. Bei zwei Enthaltungen sprachen sich neun Ratsmitglieder (Grüne, Teile der SPD) für den Antrag der Grünen aus, 24 dagegen.