Hützemert. WP-Mobil in Hützemert: Drolshagener Dorf ist auf zwei Projekte besonders stolz. Das Flüchtlings-Wohnheim bleibt ein besonderes Thema.

Es ist eine der obligatorischen Fragen, die wir stellen, wenn das WP-Mobil in den Orten des Kreises Olpe Station macht: „Was wünschen Sie sich eigentlich für Ihr Dorf?“ Im Alten Bahnhof in Hützemert, in den unsere Zeitung die Bürger des größten Drolshagener Dorfes eingeladen hatte, kam eine spontane Antwort: „Es wäre schön, wenn es bei uns wieder ein großes Volksfest geben würde.“

WP-Mobil zu Gast im Alten Bahnhof Hützemert: Moderator des Abends: Josef Schmidt, Redakteur der Westfalenpost.
WP-Mobil zu Gast im Alten Bahnhof Hützemert: Moderator des Abends: Josef Schmidt, Redakteur der Westfalenpost. © Jörg Winkel

Sagt Michael Huhn, CDU-Ratsherr aus Hützemert, und sprach damit wohl vielen seiner Mitbürger aus dem Herzen. Nicht ohne triftigen Grund: Denn trotz seiner rund 1000 Einwohner hat Hützemert keinen Schützenverein. Und damit auch kein Schützenfest. Feiern wollen die Dorfbewohner, die über den schönsten Bahnhof im Kreis Olpe verfügen, aber dennoch.

Großes Fest bis 2013

Mit Ortsvorsteherin Anja Wigger, Uli Hilchenbach und Martin Willmes vom Dorfverein und Julian Ziegeweidt (SV Hützemert) sind maßgebliche „Macher“ aus dem Dorf zur WP-Mobil-Aktion gekommen, die für ein Event dieser Größenordnung genau die richtigen Ansprechpartner sind. Michael Huhn klärt zunächst über die Vorgeschichte auf: „Seit den 50er-Jahren hat es ein solches Sport- und Volksfest in unserem Ort ja gegeben. Bis 2013.“ Und dann? Julian Ziegeweidt, Vorsitzender des Hützemerter Sportvereins, sagt, woran es liegt: „Das hat handfeste wirtschaftliche Gründe.“ Allein die Kosten für das Aufstellen eines großen Festzeltes seien eine große Investition. Die Örtlichkeiten seien nicht das Problem. Dafür biete sich das großzügige Sportplatzgelände an. Einen Versuch im Kleinformat habe es dieses Jahr auch schon gegeben, doch der sei wegen schlechten Wetters kein Publikumsmagnet gewesen.

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Uli Hilchenbach ist seit Anbeginn vor 14 Jahren eine der tragenden Säulen des Dorfvereins, der den abbruchreifen Bahnhof in ein Vorzeige-Bürgerhaus verwandelt hat.
Uli Hilchenbach ist seit Anbeginn vor 14 Jahren eine der tragenden Säulen des Dorfvereins, der den abbruchreifen Bahnhof in ein Vorzeige-Bürgerhaus verwandelt hat. © Jörg Winkel

Allzu große Wünsche haben die Hützemerter, das machte der WP-Mobil-Abend deutlich, nicht. Ortsvorsteherin Anja Wigger warnt aber vor einem möglichen Engpass, mit dem viele Regionen im Sauerland zu kämpfen haben: „Ich wünsche mir, dass uns unsere Hausärztin solange wie möglich erhalten bleibt.“ Die derzeit in Hützemert tätige Allgemeinmedizinerin habe die 60 überschritten, und angesichts des Ärztemangels ist die Sorge nachvollziehbar.

Heilfroh ist man in Hützemert auch, dass es mit dem Haus Wigger noch eine so wichtige Gastronomie gibt, zudem Grundschule, Kirche und Kindergarten eine solide Infrastruktur bilden. Und bald auch wieder – ganz in der Nähe – der neue Aldi-Markt „In der Hützenau“, dessen Fertigstellung sich dem Ende entgegen neigt.

Dass sich Hützemert prächtig entwickelt und sozusagen sein Imageproblem früherer Zeiten überwunden hat, machen die Berichte von Uli Hilchenbach und Julian Ziegeweidt über die Vorzeigeprojekte „Alter Bahnhof“ und „Sportgelände“ greifbar.

Früher kein gutes Image

Hilchenbach: „Das Projekt ,Alter Bahnhof’ ist schon vor fast 15 Jahren entstanden aus dem Bewusstsein, dass Hützemert beträchtliche Defizite in der Außendarstellung hatte Wir hatten als reines Straßendorf, durch das man mit dem Auto durchfährt, aber mehr nicht, kein besonders gutes Image. Als es hieß, das alte Bahnhofsgebäude solle abgerissen werden, hat das wie eine Initialzündung gewirkt.“ Ein Arbeitskreis habe sich gebildet, der Dorfverein sei schon 2009 gegründet worden. „Dass die Regionale 2013 damals startete, hat uns natürlich sehr geholfen“, erinnert sich Hilchenbach. „Die Einstufung als Drei-Sterne-Projekt und die erheblichen Fördermittel haben die Realisierung maßgeblich gestützt.“ Dass es ohne Fördergeld unmöglich gewesen wäre, ein solches Mammutprojekt auf die Beine zu stellen, wird anhand der Summen verständlich: „Bis heute sind rund 750.000 Euro in unseren Bahnhof samt Außengelände geflossen“.

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Rege Diskussion beim WP Mobil-Abend im Alten Bahnhof.
Rege Diskussion beim WP Mobil-Abend im Alten Bahnhof. © Jörg Winkel

Dort gibt es seitdem eine Jausenstation, jährlich an die 40 Kulturveranstaltungen und Festivitäten, darüber hinaus dienen die Räumlichkeiten und die Bühne dem dörflichen Theater-Club sowie sportlichen und musikalischen Betätigungen. Besonderer Clou: Neben dem Alten Bahnhofsgebäude erinnert eine echte Lokomotive, „Emma“, an die glorreichen Zeiten der dampfenden Stahlrösser. Verständliches Fazit von Uli Hilchenbach: „Ich glaube, es ist gelungen, Hützemert aus dem Dornröschenschlaf zu wecken.“ Hilchenbach nutzte die Gunst der Stunde, gleich auf ein bevorstehzendes Event aufmerksam zu machen: „Am Samstag, 9. Dezember, findet bei uns ein ,Glühwein-Tasting’ statt.“

Ähnliche Summen wie der Dorfverein hat auch der Hützemerter Sportverein gestemmt, wie Julian Ziegeweidt Revue passieren ließ. Allen voran der neue Kunstrasenplatz, aber auch umfangreiche Arbeiten an der Tennisanlage sowie am und rund ums Vereinsheim seien zum Mammutprojekt gewachsen. Aktuell stehe der Bau des Kinderspielplatzes im Fokus. Ziegeweidt: „Jede helfende Hand ist willkommen.“ Die gewaltige Summe von rund 600.000 Euro seien investiert worden, was Ortsvorsteherin Anja Wigger in ihrem lobenden Kommentar auf den Punkt brachte: „Es ist beeindruckend, welche Summen hier von rein ehrenamtlichen Vereinskräften bewegt werden.“

Ortsvorsteherin des 1.000-Seelen-Ortes ist Anja Wigger.
Ortsvorsteherin des 1.000-Seelen-Ortes ist Anja Wigger. © Jörg Winkel

Wermutstropfen bei all dem Positiven kamen beim WP-Mobil auch zur Sprache: Das bis vor der Zinswende heiß begehrte neue Baugebiet ist nicht mal zur Hälfte verkauft, obwohl es zuvor über 40 Bewerbungen für die 13 Baugrundstücke gegeben hatte. Junge Leute sind genug da im Dorf, 600.000-Euro-Eigenheime, können sie sich aber bei Zinsen von 4 Prozent und explodierten Baukosten nicht mehr leisten. Dabei sei die Nachfrage nach Wohnraum groß, weiß Anja Wigger: „Wenn es im Dorf mal zu Leerständen kommt, sind die nicht von langer Dauer.“

Ein weiteres Projekt ganz anderer Natur, das einigen Hützemertern Sorgen macht, ist der Plan der Stadt, nahe der Grundschule ein Übergangswohnheim für Geflüchtete zu bauen. Dass eine Petition besorgter Eltern Hützemerter Schulkinder gestartet worden sei, die bereits fast 1300 Unterzeichner motiviert habe, sei aber kein Zeichen dafür, ist Anja Wigger überzeugt, dass die Mehrheit der Hützemerter gegen den Standort sei: „Da haben sehr viele Auswärtige mitgestimmt.“ Lediglich eine junge Mutter, die zum WP-Mobil gekommen ist, räumt ein, auch unterzeichnet zu haben: „Ein gewisses Unbehagen ist da.“ Ratsherr Michael Huhn weist daraufhin, dass das Übergangswohnheim frühestens 2025 errichtet und bezugsfertig werde. Wie sich die Geflüchteten-Situation bis dahin entwickelt habe, könne niemand voraussagen. Einig sind sich die Hützemerter, dass die Stadt Drolshagen die Fehler von Bund und Land ausbaden müsse.