Hützemert. Der 62-jährige Rentner aus Hützemert widmet sich seit vielen Jahren dem Modellbau. Den Alten Bahnhof hat er akribisch nachgebaut.
Wie von Zauberhand qualmt es plötzlich aus dem Lokschuppen heraus - begleitet vom mechanischen Klicken einer Weiche, während sich etwa 1,50 Meter entfernt zwei Bahnschranken nach unten senken. Alles klar also für die stählerne Dampflok, die ganz behäbig Fahrt aufnimmt. Mitten durchs Wohnzimmer von Hubertus Klein aus Hützemert, dem kaum merklich die Augen glänzen. Keine Frage: Der 62-jährige Rentner, der beruflich über drei Jahrzehnte Heuel-Reisebusse durch ganz Europa lenkte, hat allen Grund, stolz zu sein auf das, was er in den vergangenen Jahrzehnten mit akribischem Geschick und einer gehörigen Portion Geduld gewerkelt hat: „Angefangen hat das eigentlich schon mit dieser Fleischmann-Lokomotive, die mir mein Vater schenkte, als ich ein kleiner Junge war“, sagt er und zeigt auf eine Miniatur-Modell-Eisenbahn mit Waggons, die in einem gläsernen Regal an der Wohnzimmerwand hängen: „Dafür hat mein Vater damals einen Monat lang gearbeitet.“
Wer im Wohnzimmer des Rentners steht, ist umringt von Eisenbahn-Romantik pur. „Alles in Spur 0“, lächelt der ehemalige Busfahrer. Das gibt in der Sprache der Modellbauer den Maßstab an. Und die Loks und Waggons sowie alle Gleise, Bahnhofsgebäude und vieles mehr sind im Maßstab 1 zu 43,5 gebaut. Penibel genau, versteht sich. In einem kleinen Nebenraum hat er seine Werkstatt eingerichtet. Dort sägt und klebt er, was das Zeug hält. Dabei waren es zu Beginn seiner Modellbau-Karriere gar nicht Lokomotiven, die es ihm angetan hatten, sondern Flugzeuge: „Damit habe ich vor gut 25 Jahren mal angefangen, bin auch Mitglied im Modell-Flug-Club Attendorn.“ Die Modelle mit bis zu vier Metern Spannweite seien auch flugfähig. Bedingt durch ihre Größe schlummern sie, auseinandergebaut, in der Garage. Erst vor etwa 12 Jahren sei parallell die Leidenschaft für die Modell-Eisenbahnen dazugekommen - inklusive der Liegenschaften drumherum. Und die passen natürlich viel besser in die Zimmer seiner Kellerwohnung in Hützemert.
Doch nicht nur in Kleins Wohnzimmer haben Eisenbahn-Romantiker die Gelegenheit, in der Vergangenheit zu schwelgen. Denn ein Glanzstück seiner Werke ist zweifellos das Modell des Alten Bahnhofs in Hützemert, von dem Klein fußläufig nur wenige Minuten entfernt wohnt: „Das habe ich alles genau ausgemessen und naturgetreu nachgebaut. Das gilt für jede Dachrinne, bis ins Detail.“ Natürlich alles in Spur 0, versteht sich.“ Besagtes Glanzstück ist öffentlich ausgestellt, in einer gläsernen Vitrine im großen Saal des Bahnhofes, den nur eine dörfliche Initiative einst vor dem Abriss bewahrte. Der Bahnhof im Bahnhof, sozusagen. Auf die Idee, den Bahnhof nachzubauen, hatte Klein auch deshalb, weil er Mitglied im Hützemerter Dorfverein ist und sich bis heute ehrenamtlich für den Erhalt des städtebaulichen Schmuckstückes kümmert.
Um die Frage zu beantworten, wie viel Zeit er denn für sein Kunstwerk benötigt habe, braucht Hubertus Klein nicht in penibel geführten Aufzeichnungen zu stöbern: „330 Stunden“, sagt er, ohne zu zogern, „in insgesamt drei Monaten.“ Das Material habe etwa 450 Euro gekostet. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass er das Bahnhofsmodell dem Dorfverein Hützemert nur als Dauer-Leihgabe zur Verfügung gestellt hat. Überraschend ist die Tatsache, dass er den Großteil des Bahnhofes nicht etwa aus Sperrholz gefertigt hat, sondern mit handelsüblichen Styrodur-Trittschallplatten aus dem Baumarkt: „Die lassen sich unheimlich gut bearbeiten, haben mit 5 Millimeter genau die richtige Stärke.“ Ein weiteres Utensil aus dem Alltäglichen sind hölzerne Rührstäbchen für Kaffee oder Kakao, wie sie häufig in umweltbewusster Gastronomie anzutreffen sind. Klein grinst, während er meine verdutzte Miene sieht, und klärt mich auf: „Der Schuppen hier ist nur aus diesen Stäbchen, die Dacheindeckung aus handelsüblichem Schleifpapier.“ Gemeint ist ein bewusst verfallen gestaltetes Mini-Kästchen, das genau solchen Schuppen ähnelt, wie sie in früheren Zeiten auf vielen Bauernhöfen zu sehen waren und die mich spontan an das Plumps-Klo erinnern, das meine Großeltern noch bis Mitte der 60-er Jahre hinter ihrem Wohnhaus benutzten. Und uns Kinder aus der Stadt immer ein wenig ängstigte. Besonders kunstfertig hat Klein auch ein Getreidefeld nachgestellt, auf dem Bauern-Figürchen gerade Hand anlegen: „Das Getreide habe ich aus Pinsel-Haaren gebastelt.“
Keine Frage: Zeitgenossen älteren Jahrgangs, die in die Miniatur-Eisenbahnwelt von Hubertus Klein abtauchen, tauchen auch ab in die eigene Kindheit. In die Zeiten der rauchenden stählernen Rösser, die für viele die einzige Möglichkeit waren, Verwandte in der ferneren Stadt zu besuchen. Denn kurz nach dem Krieg hatte noch lange nicht jeder Haushalt ein Auto, nicht mal ein Fernsehgerät.
Hubertus Klein macht sich einen Spaß daraus, mich zu verblüffen: Plötzlich erklingt aus seiner über vier Meter langen Modell-Eisenbahnwelt auch noch eine typische Ansage, wann welcher Zug fahre. Fehlt nur noch, dass die Mini-Menschen anfangen, sich zu bewegen. Aber soweit reicht die ,Zauberkraft‘ des Modellbauers dann doch nicht.
Dass Hubertus Klein sich nicht einsam und verlassen seinem Hobby widmet, liegt auf der Hand: „Ab und zu treffen wir uns und stecken unsere mobilen teile zu einer großen Anlage zusammen“, sagt Klein. Gemeint ist eine Handvoll Eisenbahnfreunde, die sich in einem überdimensionierten Keller in Attendorn ausleben können.
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Zudem ist der gebürtige Heggener, der seit viele Jahren in Hützemert lebt, auch auf Ausstellungen unterwegs, wo er sich Inspirationen holt, aber auch seine eigenen Modelle ausstellt: „Im März war ich mit meinem großen Modell auf den Internationalen Spur 0-Tagen in Gießen.“ Dort löste er vor allem mit dem zum Modell gehörigen Original Bahnhofs-Empfangsgebäude aus St. Andreasberg (Harz) und einem imposanten Ring-Lokschuppen für Aufmerksamkeit. Nicht ohne Stolz zeigt er einen Ausschnitt aus dem Gießener Anzeiger, der als Aufmacherfoto für einen großen Bericht der Ausstellung Kleins Modell gewählt hatte.
Kein Wunder, dass Hubertus Klein die nächsten Pläne schon im Kopf hat: Große Eisenbahn-Modelle für Ausstellungen in ganz Deutschland und Europa: „Ich bekomme regelmäßig Einladungen, zum Beispiel aus Magdeburg und Mainz, aber auch aus Belgien, Holland und Luxemburg.
International ist Klein aber schon durch seinen youtube-Channel @hubertusklein8789