Drolshagen. Die Zahl der Flüchtlinge steigt. Auch in Drolshagen. Bürgermeister Uli Berghof schimpft heftig auf die Politik: „Regierung versagt vollständig.“

Wie drastisch die Not der Stadt Drolshagen ist, was die Unterbringung von Geflüchteten angeht, spiegelte sich in den Wortmeldungen von Bürgermeister Uli Berghof und einiger Ratsvertreter am Montagabend im Alten Kloster wieder. Dorthin hatte der Bürgermeister die Ratsmitglieder zur Sondersitzung gebeten, weil die Zeit derart dränge, dass kein Aufschub zu dulden sei. Eigentlich ging es „nur“ um Grünes Licht des Rates für die Anmietung eines zweigeschossigen Wohncontainers für etwa 40 Menschen, die dringend benötigt würden (Standort Wünne/Eiskeller). Doch Berghof nutzte die Gelegenheit für eine Art Rundumschlag zwischen Wut und Hilferuf. O-Ton Berghof: „Die ungeregelte Einwanderung stellt uns vor riesige Probleme. Die Bundesregierung versagt vollständig, reicht das Problem an die Länder durch.“ Ein Satz, der aufhorchen lässt: „Die Inanspruchnahme von Sporthallen und Dorfgemeinschaftshäusern möchte ich, solange es möglich ist, vermeiden… .“ SPD-Ratsherr Thorsten David legte den Finger in die Wunde: Selbst die jetzt zur Diskussion stehenden Container für 40 Geflüchtete seien praktisch schon belegt, bevor sie überhaupt aufgestellt würden. Grund: Rund 40 Geflüchtete, die die Stadt Drolshagen unterbringen müsse, lebten derzeit im Wohnheim in Eichhagen (ehemaliges CJD), das im Frühjahr 2024 geräumt werden müsse.

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Schonungslose Analyse

Berghof analysierte die strukturellen Probleme schonungslos, wobei er einleitend ausdrücklich hervorhob, dass nicht die Geflüchteten selbst an der Misere schuld seien, sondern die verfehlte Politik in Bund und Land. Berghof: „Asylbewerber sollten zunächst in Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder untergebracht werden. Ist deren Bleibeperspektive gering, sollen sie dort zwei Jahre verbleiben, um dann gegebenenfalls abgeschoben werden zu können.“ Doch genau diese Abschiebungen fänden nicht statt. CDU und Grüne in NRW hätten im Koalitionsvertrag vereinbart, auch abgelehnte Asylbewerber schon nach sechs Monaten statt bisher 24 Monaten auf die Städte und Gemeinden zu verteilen. In NRW gebe es 45 Landeswohnheime mit rund 30.000 Plätzen. Es werde zwar über eine Ausweitung dieser Kapazität diskutiert, auf 70.000 bis 80.000 Plätze, aber ohne Ergebnis. Die Kapazitäten seien deshalb ausgeschöpft, und das sei der Grund, weshalb der Flüchtlingsstrom vom Bund aufs Land, und vom Land auf die Kommunen ungebremst zurolle: „Wurden Drolshagen bisher pro Woche fünf Geflüchtete zugewiesen, werden es demnächst sieben sein. Abschiebungen finden in NRW kaum statt, etwa 95 Prozent der Ausreisepflichtigen verbleiben im Land.“

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Andreas Wintersohl (UDW) stellte fest, dass auch die jetzt geplante Unterkunft absehbar nicht reiche: „Welche Idee hat die Stadtverwaltung, oder sitzen wir jetzt alle zwei Monate hier und fassen neue Beschlüsse?“ Berghof musste einräumen: „Wir denken momentan nur von Tag zu Tag, wissen nicht, wie es weitergehen wird, wie sich der Krieg in der Ukraine entwickelt.“ Die Stadt versuche zwar, auf dem privaten Wohnraum fündig zu werden, aber in größerem Umfang stehe nichts zur Verfügung.

Wie sehr das Problem auf den Nägeln brennt, machte auch eine Wortmeldung von UCW-Ratsfrau Teresa Mason-Hermann deutlich. Sie fragte, warum die beiden Container gemietet und nicht gekauft würden. Antwort von Kämmerer Lange: Für den Ankauf mit mehreren hunderttausend Euro müsse ein Nachtragshaushalt her, im aktuellen Haushalt sei dafür kein Geld mehr. Und um einen solchen Nachtragshaushalt aufzustellen, einzubringen und zu verabschieden, fehle jegliche Zeit. Deshalb könne nur gemietet werden. Konkrete Zahlen, was ein Container beim Kauf kosten werde, konnte Lange nicht nennen. Bürgermeister Berghof: „Eigentlich war geplant, einen Rückläufer, also einen gebrauchten Container anzumieten. Da die Nachfrage aber derart hoch ist, sind die Konditionen für gebrauchte Container kaum günstiger als für neue Exemplare.“

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Berghof appellierte eindringlich, zuzustimmen: „Wir diskutieren hier offenbar in zwei Welten. Während es dem Rat um wirtschaftliche Fragen geht, stehen wir mit dem Rücken zur Wand, wissen tatsächlich nicht mehr, wie wir uns bewegen sollen. Ich bitte Sie, einfach diese Dimension wahrzunehmen. Wir müssen blitzschnell handeln, um die Menschen vor Obdachlosigkeit zu bewahren.“

Markt für Wohncontainer leer gefegt

Thorsten David (SPD) stellte zur Diskussion, gleich Wohncontainer für mehr Menschen, also für 60 oder 80 anzugehen. Doch auch das sei Zukunftsmusik, so Berghof: „Wir können derzeit nur diese beiden Container für 40 Menschen bekommen, alles andere hätte Monate Vorlauf. Der Markt ist leer.“

Keine Mehrheit fand ein Vorschlag von Andreas Wintersohl (UDW), die Container besser auf dem bisherigen Parkplatz Alte Schule, unmittelbar neben dem Alten Kloster, aufzustellen. Berghof prognostizierte in dem Fall kritische Diskussionen in der Bürgerschaft. CDU-Fraktionssprecher Georg Melcher erinnerte an die heftige Kritik in Hützemert: „Ich habe keine Lust, noch mal eine solche Diskussion zu führen. Die ganze Sache läuft aus dem Ruder. Gestern hat sogar der Pastor im Hochamt aufgefordert, Wohnraum zur Verfügung zu stellen.

Die Abstimmung für die Anmietung der Wohncontainer war nach der Diskussion nur noch Formsache: Einstimmig.