Bilstein/Benolpe. Auch die zweite Veranstaltung zum Thema Windpark „Windfart“ stieß auf Interesse. Dabei nannte die Firma Ørsted auch Zahlen.
Über vier Stunden lang ging es von Montagnachmittag bis -abend in der Freiheit-Bilstein-Halle um das Thema Windkraft, ganz konkret um den geplanten Windpark mit dem Namen „Windfart“, den der dänische Ørsted-Konzern nach der Übernahme der deutschen Firma „Ostwind“ nun plant. Zwei Stunden lang standen Ansprechpartner verschiedener Fachrichtungen zur Verfügung, die Auskünfte etwa hinsichtlich des Artenschutzes, der Mindestabstände oder des Landschaftsbildes erteilten, um die Fragen der Bürgerinnen und Bürger zu beantworten, von denen sich durchgängig rund 70 in der Halle befanden. Dabei herrschte starke Fluktuation; viele kamen, holten sich Antworten und gingen wieder. Auch drei Mitarbeiter des Landesbetriebs Wald und Holz, der als Verpächter von rund 90 Prozent der in Frage kommenden Flächen auftritt, waren in der Halle und beantworteten zahlreiche Fragen.
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Nun ist das Projekt „Windfart“ nichts Neues; bereits seit 2016 laufen die Planungen. 2015 hatte „Ostwind“ bei einem Bieterverfahren des Landesbetriebs den Zuschlag für die Projektierung erhalten. Ständig wechselnde Vorgaben und Richtlinien machten immer neue Planungen nötig. Doch nun ist das Projekt so weit fortgeschritten, dass Ørsted noch in diesem Jahr die Bauanträge für die ersten drei von insgesamt zehn Windkraftanlagen auf dem Bergrücken zwischen dem Veischede- und dem Olpetal bzw. zwischen hohe Bracht und Einsiedelei einreichen will. Es handelt sich durchgängig um Anlagen des deutsch-spanischen Herstellers Siemens-Gamesa vom Typ SG 6.6-170. Sie werden bei einer Nabenhöhe von 165 Metern und einem Rotordurchmesser von 170 Metern eine Gesamthöhe von 250 Metern erreichen und eine Höchstleistung von 6,6 Megawatt erzeugen können. Die zweite Baustufe soll ein Jahr später folgen, hier werden derzeit die Artenschutz-Untersuchungen überarbeitet. 2025/26 rechnet Ørsted mit der Baugenehmigung, sodass 2026/27 ein Baubeginn möglich wäre und der Windpark 2027 erstmals Strom ins Netz speisen kann. Die Standorte der Windräder laufen fast exakt über die Grenze zwischen den Kommunen Lennestadt und Kirchhundem.
Georg Freiherr von Aretin ist Leiter der Projektentwicklung von Ørsted Deutschland und führte durch den Nachmittag. Im Anschluss an die „Info-Messe“ eröffnete er eine offene Fragerunde, die weitere zwei Stunden währte. Dabei wurde deutlich, dass in der Bevölkerung trotz aller Planungen ein großes Maß an Verunsicherung und Skepsis herrscht. So wurde der Vorwurf laut, die für fotorealistische Ansichten gewählten Bildvorlagen seien bewusst so gewählt worden, dass sie den Blick an den Anlagen vorbeiführten oder dass Äste so ins Bild ragten, dass sie die Sicht auf die geplanten Windräder verstellten. Weiterhin wurden grundsätzliche Bedenken gegen Windkraftanlagen vorgetragen, so die Sorge vor Umweltbelastungen nach einem möglichen Brand einer Anlage, dem Abrieb von Mikropartikeln der Rotorenblätter oder dem Wertverlust der Häuser im Blickfeld der Anlagen. Aretin sagte Antworten auf alle Fragen zu, die nicht vor Ort beantwortet werden konnten. Die Standorte für die ausgewählten Fotos seien von den Genehmigungsbehörden vorgegeben und nicht Sache der Ørsted-Gutachter.
Viele Fragen
Ein Hauptkritikpunkt von Bürgerseite war, dass bei allen fotorealistischen Grafiken nur die drei Anlagen der ersten Ausbaustufe dargestellt waren. Aretin sagte zu, möglichst bald Ansichten mit allen zehn Anlagen nachliefern zu lassen. „Wir wissen, dass das ein Thema ist, das nicht nur Jubel hervorruft“, erklärte er. Kopien aller gezeigten Pläne will Orstedt den beiden beteiligten Kommunen Lennestadt und Kirchhundem zur Verfügung stellen, die sie den Bürgern weitergeben dürfen.
Noch ungeklärt ist die mögliche Einspeisung, die möglicherweise bis Altenkleusheim führen muss. Auch die genaue Erschließung sei noch unklar, erklärte Aretin. All dies sei Bestandteil des Baugenehmigungsverfahrens. Er betonte, dass Ørsted dies als klassisches Antragsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchführen werde, sodass jedermann Einblick und Mitwirkungsmöglichkeiten haben werde.
Viele Fragen gab es auch zur geplanten Bürgerbeteiligung. Ørsted will bis zu 50 Prozent des Windparks einer Beteiligung öffnen. Denkbar sei beispielsweise, dass die beteiligten Kommunen einsteigen und diese wiederum etwa eine Energiegenossenschaft gründen, an der sich Bürger auch mit kleineren Summen einkaufen können. Genaue Zahlen könne Ørsted aber erst liefern, wenn nach der erfolgten Baugenehmigung der Tarif feststehe, den der Konzern nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz für die Einspeisung zugeschlagen bekommt.
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Joachim Hartmann aus Kirchveischede wies auf ein Problem hin, das sich für die Ortschaft ergibt, denn nicht nur Ørsted plant Windkraftanlagen: In Richtung Schmellenberg sowie von Attendorner Seite würden weitere Anlagen projektiert, und insgesamt würde dies zu einer Überlastung führen. Dies würde vermieden, wenn Ørsted auf eine konkrete Anlage verzichte. Aretin erklärte, dass das Unternehmen dies nicht tun werde: Die mögliche bedrängende Wirkung der Windräder werde in jedem Fall beachtet, und es sei Sache der Genehmigungsbehörden, welche Räder gegebenenfalls wegfallen müssten.
Ein Bürger hatte den Vorschlag, dass es doch für die Bürgerinnen und Bürger im Veischedetal enorm sinnvoll wäre, wenn nicht nur die Anlagen der „Windfart“, sondern alle geplanten Windräder visualisiert würden, um einen Eindruck davon zu bekommen, was insgesamt auf die Gegend zukomme. Aretin unterstrich, dies halte auch er für sinnvoll, das sei aber keine Sache, die Ørsted angehen könne, sondern die Genehmigungsbehörde, also der Kreis. Sein Unternehmen werde sich dem aber nicht verschließen.
Am Dienstag dann war die Benolper Schützenhalle von Windkraft-Investor Ørsted angemietet worden, um zahlreiche Informationsstände aufzubauen, an denen Vertreter verschiedener Fachrichtungen zwei Stunden lang für persönliche Gespräche zur Verfügung standen. Im Anschluss eröffnete Projektleiter Georg Freiherr von Aretin eine zweistündige offene Fragerunde, bei der viele Themen aufs Tapet kamen, die schon in Bilstein erläutert worden waren – aber auch viele andere.
Ein Bürger erkundigte sich nach der Effizienz der Windräder an diesem Standort. Aretin ließ die rund 60 Anwesenden wissen, dass Ørsted von 3000 Volllast-Stunden im Jahr ausgehe, das heißt: Die Windräder werden rund ein Drittel des Jahres ihre maximale Leistung von 6,6 Megawattstunden pro Stück ins Netz speisen. Dies ergab skeptische Nachfragen: Ob das denn lohne. „Wir bauen keine Anlagen, bei denen wir draufzahlen“, versicherte der Projektleiter. „In Bayern haben wir Anlagen, die mit 1800 Volllaststunden rentabel arbeiten. Üblicherweise liegt die Grenze bei etwa 2000 Volllaststunden im Jahr.“ Die „Windfart“ mit 3000 Stunden sei also ein ausgesprochen guter Standort.
Auch die Kosten kamen zur Sprache: Laut Aretin wird Ørsted pro Windrad etwa 8 bis 9 Millionen Euro investieren. Und weitere Zahlen kamen auf den Tisch, als mehrere Teilnehmer wissen wollten, warum Ørsted in Lennestadt und Kirchhundem so viel Geld investiere. Als grobe Linie gehe Ørsted von einer Eigenkapitalrendite von 6 Prozent aus.
Der Heimat- und Förderverein Benolpe hatte per Homepage Fragen einsammeln lassen, der Verein übergab Aretin eine Liste mit 160 Einträgen, die Ørsted schriftlich beantworten wird. Mehrere davon wurden aber auf Aretins Bitte umgehend in der Versammlung geklärt, „weil wir sie spontan beantworten können und sie doch auch die Leute interessiert, die heute hier sind“ – so die der geplanten Zuwegung. Für die ersten drei Räder, deren Bauanträge noch in diesem Jahr gestellt werden sollen, sei geplant, von Oberveischede kommend über bestehende, zu ertüchtigende Forstwege an der Einsiedelei vorbei in Richtung Hohe Bracht zu gehen. Ziel von Ørsted sei, dass, auch wenn sieben Baugenehmigungen später folgen, die zehn Räder direkt hintereinander zu bauen, was die Logistik erheblich vereinfache.
Ein Benolper wollte wissen, wann ein solches Windrad die Energie wieder „eingespielt“ hat, die für seine Produktion aufgewendet werden muss. Laut Aretin liegt dies bei acht bis neun Monaten: Nach so langem Betrieb hat ein Windrad soviel Wind in Elektrizität umgewandelt, wie an Energie für Herstellung, Aufbau und Entsorgung aufgewandt werden muss. Der Fraktionschef der CDU im Kirchhundemer Rat, Michael Färber, wollte Details zu zwei weiteren Flächen wissen, auf denen Ørsted auf der Südseite von Benolpe weitere Windräder möglich sieht. Aretin erklärte, in den beiden Bereichen seien hinsichtlich der Windhöffigkeit und der Infrastruktur möglicherweise drei bis fünf weitere Räder möglich, hier seien die Planungen aber noch in der Frühphase; Ergebnis weiterer Untersuchungen könne auch sein, dass hier keine Genehmigungsanträge folgen.
Was mit den Windrädern nach der avisierten Lebensdauer von 25 Jahren passiere, wollte eine Benolperin wissen. Aretin berichtete, pro Megawatt Leistung müsse Ørsted 50.000 Euro für den Rückbau zurückstellen, damit am Ende der Betriebszeit jede Anlage vollständig abgebaut werde. Dies sei grundlegender Bestandteil der Genehmigungen.
Wie in Bilstein, machten sich auch in Benolpe Bürger Sorgen hinsichtlich neuer Behauptungen von Windkraft-Kritikern bezüglich des Abriebs vom Kunststoff der Rotorblätter. Die genannten Zahlen halte er für viel zu hoch, erklärte Projektleiter von Aretin; bei Windrädern auf See sei durch die Salzpartikel in der Luft das Problem größer als an Land. Das Thema Mikropartikel und Feinstaub sei aber keines, das exklusiv Windräder betreffe: Diese Stoffe würden bei jeder Autofahrt, jedem Anzünden eines Kaminofens erzeugt und Abrieb durch Wind erfolge an jedem Gartenzaun. „Natürlich müssen wir sowas im Blick halten, aber ich bin davon überzeugt, dass nicht die Windräder das schwerste Problem dabei ausmachen.“
Bezüglich des von einem Bürger angesprochenen möglichen Wertverlust von Immobilien ergriff Bürgermeister Björn Jarosz das Wort: Er verwies auf den zuständigen Gutachterausschuss des Kreises. Er selbst glaube nicht, dass Windräder diesbezüglich für ein Problem sorgten. Hinzu komme: „Sie haben hier gehört, es geht nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie. Und da sollten wir im Blick haben, dass hier beim Modell dieses Investors Wertschöpfung vor Ort bleibt.“
Ein Teilnehmer appellierte an die Kritiker unter den Versammelten, die Tatsache, dass Windräder stillstehen, weil zu viel Strom im Netz sei, müsse zum weiteren Umdenken führen. „Wir müssen vielleicht Speicher vor Ort bauen, ähnlich dem Pumpspeicherkraftwerk in Rönkhausen, damit Anlagen nicht abgeschaltet werden müssen.“ Die Energiewende müsse kommen mit der Folge, dass Windräder errichtet würden, auch wenn diese nicht schön seien: „Aber wir sollten uns doch nicht verrückt machen lassen.“ Das Schlusswort sprach Karl-Heinz Kaiser aus Hofolpe, auf dessen Flächen eines der ersten drei Windräder entstehen soll. Er schilderte in klaren Worten die dramatische Lage der Waldbauern, denen durch die Borkenkäfer-Kalamität häufig praktisch der komplette Fichtenforst abgestorben sei. Die Einnahmen durch die Verpachtung von Kalamitätsflächen an Windkraft-Investoren seien unverzichtbar, um den Wald wieder aufbauen zu können.