Griesemert. „Komm zurück“: Aktion soll junge Fahrerinnen und Fahrer für mehr Sicherheit im Straßenverkehr sensibilisieren – und zwar auf vielfache Weise.

Es knarzt, knackt, splittert. Die Hydraulikschere der Olper Feuerwehr trennt Stahl wie Butter. Fensterscheiben platzen, das Sicherheitsglas löst sich in Tausende von Bruchstücken auf. Staunende junge Menschen erleben mit, wie aus einem zwar alten, aber eben noch intakten Pkw die Kraft der Hydraulik in Minutenschnelle Türen und Dach entfernt. Wer es miterlebt, bekommt einen anderen Blick auf den so sicher scheinenden Käfig, die die Karosserie für die Insassen ist.

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Ein paar Meter weiter liegt ein junger Mann auf einer Decke. Sanitäter des Deutschen Roten Kreuzes legen Verbände an, lagern ihn sicher – obwohl er vollkommen unverletzt ist. Was auf den ersten Blick nach der Versorgung eines Schwerverletzten nach einem Unfall aussieht, ist Teil eines Programms, das nach Corona-bedingter Zwangspause am Dienstag wieder aufgenommen wurde. „Komm zurück“ heißt die Aktion, mit der die Polizei, die Feuerwehr, die Kreisverkehrswacht und das DRK dafür sorgen wollen, dass junge Menschen, die entweder kurz vor dem Erwerb des Führerscheins stehen oder dies gerade hinter sich haben, Vorsicht im Straßenverkehr walten lassen.

Fahrsicherheitstrainer Henning Brombach unterweist die jungen Fahrer in den Parcours. Die Mitfahrer tragen Simulationsbrillen, die ihnen den Blick eines Betrunkenen oder Berauschten vermitteln.
Fahrsicherheitstrainer Henning Brombach unterweist die jungen Fahrer in den Parcours. Die Mitfahrer tragen Simulationsbrillen, die ihnen den Blick eines Betrunkenen oder Berauschten vermitteln. © Jörg Winkel

Das Gelände des Verkehrssicherheitszentrums auf der Griesemert ist Schauplatz der Aktion. Kreisdirektor Philipp Scharfenbaum begrüßt die ersten Gruppen, Schülerinnen und Schüler der Oberstufen aus dem ganzen Kreis und der drei Standorte des Berufskollegs. Er betont, dass es allen Beteiligten darum geht, dass die jungen Fahrer nach dem Losfahren stets gut ankommen.

Ein großer Teil der Aktion besteht aus Fahrmanövern. In Autos des Verkehrssicherheitszentrums fahren sie einen Parcours, der mit Pylonen abgesteckt ist. Auf Zeit, aber nicht nur: Denn pro umgefahrenes „Hütchen“ gibt es zehn Strafsekunden. Und da ist der Schnellste dann ganz schnell weit abgefallen in der Wertung. Erschwerend kommt hinzu: Die jungen Leute fahren nicht allein, sondern im vollbesetzten Auto. Die Mitfahrer tragen Brillen, die die Sicht so vernebeln, wie es nach Drogengenuss oder im Vollrausch wäre. Sie sind angehalten, die Fahrerinnen und Fahrer durchaus anzusprechen, zu singen, sie so abzulenken, wie es nach einer fröhlichen Feier vorkommt. Henning Brombach ist einer der Verkehrssicherheitstrainer, der die jungen Leute anleitet. Er macht klar: „Wenn der Fahrer sagt, dass ihr ruhig sein sollt, dann seid ihr ruhig.“ Die Trainer wollen den jungen Leuten klarmachen, dass Beifahrer eine Mitverantwortung haben und mit dazu beitragen können, dass Autofahren sicher ist.

Dann wird gesungen. „Happy birthday“, erschallt es über den Parcours, denn Joshua Legaspina wird just an diesem Tag 18 und darf erstmals allein ein Auto fahren. Verkehrssicherheitstrainer Michael Klein hat vorher erklärt: „Denkt dran, was hier ein Pylon aus Gummi ist, das ist im normalen Leben eine Bordsteinkante, ein Laternenmast, eine Kante. Dann gibt es nicht nur zehn Strafsekunden, sondern dann ist die Fahrt vorbei.“ Und der Schaden groß. Als Joshua seine Fahrt hinter sich hat, strahlt er, denn es macht durchaus Spaß, ein Auto im sicheren Rahmen einmal „fliegen zu lassen“ – da aber eine Reihe von Pylonen auf der Strecke geblieben sind, kommen einige Strafsekunden auf die gemessene Zeit. Und Zuhören schadet nicht: Eine ganze Reihe von Teilnehmern bekommt Strafzeiten aufgebrummt, weil sie nicht beachten, dass Pylone je nach Farbe links- oder rechtsherum umzirkelt werden müssen. Wie im Straßenverkehr sind auch hier Regeln zu beachten.

Rund 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer durchlaufen diesmal die Aktion „Komm zurück“ – insgesamt sind es rund 5000 junge Menschen, die seit 2005 im Zweijahresrhythmus auf diese Weise sensibilisiert werden. Kreisdirektor Scharfenbaum hat den Teilnehmern erklärt: „Ihre Altersgruppe macht 8 Prozent der Bevölkerung aus, aber Sie sind an 25 Prozent aller Unfälle beteiligt. Das ist zu viel.“ Allein im Jahr 2022 seien in der Gruppe der jungen Fahrerinnen und Fahrer 115 Menschen im Kreis Olpe verunglückt. „Wir hoffen, dass Sie heute ein wenig davon begreifen, welche dramatischen Konsequenzen leichtsinniges Verhalten im Straßenverkehr haben kann. Jeder Unfall ist einer zu viel“, so der Appell des Kreisdirektors. Und er ergänzt: „Auch repressive Maßnahmen der Polizei gehören dazu, die Sicherheit zu erhöhen. Wenn Sie ein Risiko im Straßenverkehr sind, dann müssen Sie Ihren Führerschein wieder abgeben und auf dem Beifahrersitz Platz nehmen.“

Nach den Fahrmanövern, zu denen auch das Bremsen auf nasser Fahrbahn gehört und das Ausweichen vor plötzlich aus dem Boden schießenden Wassersäulen, können die jungen Leute in einem Überschlagsimulator das Gefühl testen, wie es ist, in einem auf dem Kopf stehenden Auto vom Sicherheitsgurt gehalten zu werden. Nicht weniger eindrucksvoll: vergleichende Bremsmanöver, die den jungen Männern und Frauen zeigen, worin der Unterschied zwischen Tempo 50 und Tempo 70 liegt, wenn es um eine Vollbremsung geht. Und Mutige nehmen dann noch im Gurtschlitten Platz, der klarmacht, welche Wucht in einem Aufprall schon mit Tempo 30 steckt – das Tempo, das ein Auto möglicherweise noch draufhat, dessen Fahrer zu schnell war, um rechtzeitig zu bremsen, während der angepasst Fahrende schon sicher steht.