Drolshagen. Die Stadt Drolshagen plant in Hützemert ein neues Flüchtlingsheim. Jetzt steht der Termin für die Infoveranstaltung für die Bürger fest.
Groß war das Interesse an der Sitzung des DrolshagenerAusschusses Bildung, Soziales, Kultur und Sport, als dieser am Dienstag im Musiksaal des Alten Klosters tagte: Über 40 Zuhörerinnen und Zuhörer hatten auf den Besucherstühlen Platz genommen. Fast alle von ihnen waren wegen eines Themas gekommen: dem Bau eines Übergangswohnheims in Hützemert.
- Die Stadt Drolshagen beabsichtigt die Errichtung eines Übergangswohnheimes für geflüchtete Menschen in der Ortschaft Hützemert.
- Sie lädt daher alle interessierten Einwohnerinnen und Einwohner aus Hützemert zu einer Informationsveranstaltung über die geplante Maßnahme ein.
- Die Veranstaltung findet statt am Dienstag, 5. September, um 18 Uhr im Alten Bahnhof Hützemert.
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Kämmerer Rainer Lange ergänzte in der Sitzung die ausführliche Beschlussvorlage mit einem detaillierten Vortrag. Er machte deutlich, der Standort des neuen Flüchtlingsheims sei in einem interfraktionellen Arbeitskreis vorberaten worden, er habe von allen Beteiligten Zustimmung erfahren. Er wisse, dass dies ein „sehr emotional getragenes Thema“ sei, aber die Stadt brauche den Platz. Er erklärte, welche Auflagen die Stadt durch das Flüchtlingsaufnahmegesetz, kurz Flüag, zu erfüllen habe. Er blickte zurück auf 2015/16: Damals habe eine ebenfalls ausgeprägte Flüchtlingssituation geherrscht, damals mit noch weniger Vorlauf für die Stadt als heute, „wir standen mit dem Rücken zur Wand“, damals sei als regelrechter „Befreiungsschlag“ die Beschlagnahme der Sporthalle in der Wünne erfolgt, die von der Bezirksregierung vorübergehend als Zentrale Unterbringungseinrichtung genutzt worden war. „Wir waren mit sofortiger Wirkung für Monate raus aus den Zuweisungen. Das wird es aber so nicht mehr geben.“
Heim in der Wünne ist abgängig
Durch den erneuten Anstieg der Flüchtlingszahlen sei nun dringender Handlungsbedarf entstanden: Das aus mobilen Einheiten gebaute Übergangsheim in der Wünne, über 30 Jahre alt, sei abgängig und könne nur noch zum kleinen Teil genutzt werden. Die Unterkünfte Alte Schule und Jugendhaus in Bleche seien subobtimal, einerseits nur mit hohem Energieaufwand zu beheizen, andererseits durch ihre Lage „nicht günstig für die Untergebrachten: Es gibt keine Einkaufsmöglichkeiten, keine Gesundheitsversorgung, kaum ÖPNV“. Die Stadt setze einen Kleinbus ein, der von Freiwilligen oder Minijobbern gefahren werde, „damit zumindest die Grundversorgung sichergestellt war“. Perspektivisch bleibe der Stadt nichts anderes übrig als diese Standorte durch einen Neubau „an infrastrukturell besser gelegenener Stelle“. Die Stadt sei sich bewusst, dass ein solcher Neubau „äußerst belastend für die ist, die sich auf neue Nachbarn einstellen müssen“. Doch die neuen Container an der Lohmühle seien aus baurechtlichen Gründen höchstens fünf Jahre nutzbar, die interkommunale Unterkunft in Eichhagen, von Drolshagen mitgenutzt, werde mit großer Wahrscheinlichkeit Anfang 2024 aufgegeben. Lange betonte, der eigens einberufene Arbeitskreis habe sich einvernehmlich auf Hützemert geeinigt. „Alle Fraktionen haben mitgewirkt, es ist keine Bürgermeister-Entscheidung.“
Der Bau solle ähnlich erfolgen wie der im Werden befindliche in der Wünne neben dem abgängigen Containerbau: in Trägerschaft der eigens gegründeten Genossenschaft und als energetisch effizienter, attraktiver Massivbau mit großer Nachhaltigkeit. Einigkeit herrsche bei allen Beteiligten, dass die Erschließung des Grundstücks nahe einem Parkplatz der Firma Huhn ausschließlich über die Hauptstraße erfolgen solle.
45 Plätze in Eichhagen
Stellv. Fachbereichsleiter Gerhard Lütticke ergänzte den Vortrag mit aktuellen Zahlen, die die Dringlichkeit der Situation verdeutlichten. So seien allein in Eichhagen derzeit 45 der Stadt Drolshagen zugewiesene Flüchtlinge untergebracht, für die bald Platz benötigt werde. Derzeit würden wöchentlich fünf neue Flüchtlinge zugewiesen. Tim Feldmann von der CDU zeigte sich erschüttert, allerdings nicht über das Vorhaben in Hützemert, sondern die Lage an sich: „Das ist ja ein Fass ohne Boden. Wir werden als Kommune immer weiter belastet und irgendwann geht es nicht mehr. Der Bau in Hützemert bringt uns ja perspektivisch auch nicht wirklich weiter, wir werden schon bald weitere Container brauchen.“ Er schlug vor, die Stadt solle sich mit anderen Kommunen zusammenschließen, um zunächst bei der Bezirksregierung „unsere Nöte vorzutragen“. Vorsitzender Andreas Wintersohl (UDW) relativierte: „Wenn ich andere Kommunen sehe, glaube ich nicht, dass wir schon an der Belastungsgrenze sind.“ Und Rainer Lange erklärte, der Städte- und Gemeindebund sei bereits sehr aktiv. „Der verhandelt permanent, damit das Land selbst Kapazitäten schafft.“ Alle anderen Fragen müssten an anderer Stelle entschieden werden, „aber das sind alles Dinge, die wir nicht beeinflussen können. Wir müssen die Flüag-Zahlen erfüllen, ohne Wenn und Aber.“ Wintersohl erkundigte sich, was aus dem Wohnheim werden könne, falls sich die Flüchtlingslage einmal stark entspanne. Lange erklärte, ein solches Heim werde immer benötigt: Sollte es zu einer Entspannung kommen, werde die Stadt vorrangig die über 20 Wohnungen aufgeben, die derzeit für Flüchtlinge angemietet würden.
Bei der Abstimmung sprach sich die breite Mehrheit des Ausschusses für die Pläne der Stadt aus. Marco Alterauge (CDU) enthielt sich der Stimme, Tim Feldmann (CDU) stimmte dagegen. Nach der weiteren Beratung im Bau- sowie im Haupt- und Finanzausschuss wird abschließend der Rat am 7. September darüber befinden.
Geplant wird, auf einem städtischen, 1500 Quadratmeter großen Grundstück von der Genossenschaft „Wohnraum.Drolshagen“, an der die Stadt beteiligt ist, das Flüchtlingsheim zu bauen. Das Grundstück ist insgesamt 10.000 Quadratmeter groß, die genaue Lage auf der Gesamtfläche wird Teil der Planungen.
Die Stimmung im Ort Hützemert sei „vorsichtig gespannt“, so Ortsvorsteherin Anja Wigger im Gespräch mit unserer Zeitung: „Die meisten haben erst aus der Zeitung von den Plänen der Stadt erfahren. Ich würde mir dringend wünschen, dass wir vor der Ratssitzung eine Bürgerversammlung hinbekommen. Es gibt sehr viele Fragen und Sorgen, denn ein solches Projekt ist für ein Dorf mit 1100 Einwohnern eine große Dimension.“ Es lebten ja auch jetzt schon Flüchtlinge im Ort, aber eben auf mehrere Wohnungen verteil. „Die Gründe, die Herr Lange angeführt hat, sind absolut nachvollziehbar. Dennoch wüssten wir gern, ob es keine Alternative gibt.“