Kreis Olpe. Nach Zins- und Baukostenexplosion ist der nachhaltige Hausbau oder die Sanierung fast unbezahlbar. Was Experten der Branche sagen.

Das Ein- oder Zweifamilienhaus auf dem eigenen Grundstück gehört nach wie vor zu den Lebenszielen vieler junger Menschen - insbesondere in ländlichen Regionen wie dem Sauerland. Angesichts explodierender Zinsen und Baukosten wird es aber immer schwieriger, dieses Ziel zu realisieren, auch vor dem Hintergrund, dass ökologisches, nachhaltiges Bauen politisch gefordert wird. Aber wie bauen Familien eigentlich nachhaltig? Worauf sollte der Bauherr achten? Wir fragen Experten im Kreis Olpe aus der Bau- und Finanzierungsbranche nach ihren besten Tipps.

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Das rät der Finanzfachmann: Oliver Neu, Bankkaufmann und Immobilienfachwirt (IHK): „Im Bereich Neubau gibt es die Fördermöglichkeiten der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit deutlich günstigeren Konditionen für einen klimafreundlichen Neubau – Programm 297. Höchstdarlehensbetrag: 150.000 Euro je Wohneinheit. Familien mit einem durchschnittlichen Einkommen haben die Möglichkeit, über das ,Kreditprogramm 300’ der KfW (Wohneigentum für Familien) einen Teil der Neubaufinanzierung noch günstiger darzustellen als es das Programm 297 ermöglicht. Hier sind Darlehensbeträge von 140.000 Euro bis 240.000 Euro möglich. Eine Kombination beider Programme ist nicht möglich. Alle vorgenannten Beispiele sehen immer eine maximal 10-jährige Zinsfestschreibung vor. Familien mit durchschnittlichem Einkommen haben zudem die Möglichkeit, Darlehen der NRW-Bank aus der Wohneigentumsförderung zu beantragen. Hier hat beispielsweise eine Familie mit zwei Kindern im Bereich Olpe bei Neubau oder Kauf die Möglichkeit, bis zu 189.000 Euro mit einem Zinssatz von 0,5 Prozent zuzüglich 0,5 Prozent Verwaltungskosten zu beantragen.

Immobilienfachwirt aus Olpe: Oliver Neu.
Immobilienfachwirt aus Olpe: Oliver Neu. © Privat

Da für viele Kunden mit durchschnittlichem Einkommen die verhältnismäßig stark gestiegenen Zinsen von mittlerweile mehr als 4 Prozent eine Finanzierung sehr erschweren, geht man durchaus wieder dazu über, ältere Häuser zu kaufen und diese dann zu sanieren. Sollte eine energetische Sanierung vorgenommen werden, bietet sich wieder die KfW mit dem günstigen Programm 261 an. Dort können bis zu 150.000 Euro je Wohneinheit beantragt werden, und im Idealfall gibt es nach Abschluss der Maßnahme einen Tilgungszuschuss von 5 bis zu 45 Prozent. Das KfW-Wohneigentumsprogramm Nr. 124 kann grundsätzlich immer kombiniert werden. Trotz der gestiegenen Zinsen rate ich zu einer längeren Zinsfestschreibung als 10 Jahre, da die Entwicklung aktuell nicht abzusehen ist. Zudem besteht immer ein gesetzliches Sonderkündigungsrecht nach 10 Jahren und 6 Monaten nach Vollauszahlung. Wer noch Liquidität sparen kann, sollte zur Zinsvorsorge einen Bausparvertrag ansparen. Von tilgungsausgesetzten Modellen über einen langen Zeitraum halte ich persönlich nichts, die Gesamtkosten sind dabei sehr hoch. Auch sollte man unbedingt Angebote mehrerer Anbieter einholen, bestenfalls einen unabhängigen Finanzierungsvermittler einschalten, der aus vielen Möglichkeiten die bedarfsgerechte Finanzierung aufbaut.“

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Das rät der Handwerker: Jonas Gerhard, Installateur- und Heizungsbaumeister von der Gerhard GmbH Olpe-Rhode:

„Der Einbau einer Wärmepumpe ist grundsätzlich sinnvoll, aber die Wärmepumpe muss zum Gebäude passen. Bei der Sanierung im Bestand ist darauf zu achten, dass die Heizkörper groß genug sind, andernfalls muss nachgebessert werden. Auch eine Fassadendämmung kann sich lohnen, sowie Fenster mit ausreichendem Wärme-Dämmwert.

Wenn ein Bauherr loslegt, sollte er sich unbedingt vom Fachmann beraten lassen, bevor er auf einen Zug aufspringt und später kostspielige Überraschungen erlebt. Im Neubau empfehlen wir aktuell den Einbau einer Sole- oder Luftwärmepumpe in Verbindung mit einer Fußbodenheizung. Ganz wichtig ist, dass sich Bauherren frühzeitig mit dem Thema Heizung beschäftigen, da unsere Branche derzeit ausgebucht ist. Die Lieferzeiten liegen bei Wärmepumpen derzeit bei 12 bis 14 Monaten, zumindest bei unseren Lieferanten. Bestellt werden kann eine Anlage auch erst dann, wenn ein genehmigter Förderbescheid vorliegt.“ Zum Thema Kosten sagt der Handwerksmeister: „Optimal ist es zwar, eine Wärmepumpe mit einer Photovoltaikanlage zu kombinieren. Für ein durchschnittliches Einfamilienhaus müssen dann aber rund 60.000 bis 70.000 Euro einkalkuliert werden.“

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Das rät der Architekt: Marius Hengstebeck aus Attendorn

„Nachhaltigkeit spiegelt sich nicht nur in der Auswahl von Baumaterialien wider, sondern beginnt schon bei der Entwurfsplanung. So spielt insbesondere die Ausrichtung eines Gebäudes in Verbindung mit der Fensteranordnung eine wichtige Rolle.“ Hier gelte es, beide Komponenten geschickt in Einklang zu bringen. Hengstebecks Tipp: „Ein Gebäude, das eine reine Nord-Süd-Ausrichtung hat, sollte so geplant werden, dass größere Fensteröffnungen auf der Süd- und Westseite angeordnet werden. In Verbindung mit einem außenliegenden Sonnenschutz kann so der in den Sommermonaten erhöhte Wärmeeintrag verhindert und in den Übergangs- bzw. Wintermonaten sinnvoll genutzt werden.“

Nachhaltiges Bauen beschränke sich nicht nur auf die ökologischen Richtwerte eines Hauses, sondern entstehe durch eine strukturierte, sinnvoll angeordnete Raumabfolge eines Gebäudes.

Hier stehe die Halbwertzeit eines Gebäudes im Vordergrund. Der Architekt erklärt, dass ein Gebäude, das erst nach etwa 25 Jahren umgebaut werden müsse, nachhaltig geplant sei. Der Bauherr bzw. Architekt sollte deshalb besonders in der Anfangsphase des Planungsprozesses viel Zeit in den Entwurf investieren. „Hier können die richtigen Entscheidungen wegweisend für den Lebenszyklus eines Gebäudes sein. Jeder Bauherr sollte sich dahingehend im Anforderungsprofil der Aufgabenstellung bewusst sein, welches Ergebnis gewünscht ist. Jeder Umbau kostet Energie, produziert Müll und erfordert weiteren Materialverbrauch.“

Schließlich sei die Materialauswahl entscheidend. Hengstebeck: „Bei der Nachhaltigkeit gilt es auch, das Raumklima zu bewerten. Eine nachhaltig geprägte Architektur spiegelt sich auch in einem guten Raumklima wider. So ist es ratsam, Materialien einzusetzen, die mineralischen Ursprungs sind. Die Verwendung eines mineralischen Innenputzes ist zum Beispiel gut für das Raumklima und erfordert somit keine Lüftungsmaßnahmen. Ebenso verhält es sich bei der Auswahl des Fassadenmaterials. Ein wartungsarmes Fassadenmaterial, das selten oder im besten Fall keine Nachbearbeitung im Lebenszyklus eines Gebäudes erfahren muss, ist als nachhaltiges Bauen zu werten.“