Ennest. Mohamend Diawara lebt seit drei Jahren in der Notunterkunft Ennest. Er ist integriert und arbeitet. Trotzdem wird er immer wieder abgewimmelt.

Mohamed Diawara sitzt in seinem Fernsehsessel. Ein altmodisches Möbelstück. Eichenholzgestell, hellgrünes Polster mit undefinierbarem Muster, verblichen. „Den habe ich mir gekauft. Und den würde ich gerne mitnehmen“, sagt der 25-Jährige. Der Sessel ist eines der wenigen Möbelstücke, das ihm gehört. Mohamed Diawara wollte schon längst hier ausgezogen sein. Auf eigenen Beinen stehen, sich einen eigenen, kleinen Rückzugsort einrichten. Seit über drei Jahren sucht er eine Wohnung. Seit über drei Jahren wird er vertröstet. Oder ignoriert.

25-Jähriger lebt seit Jahren in der Notunterkunft in Attendorn-Ennest

Mohamed Diawara ist 2014 aus Guinea geflohen. Zu dem Zeitpunkt war er 16 Jahre alt. Er kam zunächst nach Wenden, in eine Wohngruppe für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, später dann in die Notunterkunft in Ennest. Er hat Deutsch gelernt und in vielen Fußballvereinen als Mittelfeldspieler gespielt, zum Beispiel bei der SG Lütringhausen/Oberveischede, beim SV Türk Attendorn oder beim SV Heggen. Bei Elektrohandel Wandelt im Ennester Industriegebiet hat er 2021 seine Ausbildung zum Fachlageristen abgeschlossen. Die Firma hat ihn im Anschluss direkt übernommen. „Die Arbeit gefällt mir sehr gut. Die Kollegen sind nett“, sagt Mohamed Diawara. Er hat sich integriert. Aber: Er fühlt sich nicht integriert.

Der Wohncontainer in Ennest bietet Platz für 18 Wohneinheiten.
Der Wohncontainer in Ennest bietet Platz für 18 Wohneinheiten. © Britta Prasse | Britta Prasse

Ein charakterloser Wohncontainer zwischen Einfamilienhäusern und Feldern. Darin: ein langer schmaler Flur mit durchnummerierten Zimmertüren. Mohamed Diawara wohnt hinter der Nummer 16. Ein rechteckiger Raum nicht viel größer als ein Kinderzimmer, Wandpaneele in Plastik-Optik und graugesprenkelter PVC-Boden. Unter dem Fenster steht ein Gitterbett mit dünner Matratze, davor ein kleiner Unterschrank mit Fernseher, den sich Mohamed Diawara selbst gekauft hat. In der gegenüberliegenden Ecke gibt es einen kleinen Kühlschrank, darauf eine Kapsel-Kaffeemaschine. Ein Tisch mit Stuhl, ein Kleiderschrank und ein Regal vervollständigen die Einrichtung. Nichts ist stiltechnisch aufeinander abgestimmt.

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Küche und Badezimmer teilt sich Mohamed Diawara mit den anderen Bewohnern des Containers. Die Gemeinschaftsräume sind provisorisch, trostlos, dreckig. An der Pinnwand im Flur hängt noch der Putzplan vom September 2022. „Ich habe zwischendurch mal geputzt, obwohl ich nicht dran war. Aber...“ – Er klingt resigniert. In der Ecke einer Dusche liegt eine Boxershort, die Ablage über den Waschbecken ist übersäht mit Einmalrasierern. Plattgetretene Zigarettenstummel liegen in schwarzen Schlieren, die sich über den Boden ziehen. In der Notunterkunft ist Rauchen nicht erlaubt. „Manche machen es trotzdem“, sagt Diawara.

Das Gemeinschaftsbad ist verdreckt.
Das Gemeinschaftsbad ist verdreckt. © Britta Prasse | Britta Prasse

Es gab durchaus Menschen, die Mohamed Diawara geholfen haben. Sozialarbeiter, zum Beispiel vom Katholischen Jugendwerk oder vom Kreis selbst, die versucht haben, ihm eine Wohnung zu vermitteln. Bislang erfolglos. Und auch der 25-Jährige selbst schaut regelmäßig in Anzeigen-Portalen, ob eine kleine, bezahlbare Wohnung in Attendorn und Umgebung frei ist. Einmal wurde er zu einem Besichtigungstermin eingeladen. Es gab zwischen 50 und 60 Interessenten, schätzt Diawara. Die Wohnung bekam er nicht. „Der Vermieter meinte, man müsste ein Auto haben, wenn man hier wohnen würde“, erinnert sich Diawara. Die Wege zum nächsten Supermarkt seien sonst zu lang. In den meisten Fällen bekommt er jedoch gesagt, dass die Wohnung schon vergeben sei. Oder ihm wird erst gar nicht geantwortet. Wütend oder ungeduldig ist Diawara nicht. „Ich bin enttäuscht“, sagt er.

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Der 25-Jährige hat keine hohen Ansprüche an eine Wohnung. Er wünscht sich eine Wohnung, vielleicht 45 bis 50 Quadratmeter groß, mit eigenem Badezimmer und eigener Küche. „Dann hätte ich meine Ruhe. Auch, um meine Zukunft planen zu können.“ Wie er sich seine Zukunft vorstelle? Arbeiten. Und weiter? Das könne er momentan nicht sagen. Vieles sei so unsicher. Er möchte nicht weiter enttäuscht werden.

Alleinstehende Männer mit Migrationsgeschichte haben es schwer

Bei der Infoveranstaltung zum „Housing First“-Konzept in dieser Woche war auch Mohamed Diawara im Kreishaus eingeladen. In diesem Rahmen gab ihm Sozialarbeiterin Britta Weiße die Gelegenheit, seine Situation zu schildern. Mit einem Kontakt, der Hoffnung macht: Denn auch Vertreter der Wohnungsgenossenschaft waren vor Ort. Eventuell gebe es eine passende Wohnung in Schwalbenohl. Am kommenden Montag wird ein Vorgespräch stattfinden. „Ob dabei eine Wohnung besichtigt werden kann und gegebenenfalls welche, dazu liegen dem Kreis Olpe noch keine Informationen vor“, sagt Stefanie Gerlach, Pressesprecherin des Kreises. Generell sei der Wohnungsmarkt angespannt, das gelte auch für günstigen Wohnraum. „Ein alleinstehender junger Mann muss gegenüber anderen Interessierten dann oft zurückstehen. Auch ist es für Menschen mit Migrationsgeschichte oft schwerer als für andere, eine Wohnung zu finden“, so Gerlach.

Trotz allem: Mohamed Diawara hofft. „Man muss positiv bleiben“, sagt er.