Kreis Olpe. Gesundheitsexperten sind im Hinblick auf die Cannabis-Freigabe auch im Kreis Olpe zwiegespalten. Sie kann eine Chance sein – aber auch gefährlich.
Cannabis-Freigabe oder nicht? Eine Frage, die auch die Fachleute im Kreis Olpe umtreibt. Die Bandbreite der Meinungen ist riesig: Sie reicht von überzeugter Ablehnung bis hin zu weitgehendem Verständnis.
Suchtberatungsstelle in Attendorn begrüßt die Entkriminalisierung
In der Suchtberatungsstelle der Caritas-AufWind Attendorn ist Cannabis der zweithäufigste Grund, warum Betroffene Hilfe suchen – nach Alkohol. Dementsprechend ist das Team für das Thema sensibilisiert. „Wir haben in der Vergangenheit immer wieder Pro und Contra abgewogen. Letztendlich ist es, denke ich, aber ein Stück weit eine persönliche Einstellung“, meint Nils Lüke, Diplom-Sozialarbeiter bei der Attendorner Suchtberatung. Er selbst zählt sich eher zu den Befürwortern der Legalisierung. „Ich glaube zwar nicht, dass man dadurch den Schwarzmarkt komplett ausdünnen kann. Aber man könnte so etwas wie einen Verbraucherschutz hinbekommen, wenn es unter staatlicher Kontrolle steht.“ In den vergangenen Jahrzehnten seien Cannabispflanzen nämlich häufig so hochgezüchtet worden, dass sie einen besonders hohen Wirkstoffgehalt aufweisen. Gleichzeitig werde Suchtstoffen auf dem Schwarzmarkt andere Substanzen beigemischt. „Ich weiß von Menschen, die wir beraten, die Blei dazu mischen, um das Cannabis schwerer zu machen, um es so zu einem höheren Preis verkaufen zu können“, sagt Lüke. Eine lebensgefährliche Praxis. Genau das könnte eine Entkriminalisierung und eine damit verbundene staatliche Kontrolle unterbinden.
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Trotzdem kann Nils Lüke auch die Bedenken einer Cannabis-Legalisierung verstehen. Dadurch gebe es kaum mehr eine abschreckende Wirkung. Dementsprechend wichtig sei auch die kontrollierte Abgabe, „dass man sich Cannabis nicht einfach im Supermarkt holen kann wie Tabak oder Alkohol“. Auch die Altersgrenze sei entscheidend. „Weil es eine psychoaktive Substanz ist, die im Gehirn wirkt, finde ich es durchaus riskant, wenn Cannabis von Jugendlichen oder jungen Erwachsenen konsumiert wird, bei denen die Hirnreifung noch nicht abgeschlossen ist.“ Er befürwortet eine höhere Altersgrenze, zum Beispiel mit 21 Jahren.
Allgemeinmediziner aus Olpe lehnt Cannabis-Legalisierung strikt ab
„Ich bin absolut dagegen“, lässt Dr. Martin Junker, Allgemeinmediziner aus Olpe und Chef der Kassenärztlichen Vereinigung u. a. für den Kreis Olpe, keinen Zweifel an seiner ablehnenden Haltung: „Es ist völliger Schwachsinn.“ Das Gesundheitswesen kämpfe schon gegen Nikotin und Alkohol, teilweise mit zu wenig Engagement, und dann wolle man jetzt noch ein weiteres Suchtmittel freigeben? „Aus ärztlicher Sicht ist das völlig abzulehnen.“ Gerade bei Jugendlichen seien Spätfolgen mit Blick auf Hirnveränderungen zu befürchten. Die Politik schiele mal wieder nur auf den Mainstream und lasse sich von Minderheiten lenken. „Dass sich auch die FDP dafür stark macht, ist ein Trauerspiel.“
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Der Olper Apotheker Ulf Ullenboom, Vorsitzender des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe, Bezirksgruppe Olpe, äußert sich differenziert: „Früher gab es den Spruch: Kiffen macht doof. Das sagt schon viel aus.“ Die Suchtgefahr sei möglicherweise weniger stark ausgeprägt wie beim Alkohol, aber die langfristigen Nebenwirkungen gravierender. Zudem sei völlig unklar, wie der Kauf und der Konsum zu regeln sei. „Es sollte auf jeden Fall ähnlich wie ein freies Arzneimittel, aber mit einem festgesetzten Preis, gehandelt werden und nur über Apotheken. Diesen Preis solle auch niemand unterschreiten dürfen. Die Drogen sollten jedenfalls nicht in jedem Lädchen an der Ecke erworben werden können. Das sorge zumindest teilweise für eine gewisse Kontrolle, auch, was die Qualität der Cannabis-Produktes betreffe.
Apotheker aus Drolshagen stellt medizinisches Cannabis selbst her
Sein Kollege, Apotheker Dr. Christian Kirchhoff aus Drolshagen, berichtet von einem kuriosen Zufall: „Ich war im Herbst letzten Jahres auf dem Apothekertag in München und fuhr mit dem Zug dorthin. Und wie der Zufall es will, saß ich dem Vertreter eines Cannabisproduzenten gegenüber, der sich mit Blick auf die jetzt gefällte Entscheidung unglaublich freute.“ Minister Lauterbach, bemängelt Kirchhoff, habe erneut „etwas in die Welt gesetzt“, ohne konkret zu formulieren, wie es umgesetzt werden solle: „Zunächst geht es um den Besitz von bis zu 25 Gramm, der nicht mehr strafbar sein soll. Aber was ist mit dem Vertrieb?“ Solle es von speziellen Shops verkauft werden oder doch von den Apotheken. Auf die Frage, ob er es in seiner Apotheke verkaufen würde, sagt Kirchhoff: „Wir verkaufen ja auch keinen Alkohol oder Tabak. Deshalb wäre es sinnvoller, es in legalen Shops zu machen.“ Vom Arzt verschriebene Cannabisprodukte, so Kirchhoff, gebe er heraus, stelle das Endprodukt sogar selbst her. „Beispielsweise für Multiple Sklerose-Patienten kann das hilfreich sein. Wir besorgen uns dann die Rohstoffe und stellen es her.“ Dabei handle es sich nicht um die rauchbare Variante, sondern um eine flüssige Lösung mit dem Wirkstoff Dronabinol. „Das sind sogenannte ölige Dronabinol-Tropfen. Die erhält der Patient mit einer speziellen Dosier-Vorrichtung und kann dann zum Beispiel zwei oder drei Tropfen konsumieren.“ Kostenpunkt: Für 20 Milliliter würden rund 250 Euro fällig, ausreichend für drei bis sechs Monate. Mit Rezept übernehme die Krankenkasse diese Kosten.
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Rechtsanwalt aus Olpe zweifelt an der Verantwortungsfähigkeit
„Es ist letztlich die erneute Frage an die Verantwortungsfähigkeit der Menschen. Da habe ich meine Zweifel im Hinblick auf den legalen Alkohol- und Nikotinkonsum“, meint Rechtsanwalt Klaus Hesse aus Olpe. Überzeugen könnten ihn aber gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse aus Holland bezüglich überwiegend positiver Wirkungen, so der Rechtsanwalt aus Olpe: „Bei einer Legalisierung müsste man den einzigen, aber schweren Fehler der Holländer vermeiden, nicht zu kontrollieren, wo das Cannabis herkommt. Dann wäre ich für eine Legalisierung.“