Grevenbrück/Kreis Olpe. Drei Mediziner aus Lennestadt praktizieren ab 2024 als angestellte Ärzte unter einem Dach. Das neue Modell soll vor allem junge Ärzte anlocken.

„Es war ein Marathon, aber jetzt sind wir auf der Zielgeraden“, sagt Stefan Schauerte, Erster Vorsitzender von Grevenbrück Aktiv. Schon Ende des Jahres soll am Standort „Alte Post“ in Grevenbrück das erste Hausarztzentrum (HNA) in Lennestadt und Umgebung seinen Betrieb aufnehmen. Auf insgesamt 400 Quadratmetern im Erdgeschoss eines Neubaus am Bahnhofsplatz 3 wird eine hochmoderne Praxis für tausende Patientinnen und Patienten entstehen, dazu kommen 100 qm Sozialräume im ersten Obergeschoss. Die Allgemeinmediziner Dr. Andreas Umlauf (Bilstein) und Dr. Eberhard Hertin (Grevenbrück) sowie Dr. Anette Asbach (Elspe) werden ihre Selbstständigkeit aufgeben und als angestellte Ärzte bzw. Ärztin in das neue HNA wechseln, zusammen mit ihren Praxisangestellten.

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Betreiber wird die von einem Arzt geleitete „Hausarztzentrum Sauerland GmbH“, ein Tochterunternehmen der familiengeführten Prange Gruppe aus Plettenberg. Diese betreibt bereits seit 2020 ein Hausarztzentrum in Plettenberg. Die Ärzte in Grevenbrück müssen sich künftig nur noch um die medizinischen Belange kümmern, um alles andere wie Verwaltung, Rechnungswesen, Technik oder Datenschutz kümmert sich die Betreibergesellschaft. Dies ist der große Unterschied zu „normalen“ Gemeinschaftspraxen.

Für Stefan Schauerte und Jürgen Dolle, die sich seit Jahren intensiv mit der hausärztlichen Versorgung im Raum Grevenbrück beschäftigen, ist das neue Konzept der einzige Weg, um die medizinische Grundversorgung im gesamten Veischede-, Elspe- und Lennetal zu sichern. Das Konzept soll gerade für junge und auswärtige Mediziner genug Anreize bieten, in das neue Hausarztzentrum einzusteigen, um sich losgelöst von Bürokratie und Verwaltungsaufgaben bei festen Arbeitszeiten einzig und allein auf ihren Traumberuf „Arzt“ konzentrieren zu können.

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Mit sechs Behandlungszimmern

Sechs Behandlungszimmer sind im neuen Hausarztzentrum vorgesehen, denn neue Ärzte werden in den nächsten Jahren dringend benötigt. Von derzeit 19 praktizierenden Hausärzten/innen in Lennestadt haben 12 bereits die Altersgrenze 60 überschritten (63 Prozent) und werden in den nächsten Jahren ausscheiden. In den Nachbarkommunen Kirchhundem und Finnentrop sind es 50 Prozent.

Einer der wenigen, der das Thema im Focus behielt, war Stefan Schauerte, der schon 2016 vor einer kommenden hausärztlichen Unterversorgung gewarnt hatte. Gespräche auf allen möglichen Ebenen, auch mit der Stadt, die einen Headhunter für die Suche nach neuen Ärzten engagierte, blieben erfolglos. Ende 2018, als die Praxis Dr. Beckmann/Dr. Wilbrand in Grevenbrück schloss und sich mehr als 1000 Patientinnen und Patienten eine neue Hausarztpraxis suchen mussten, wurde deutlich, wie dringend eine Lösung des Problems vonnöten ist.

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Der „Medizin-Check“, die großangelegte Befragung dieser Zeitung zur medizinischen Versorgung im Kreis Olpe, zeigte, dass sich viele Bürger des Problems durchaus bewusst sind (siehe Zitate).

Anfang 2022 hatte Stefan Schauerte Kontakt zur Prange-Gruppe auf, die schon in Plettenberg drei Hausarztpraxen zusammengefasst hatte, so wie es nun in Lennestadt geplant ist. In den letzten Monaten und Wochen ging es darum, die verschiedenen Akteure, Immobilienbesitzer, Investor, Betreiber und auch die Stadt mit ins Boot zu holen. Denn für die Finanzierung der (Bau-)Infrastruktur fehlten 387.000 Euro. Die Vorsitzenden von Grevenbrück Aktiv stellten das Projekt Ratsfraktionen und Verwaltung vor und baten erfolgreich um Unterstützung. Am Mittwochabend beschloss der Stadtrat einstimmig, den Fehlbetrag zu übernehmen.

Nicht alle werden Beifall für die Konzentration von drei Ärzten an einem Standort klatschen, immerhin verlieren die Orte Bilstein und Elspe eine Hausarztpraxis vor Ort. Stefan Schauerte dazu: „Auch, wenn es im ersten Moment für einige Menschen gewöhnungsbedürftig sein kann, den Hausarzt nicht mehr unmittelbar vor Ort zu haben, ist es immer noch besser, einen etwas längeren Weg zu einem Hausarztzentrum zurückzulegen als in die nächste Stadt reisen zu müssen.“