Attendorn. Ausgerechnet an den ehemaligen Hoesch-Hallen, die Platz machen für einen Uni-ähnlichen Campus, endet mit Norbert Schäfers Abschied eine Ära.

Der letzte Schuhmacher Attendorns schließt am 31. März seine Eingangstür. Dann gibt es von diesem ehrbaren Beruf keinen Vertreter mehr in der Hansestadt. Früher gab es in Attendorn noch etliche Schuhmacher, die ihr Handwerk ausübten. Momentan vertritt noch der gelernte Schuster Norbert Schäfer mit seinem „Multi-Expreß“ in seiner kleinen Werkstatt vor den alten Hoesch-Hallen (der Begriff ist markenrechtlich geschützt, korrekter Name: Hallen am Wassertor) seine Zunft. Hier befanden sich laut Dieter Auert seinerzeit das letzte Portiershäuschen, der Schrankenwärter und die Stempeluhr für die Hoesch-Mitarbeiter. Doch die Schuster-Ära geht nun zu Ende.

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Bis Ende 2024 hätte Norbert Schäfer noch an der jetzigen Stelle weitermachen können. Die Stadt hat die ehemaligen Hoesch-Hallen bekanntlich von Unternehmer Hermann Selbach erworben und wird Mitte des Jahres Eigentümerin. Perspektivisch soll der Industrie-Komplex einem Uni-ähnlichen Campus weichen. „Ich kann von dem Schuh- und Schlüsseldienst nicht mehr leben. Bis Ende nächsten Jahres weiterzumachen, wäre nicht tragbar gewesen“, sagt der 57-Jährige. Die Stromkosten haben sich verdoppelt, die Heizkosten verdreifacht und die Materialkosten sind auch immer teurer geworden, nennt uns der Schuster einige Preistreiber.

Wegwerfmentalität sorgt für Umsatzrückgang

Wegen der heutigen Wegwerfmentalität sind die Umsätze immer weiter zurückgegangen. Klaus Walter Hoberg, der damalige Besitzer des Schuhhauses Hoberg, hat ihm die Schuhreparaturen, die bei ihm abgegeben wurden, zukommen lassen. Das entfiel, nachdem Hoberg sein Schuhgeschäft schloss. Sein Kundenklientel sind Bürger im Alter 40 Plus. Jüngere kamen nur sehr selten in seine Reparaturwerkstatt. Siegerpokale und Ehrenpreise, die er als zusätzliches Geschäft anbot, laufen nicht mehr. Diese würden heute direkt im Internet bestellt. Früher habe er die Pokale auch mit Gravur versehen, doch seine Graviermaschine funktioniert nicht mehr vernünftig, sie ist in die Jahre gekommen.

Das Nachmachen von Schlüsseln sollte verloren gegangene Umsätze ausgleichen. Das sind derzeit die noch vorhandenen Rohlinge.
Das Nachmachen von Schlüsseln sollte verloren gegangene Umsätze ausgleichen. Das sind derzeit die noch vorhandenen Rohlinge. © Meinolf Lüttecke

Nobert Schäfer ist in der ehemaligen DDR großgeworden und kommt aus Ost-Berlin. Eine dreijährige Lehre zum Schuhmacher absolvierte er bei der Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) „Hans Sachs“ in Ost-Berlin. In der DDR wurde bis 1989 der überwiegende Teil der Handwerker in Produktionsgenossenschaften zusammengeschlossen. Das Ziel war, die Entwicklung eines freien und selbstständigen Handwerks zu begrenzen. In Ost-Berlin gab es bei der PGH ca. 300 Beschäftigte in verschiedenen Produktionsstätten. Norbert Schäfer erzählt von seiner früheren Tätigkeit, dass die PGH auch Marschschuhe für die oberen 10.000 gefertigt habe. „Denn die konnten das bezahlen.“

Maßstiefel für Armeegeneral

Er selbst fertigte für den damaligen Armeegeneral Heinz Hoffmann Maßstiefel an. Die Genossenschaft produzierte auch für den Westen und belieferte unter anderem den Otto-Versand. Bis Ende 1989 habe Norbert Schäfer bei der Genossenschaft gearbeitet, dann sei er gegangen. Nach Attendorn ist er im Januar 1990 alleine gekommen. Hier lernte er seine spätere Frau kennen, heiratete und Sohn und Tochter vervollständigten die Familie. 31 Jahre war er verheiratet, doch seine Frau verstarb im vergangenen Monat. Sein Wohnsitz ist in Altfinnentrop, wo er ein 1902 gebautes Haus kaufte.

Drei Schuhmacher im Kreis

Im gesamten Kreis Olpe gibt es derzeit noch drei Schuhmacher, die Reparaturen durchführen. Der Mitgliederschwund in der Schuhmacher-Berufsorganisation ist schon sehr deutlich.Der frühere Kirchenküster Josef Hormes (+) hat sich einmal die Mühe gemacht und die Schuhmacher in einer Liste aufgeführt, die nach 1930 in Attendorn den Handwerksbetrieb aufgaben: Hermann Dahlhoff, Grafweg, Paul Plugge, Im Sackhof, Bernhard Bröcher, Breite Techt, Franz Hormes, Truchseßgasse, Josef Scherer, Schüldernhof, Franz Graf, Niederste Straße, Josef Arens, Breite Techt, Paul Hoberg, Schüldernhof, Alfred Kemmerich, Schüldernhof, Franz Rauterkus, Ennester Straße, Norbert Wüseke, Schemperstraße, Albert Zacker, Kehlberg, Anton Bieker, Neumarkt, Paul Wacker, Kölner Straße und Ferdinand Henze, Grafweg.

Insgesamt 22 Jahre bot er Schuhreparaturen in Attendorn an. Zunächst im Bereich des Globus-Marktes, dann im Allee-Center und in den letzten zwölf Jahren am Wassertor. Ein Ausgleich war für ihn und seine Tochter in der Karnevalszeit das Wagen bauen bei der Karnevalsgruppe „WIZIKO“. Was der 57-Jährige zukünftig machen wird, steht derzeit nicht fest. Er habe einige Angebote. Bis zum 31. März können die reparierten Schuhe noch bei „Multi-Expreß“ abgeholt werden.