Kreis Olpe. Die giftigen Industriechemikalien sind auch im Kreis Olpe nachgewiesen worden. Wie gefährlich sind die Werte für die Menschen vor Ort?
Das sogenannte Jahrhundert-Gift PFAS (früher PFT) ist nach einem Vorstoß des Rechercheverbundes Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten. Die Industriechemikalien sind langlebig und wirken potenziell gesundheitsschädlich. Auch Regionen im Kreis Olpe sind als möglicherweise von der Chemikalie belastet genannt worden.
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Zwei den Kreis betreffende Stellen leuchten auf der interaktiven Karte der ARD gelb auf, was ein PFAS-Vorkommen bedeuten soll: einmal in Finnentrop, einmal unmittelbar an der Kreisgrenze oberhalb der Listertalsperre. Beide Angaben beziehen sich auf PFAS-Spuren in Gewässern: 43 Nanogramm in der Lister, 28 Nanogramm in der Bigge – gemessen allerdings in den Jahren 2010 bzw. 2011. Die Werte stammen vom Ruhrverband, der sie dem Rechercheverbund auf Nachfrage zur Verfügung gestellt hatte. Das bestätigte Markus Rüdel, Pressesprecher des Ruhrverbands, auf Anfrage dieser Redaktion.
Ruhrverband stellte aufwendige Analysen vor Jahren ein
Aktuellere Messungen seien in dem betroffenen Bereich seitens des Ruhrverbandes nicht vorgenommen worden, so Rüdel. „Derartige Untersuchungen gab es zu Beginn der ersten PFT-Funde im Jahr 2006 und auch noch in einigen Folgejahren. Aufgrund der unauffälligen Befunde, die eine übliche Belastung widerspiegeln, und des hohen Aufwands derartigen Analysen wurden sie eingestellt“, erklärt Rüdel. Lediglich entlang der Ruhr, an insgesamt 13 Stellen, werden einmal im Monat Gewässerproben entnommen und auf rund 350 Einzelverbindungen untersucht. Der Analyseaufwand ist dementsprechend hoch. Dabei seien, so Rüdel, die Entnahmestellen an der Ruhr so gewählt, dass sie Rückschlüsse darüber geben können, wie es um die Qualität der Zuflüsse bestellt ist. Die von NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung aufgegriffenen PFAS-Werte in der Bigge bzw. in der Lister seien laut Rüdel als „Hintergrundbelastung“ zu bezeichnen. „Eine derartige Belastung wird man in fast allen Gewässern in Deutschland in dieser Größenordnung vorfinden.“ Die Werte lägen sogar unter dem nochmals verschärften Grenzwert der Trinkwasserverordnung, der 2023 auf 100 Nanogramm pro Liter festgesetzt wurde. Dennoch befürwortet der Ruhrverband ein Verbot der PFAS-Stoffgruppe. Rüdel: „Schwer abbaubare, gesundheitlich bedenkliche Stoffe sollten nicht in die Umwelt eingebracht werden.“
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Die Landesanstalt für Umwelt, Natur- und Verbraucherschutz (LANUV) NRW kann laut eigener Aussage die angegebenen Werte des Recherchekollektivs nicht ganz nachvollziehen. Sie selbst verweist auf eine Messung aus dem Jahr 2019, in der sie die Bigge in Finnentrop zuletzt beprobt habe. LANUV-Pressesprecherin Birgit Kaiser de Garcia erklärt, dass dazu 40 Messergebnisse vorlägen. „Bei keiner der Proben konnten PFAS-Verbindungen nachgewiesen werden. An der Listertalsperre in Meinerzhagen wurden 2021 34 Proben untersucht. Auch hier lagen alle Ergebnisse unterhalb der Nachweisgrenze“, so Kaiser de Garcia.
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Unverständnis und Kritik löst die Art der Berichterstattung bei zahlreichen Papierfabriken aus, die in einer interaktiven Onlinekarte als mögliche Verwender der Chemikaliengruppe dokumentiert worden sind. So auch die Firma Grünewald Papier in Hofolpe. Firmenchef Dr. Christopher Grünewald stellt im Gespräch mit unserer Redaktion jedoch klar, dass PFAS bei der Produktion in seinem Betrieb nicht eingesetzt werde: „Ich kann in diesem Punkt völlige Entwarnung geben. Wir haben da überhaupt nichts mit zu tun. Wir setzen PFAS weder ein noch haben wir es je eingesetzt.“ Grünewald erklärte zudem, wie der Rechercheverbund dazu gekommen sei, eine Karte zu produzieren, auf der dann auch Hofolpe und die Firma Grünewald auftauche: „Es sind Branchen identifiziert worden, die potenziell etwas mit PFAS zu tun haben könnten.“ Dazu gehöre auch die Papierindustrie: „Weil es Papierfabriken gibt, die solche Produkte herstellen, haben die Autoren kurzerhand alle 1424 Papierfabriken in ganz Europa als mögliche Orte für PFAS-Verschmutzungen in diese Karte eingetragen.“ Bei der Produktion in Hofolpe gebe es überhaupt keinen Grund, PFAS einzusetzen, um beispielsweise fettabweisende Effekte zu erzielen: „Wir produzieren bei uns ausschließlich reine, unbeschichtete Rohpapiere, unter anderem für Bäckereien oder Papiertischdecken.“ Auf der Homepage von Grünewald Papier seien die Einsatzgebiete nachzulesen.
Papierfabriken unter Generalverdacht? „Es ist eine Frechheit“
Grünewalds Fazit: „Es ist eine Frechheit, uns ohne jeden konkreten Hinweis auf diese Art und Weise aufzulisten.“ Unter dem Begriff „mutmaßlich“ würden alle Papierfabriken unter Generalverdacht gestellt. Grünewald ist u. a. Vizepräsident des Branchenverbandes „Die Papierindustrie“, in dem 105 Unternehmen zusammengeschlossen sind. Gregor Geiger, Pressesprecher des Verbandes, erklärte auf Anfrage: „Wir haben in Deutschland etwa 150 Produktionsstandorte für Papier, Karton und Pappe. Wir sind nicht ganz sicher, schätzen aber, dass es zwei oder drei Unternehmen gibt, die PFAS noch im Produktionsprozess einsetzen, im zugelassenen Rahmen.“ Aber auch diese Unternehmen arbeiteten daran, ganz auf PFAS zu verzichten: „Das ist ein auslaufendes Modell.“
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Dass PFAS auch in Löschschaum von Feuerwehren auftaucht, ist dort kein Geheimnis. Christian Hengstebeck, Leiter der Olper Feuerwehr, relativierte im Gespräch mit unserer Zeitung jedoch, dass dies in erster Linie ein Problem von Flugplatzwehren sei: „Es wurde beim Löschen von brennbarer Flüssigkeit eingesetzt, also beim Treibstoff von Flugzeugen, weil dieser mit Fluor versetzte Schaum hervorragende Lösch-Eigenschaften bei der Bekämpfung von Flüssigkeitsbränden hat.“ Die Verantwortlichen seien sich offenbar nicht bewusst gewesen, dass von diesen Chemikalien eine solche Umweltgefährdung ausgehe. Hengstebeck zur Situation vor Ort: „Für die Olper Feuerwehr kann ich die Hand ins Feuer legen, dass es mindestens in den vergangenen zehn Jahren nicht eingesetzt worden ist.“ Dass PFAS-belasteter Löschschaum in früheren Zeiten im Kreis Olpe stellenweise eingesetzt worden sei, könne er nicht völlig ausschließen, da er als außerordentlich wirksam vermarktet worden sei. Heute sei er weitgehend verboten.
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Die Kreisverwaltung verfolgt die Berichterstattung mit großem Interesse: „Die PFAS-Problematik ist dem Fachdienst Umwelt des Kreises Olpe seit geraumer Zeit bekannt. Der Kreis Olpe behandelt die Problematik entsprechend der geltenden Vorschriften. Allerdings liegen beispielsweise im Bereich Bodenschutz für PFAS noch keine Vorsorge-, Prüf- und Maßnahmenwerte der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) vor.“ Entsprechende rechtliche Regelungen (Richtlinien; Grenz-/Schwellenwerte) würden in aktuellen Forschungsprojekten entwickelt. „Die PFAS-Problematik und der Umgang damit wird die Gesellschaft und auch den Kreis Olpe in Zukunft nach hiesiger Bewertung intensiv beschäftigen.“