Thieringhausen. Silvia Radau arbeitete teilweise bis in die Nacht. Sie wollte weg vom Performance-Druck und kündigte. Heute ist sie glückliche Unternehmerin.
Es ist ein Tag wie jeder andere. Von einem Termin zum anderen hetzen, eine Aufgabe nach der anderen abarbeiten. Am besten parallel, um Zeit zu sparen. Im Körper macht sich ein diffuses Gefühl breit. Eine Mischung aus Anspannung, Nervosität, Wut und der stillen Frage „warum mache ich das eigentlich?“ Ein Gefühl, das man im Alltag gerne unterdrückt, um zu funktionieren. Auch Silvia Radau (43) hat dieses Gefühl lange unterdrückt. Bis zu dem einen Tag, auf dem Weg zur Arbeit. Ihre Gedanken rasen. Bis sich einer immer mehr herauskristallisiert: Möchte ich so wirklich weitermachen?
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„Ich bin Mediengestalterin geworden, weil es mein absoluter Traumberuf war“, sagt Silvia Radau aus Thieringhausen. Schon als Kind war sie sehr kreativ und hat gerne gezeichnet. Als sie nach der Kunstschule schließlich bei einer großen Agentur in Siegen anfangen durfte, ging damit ein großer Wunsch in Erfüllung. Und es lief vermeintlich gut. Sie bekam immer mehr Verantwortung für Projekte. Unter anderem für das Design und Layout einer Zeitschrift. Zusätzlich zu ihren alltäglichen Aufgaben. „Abends kam der Pizzabote ins Büro. Ich habe teilweise bis in die Nacht hinein gearbeitet“, erzählt Radau.
Sie fühlt sich zunehmend gestresst. Und verlangt von sich selbst kreative Glanzleistungen. „Das hat mich wirklich sehr unter Druck gesetzt: Möglichst kreativ und einzigartig zu sein, für jedes Projekt aber nur ein begrenztes Zeitfenster zu haben.“ Deadlines rücken immer mehr in den Fokus. Sie merkt, dass sie andere Werte und Überzeugungen hat als die, die in ihrem Arbeitsumfeld gelebt werden. Sie versucht mitzuziehen, sich anzupassen. Was sollen sonst die anderen denken? Eine Weile versucht sie zu funktionieren. Bis sie einen Schlussstrich zieht und kündigt. Sie fängt in einer anderen Agentur an, in der sie wieder stärker in die Fotografie eingebunden werden soll. „Mir wurde vieles versprochen. Am Ende arbeitete ich überwiegend fürs Verpackungsdesign.“ Pragmatisch statt schöpferisch. „Ich habe mich wie ein Dreieck unter Kreisen gefühlt. Ich habe mich immer gefragt, warum ich anders bin. Warum die anderen offenbar besser mit der Ellenbogengesellschaft klarkommen als ich.“
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Silvia Radau kündigte und machte sich mit einem Fotostudio selbstständig. Bei den Familien- und Neugeborenen-Shootings bekam sie die Wertschätzung und Dankbarkeit, die sie sich schon vorher als Mediengestalterin gewünscht hatte. „Aber ich habe schnell gemerkt, dass ich mir quasi mein eigenes Hamsterrad erschaffen hatte“, blickt sie zurück. Am Wochenende Shootings, unter der Woche Bilder bearbeiten. Für ihre zwei Kinder, ihren Mann, ihr Pferd und ihren Hund blieb nicht so viel Zeit übrig, wie sie gerne gehabt hätte. Der Tausch „Zeit gegen Geld“ machte sie nicht glücklich.
Network-Marketing für Frische-Kosmetik aus Österreich
Ein Buch zum Thema Network-Marketing hat für sie jedoch alles verändert. „Es war der Schlüssel“, meint Radau. Sie begann, ihre Glaubenssätze zu hinterfragen. Und kam zu dem Schluss: Sie will etwas anderes. „Ich wollte meinen Tag so gestalten, wie ich es wollte. Orts- und zeitunabhängig arbeiten. Und für meine Ziele und Träume arbeiten und nicht für die meines Chefs.“
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Über Social Media traf sie auf Menschen, die genauso dachten und fühlten wie sie. Bei Instagram lernte sie ihre spätere Mentorin kennen, die sie sie ins Network-Marketing einführte. Plötzlich erlebte Radau Teamgeist statt Ellenbogengesellschaft. In diesem Fall mit einem österreichischen Familien-Unternehmen, das chemie- und plastikfreie Frischekosmetik vertreibt, dazu vegan und tierversuchsfrei ist. Silvia Radau machte sich zunächst selbst ein Bild von den Produkten – und war überzeugt von dem Gefühl auf der Haut. Radaus Aufgabe: Produkte empfehlen, die zu „frisch“ für den üblichen Handel sind, da sie auf Konservierungsmittel verzichten. „Ich mache das von Herzen, weil ich gemerkt habe, dass Menschen heutzutage gern auf Parfüm, Erdöl und Mikroplastik in ihrer Kosmetik verzichten möchten.“ Sie hat im Unternehmen ihr Unternehmen gegründet. Als eine von vielen Markenbotschafter weltweit.
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„Es gibt Menschen in dieser Branche, die sich dadurch ihre Träume verwirklichen konnten und zum Beispiel nach Zypern ausgewandert sind. Und das Schöne ist: Man schaut nicht mit Neid auf diesen Erfolg, sondern mit Anerkennung und das ist meine Motivation, dass man es auch selbst schaffen kann. Jeder ist der Gestalter seines Lebens.“
Silvia Radau fühlt sich angekommen. Sie lernt immer mehr Menschen kennen, die sich die gleichen Fragen wie sie selbst stellen: Was will ich? Wo will ich hin? Warum mache ich das? „Die meisten Menschen, denen ich bis dahin begegnet bin, trauen sich gar nicht mehr groß zu träumen. Weil sie von anderen ausgelacht werden könnten“, meint Radau. In ihrem neuen Netzwerk ist das anders. Hier darf man träumen. Und auch losgehen. Für Radau selbst ist das ein Herzensthema: „Ich möchte zeigen, dass in jeder Frau eine selbstbestimmte Unternehmerin steckt.“
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Zurzeit baut sich die 43-Jährige ihr zweites Standbein auf, indem sie Unternehmen zu mehr Sichtbarkeit auf Social Media verhilft. Sie hat für sich erkannt, dass Zeit ihr Luxus ist. Erfüllende Zeit, die sie mit ihrer Familie und ihren Tieren verbringen kann. „Ins Angestelltenverhältnis würde ich nie wieder zurückwechseln. Es gibt zwei Arten von Menschen: die, die auf Sicherheit setzen und die, die auf Freiheit setzen. Ich habe mich für Freiheit entschieden.“