Altenhof. Annika Stahl und Eric Zeppenfeld werden drei Jahre auf dem Meer leben. Wer einen aufregenden Urlaub erleben will, kann mit ihnen an Bord gehen.
Sie machen das, wovon andere träumen. Ohne Angst davor zu haben, was passieren könnte. Denn: Was kann schon passieren? Was könnte passieren, wenn sie ihre Komfortzone verlassen? Werden Sie Abenteuer erleben? Werden sie scheitern? Und wenn sie scheitern: Ist das wirklich schlimm?
„Wir gehen ohne Sorgen in die Welt“, sagt Annika Stahl. Die 26-Jährige aus Altenhof vertraut darauf, dass genau jetzt der richtige Zeitpunkt ist. Der richtige Zeitpunkt, um mit ihrem Freund Eric Zeppenfeld (27), um die Welt zu reisen. Nicht als Rucksack-Touristen mit dem Flugzeug, sondern als Entdecker auf dem Segelboot. 11,70 Meter lang, 3,90 Meter breit. Ein knapp 47 Quadratmeter großes Zuhause für die nächsten drei Jahre. Ein Zuhause, in dem sie die simplen Dinge machen können, die sie im Alltag genießen: draußen sein, bewegen, mit der Natur sein, am Wasser sein.
Die Verbindung zur Natur und das Leben im Hier und Jetzt
Annikas und Eric kennen sich schon ihr halbes Leben. Sie gehen zusammen zur Schule, mit 14 Jahren kommen sie zusammen. Nach der Realschule trennen sich aber erst mal ihre Wege. Eric geht zu den Fallschirmjägern nach Seedorf bei Hamburg, Annika macht eine Physiotherapie-Ausbildung in der Heimat. Fünf Jahre später treffen sie wieder aufeinander – und kommen wieder zusammen. Zu diesem Zeitpunkt hat Eric schon ein Jahr auf einem Boot gelebt, auf dem er das Segeln gelernt hat und die Küste Kroatiens kennengelernt hat. Die Freiheit, die Verbindung zur Natur, das Leben im Hier und Jetzt – das hat ihn schon damals erfüllt. Und inspiriert. „Seitdem hat die Idee schon in mir gelodert“, sagt er.
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Das Geld, das Eric in der Zeit bei den Fallschirmjägern verdient, spart er. Erst für das Boot in Kroatien, das er anschließend wieder verkauft, dann für den Umbau eines alten Vans seines Vaters. Währenddessen reift in Annika der Wunsch, eine Zeit lang nach Andalusien zu gehen, um zu surfen und Yoga zu machen. Eric entschließt sich mitzugehen. „Und schnell wurde daraus der Plan, in dem umgebauten Van durch Europa zu reisen“, erzählt Annika. Sie bieten ihre Hilfe auf ökologischen Farmen an und bekommen im Gegenzug Essen. Arbeiten, surfen, neue Menschen kennenlernen, neue Orte entdecken: Ein Jahr lang leben sie ihren Traum vom ungebundenen Leben.
„Danach wollten wir wieder Alltag haben. Uns war aber auch klar, dass wir andere Strukturen brauchten als die, die wir aus unserer Heimat kennen“, meint Annika. Also: Raus aus dem Sauerland, rein in die Stadt. Ihre Wahl fällt auf Mainz. Groß genug, um als Stadt zu gelten, klein genug, um sich ein Netzwerk aufbauen zu können. Annika arbeitet wieder als Physiotherapeutin und macht sich nebenbei selbstständig als Yoga-Lehrerin. Eric macht sich immer mehr einen Namen als Tätowierer. „Das lief richtig gut. Uns ging es gut“, erzählt Eric. Doch sie merken auch, dass sie nach den Corona-Jahren, mit der wiederkehrenden Alltagshektik, etwas anderes brauchen. Mehr Ruhe, mehr Fokus. Das Meer ist ihr Sehnsuchtsort. Hier zieht es sie immer wieder hin.
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„Wir haben uns die Frage gestellt, wie es jetzt weitergeht. Wo wir uns positionieren wollen“, sagt Annika. Sie haben in der Corona-Zeit ein Gefühl dafür bekommen, wie schnell Reise-Pläne durchkreuzt werden können. Mit dem Bewusstsein über den Klimawandel, dem steigenden Meeresspiegel, stellen sie sich die Frage, wie lange manche Inseln überhaupt noch existieren werden. Gleichzeitig haben sie keine Verpflichtungen: Sie haben kein Kind, kein Haustier, kein Eigentum. Jetzt ist der ideale Zeitpunkt für eine Weltreise. Jetzt ist der ideale Zeitpunkt, um am Meer zu sein. Segeln? Segeln.
Im November 2021 fassen Annika und Eric den Entschluss. Was folgt, sind intensive Recherchen. Welcher Bootstyp kommt in Frage? Wie soll das finanziert werden? Welche Versicherungen müssen abgeschlossen werden? Welches zusätzliche Equipment wird benötigt? „Und da wird noch während unserer Reise ganz viel auf uns zukommen. Wir werden noch so viel Neues lernen – und genau darauf haben wir richtig Bock“, meint Annika.
Vor drei Wochen lernten Annika und Eric schließlich Karl kennen – ihr Segelboot. Über eine Online-Plattform hatte ein Senior aus Athen das Boot zum Verkauf angeboten. Von den Angaben und Bildern passte alles. Also entschied sich das Paar nach Athen zu fliegen. Es war Liebe auf den ersten Blick. Drei Kabinen, eine Stehhöhe von 1,90 Metern, eine große Sitzlounge, Segel und Winschen in einem guten Zustand und eine Plattform an Deck, um die Yogamatte auszurollen. Oder um ein Glas Wein bei Sonnenuntergang zu genießen. Mit Solarpaneelen und einem 400-Liter-Wassertank können sie auch an abgelegenen Buchten autark sein. Annika und Eric schliefen eine Nacht, bevor sie sich endgültig entschieden – und unterschrieben den Kaufvertrag.
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Mittlerweile zählen sie rückwärts. Noch 18 Tage. Dann beginnt ihr Traum von der Weltumsegelung. Sie starten in Athen und segeln westwärts. Korfu, Sizilien, Sardinien, Korsika, Balearen, Andalusien und schließlich Richtung Kanaren. Zum Jahreswechsel 2024 planen sie die Atlantiküberquerung. Dabei möchten sie auch andere an den Abenteuern teilhaben lassen, die sie auf dem Wasser erleben. Virtuell über Instagram und Youtube, aber auch ganz real. Bis zu sechs Personen finden auf dem Boot Platz – und diesen möchten Annika und Eric gerne teilen. Mit Menschen, die Lust haben auf abgelegene Buchten, Kochabende unter Deck und Erkundungen von neuen Orten.
Mit Karl möchten Annika und Eric daran erinnern, dass jeder die Freiheit hat, das eigene Leben gestalten zu können. Frei zu sein wie das Meer. Sie werden sich Herausforderungen stellen, neue Grenzen kennenlernen, probieren, lernen. An dem einen oder anderen Punkt vielleicht auch scheitern. Und dann? Wird es weitergehen.
>>> SPARSAM FÜR DEN TRAUM
Das Segelboot haben Annika und Eric für 45.000 Euro gekauft. Für zusätzliches Equipment rechnen die beiden nochmal mit etwa 5000 Euro. Das Geld stammt aus ihrem Ersparten und dem Verkauf des früheren Segelbootes bzw. des umgebauten Vans. Darüber hinaus lebt das Paar sehr sparsam: Seit drei Jahren haben die Beiden kein Auto mehr, tragen Second-Hand-Kleidung und kochen lieber selbst statt essen zu gehen.
Mehr Eindrücke von der Weltumsegelung teilen Annika und Eric auf Instagram „karl.ocean“ und auf dem Blog www.karl-ocean.de