Attendorn. Geheimnisvolle Rauhnächte: Bei vielen Attendorner Bürgern sind die historischen Rundgänge nach Weihnachten durch die Straßen der Stadt beliebt.
In der Bütt ist Peter „Pittjes“ Höffer schon oft als Aktiver im Karneval aufgetreten und hat dort reichlich Kokolores erzählt. An diesem Abend steht der bekannte Attendorner am neuen Narrenbrunnen wieder in der Bütt, diesmal aber in seiner Rolle als Nachtwächter. Der vor kurzem eingeweihte Narrenbrunnen, Teil des Attendorner Skulpturenweges für Brauchtum und Stadtgeschichte, gehört zur abendlichen Tour durch die geheimnisvollen Rauhnächte.
Startpunkt der beliebten Rundgänge zwischen den Tagen durch die Straßen und historischen Gassen der Innenstadt ist der Alte Markt, wo die vielen Teilnehmer musikalisch vom Bläserkorps „Horrido“ Attendorn und lauten Schüssen der Valberter Jäger begrüßt werden. Und dann kommt auch schon Nachtwächter Peter „Pittjes“ Höffer auf den zentralen Platz zwischen Sauerländer Dom und Südsauerlandmuseum, stilecht ausgestattet mit Gewand, Horn, Leuchte und Hellebarde. Begleitet wird der Nachtwächter, der „Geschichte und Geschichten“ zu erzählen hat, von Ritter Günter vom Werth (Günter Sagafe), Marktfrau Hulda (Andrea Stießberg) und Rafael Dattoli, der in die Uniform eines preußischen Soldaten des Landwehrbataillons 35 aus der Zeit von 1835 geschlüpft ist.
Kleines Akkordeon blieb daheim
Die Begrüßung überlassen sie aber dem 88-jährigen Dieter Auert, der die Rolle als Nachtwächter längst an seinen ehemaligen Gesellen Höffer übergeben hat, bei den abendlichen Führungen durch die Rauhnächte als „De Karl“ aber nach wie vor dabei ist. Seine Quetsche, sprich das kleine Akkordeon, mit den vielen einprogrammierten Liedern, hat Auert wegen des einsetzenden Regens vorsichtshalber zu Hause gelassen. „Die ganz großen Sprünge kann ich nicht mehr machen, aber die kleinen mache ich noch gerne“, sagt er mit einem Augenzwinkern.
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Als der Regen immer stärker wird, bringen die Valberter Jäger ihre Gewehre in Sicherheit. Zuvor verrät ihr Chef Rasmus Berghaus, dass das Verhältnis des evangelisch geprägten Valbert im Märkischen Kreis und des katholisch dominierten Attendorn nicht immer so harmonisch war. So musste sich vor Jahrhunderten der Graf von Waldenburg nach einer verlorenen Schlacht mit sieben Wagen voller Toter und Verwundeter Richtung Heimat zurückziehen. „In Attendorner Geschichtsbüchern ist davon nichts erwähnt“, konnte sich Berghaus einen Seitenhieb nicht verkneifen. Heute gehören die Schützen aus Valberter zur Stadtschützengemeinschaft Attendorn.
Vorbei an der ältesten Kneipe der Stadt
Auf dem Weg durch das abendliche Stadtzentrum mit seinen historischen Orts- und Straßennamen führte der Weg der zahlreichen Besucher, die zum größten Teil bis zum Schluss dem Dauerregen trotzten, weiter zum Kleinen Markt – vorbei an der traditionsreichen Gaststätte „Zum Kuckel“, mittlerweile die älteste Kneipe der Hansestadt. Hier ist Peter „Pittjes“ Höffer zwar gut bekannt, den Zwischenstopp macht der Nachtwächter aber draußen und berichtet über die Bedeutung des mit viel Liebe zum Detail sanierten Gildehauses sowie die noch bestehenden Attendorner Zünfte und Bruderschaften.
Der Rundgang geht weiter über den Minna-Ursell-Platz, der an die jüdische Wohltäterin erinnert, durch die enge Gasse „Im Hohl“, wo vor Jahren fast der Schützenzug steckengeblieben wäre, bis zum Narrenbrunnen. Hier lässt es sich der Nachtwächter und leidenschaftliche Karnevalist nicht nehmen, die Gäste ein „dreifach Kattfiller“ anstimmen zu lassen. Der Pulverturm und der Bieketurm, die beiden noch erhaltenen Türme der ehemaligen Stadtmauer, dürfen auf der Tour natürlich nicht fehlen. Als preußischer Soldat hätte Rafael Dattoli den Pulverturm mit seinen genagelten Schuhen nicht betreten dürfen. Denn die Gefahr, dass die hier gelagerte Munition durch Funkenflug explodiert, wäre viel zu groß gewesen.
Einschmelzen der Glocke verhindert
Das Wasser im ehemaligen Feuerteich neben dem Bieketurm war nicht nur zum Löschen da. Damit wurden früher auch die Straßen zur Reinigung geflutet. Das war auch bitter nötig, denn bis vor 100 Jahren kippte der eine oder andere Attendorner seinen „Pinkelpott“ einfach aus dem Fenster auf die Straße. Natürlich weiß Peter „Pittjes“ Höffer eine lustige Geschichte darüber zu erzählen.
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Vor dem wiederaufgebauten Portal der Klosterkirche am Rathaus endet an diesem Abend eine Nachtwächterführung, bei der auch so manch Attendorner etwas Neues aus der Geschichte seiner Heimatstadt erfahren hat. So etwa das mutige Einschreiten des evangelischen Pastors Johannes Thomä, der im 2. Weltkrieg zumindest das Einschmelzen der kleinen Glocke der Erlöserkirche verhindern konnte.