Kreis Olpe. Dr. Martin Junker erwartet Probleme durch neues Gesetz. Nezahat Baradari (MdB) gibt ihm Recht, hat aber einen Lösungsvorschlag.
Der Rhoder Arzt und Ärztefunktionär Dr. Martin Junker schlägt die Alarmglocke: In seiner Eigenschaft als Bezirksstellenleiter der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) hat er einen Brief an die heimischen Bundestagsabgeordneten geschrieben, um ein geplantes Gesetzesvorhaben zu stoppen.
Es geht um das „Gesetz zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung“, das als „GKV-Finanzstabilisierungsgesetz“ und mit der kryptischen Buchstabenkombination „GKVFinStG“ abgekürzt wird. Junker fürchtet „erhebliche Auswirkungen auf die ambulante medizinische Versorgung der Menschen in unserer Region“, sollte das Gesetz verabschiedet werden wie im Entwurf vorgesehen. „Als niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, die täglich Patienten versorgen, sehen wir die geplanten Änderungen sehr kritisch und ich halte es daher als Bezirksstellenleiter der KVWL in Südwestfalen für meine Pflicht, Sie rechtzeitig über die Folgen dieses Gesetzes zu informieren“, warnt Junker die Abgeordneten.
1,2 Milliarden Euro weniger
Insbesondere spricht Junker dabei die geplante Abschaffung der sogenannten „Neupatientenregelung“ an. Der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) habe diese erst vor zwei Jahren „mit einer vehementen Unterstützungsrede von Herrn Lauterbach“ eingeführt. Diese Regelung sorgt dafür, dass niedergelassene Ärzte für Patienten, die den Arzt wechseln oder die länger als zwei Jahre nicht beim Arzt waren, einen Aufschlag bekommen, weil gerade die Erstaufnahme eines Patienten besonders viel Zeit und Aufwand erfordere. Diese Regelung habe ermöglicht, dass Ärzte Zusatzsprechstunden einrichten konnten, weil eben der Zusatzaufwand honoriert worden sei. Oft ist dies als „offene Sprechstunde“ bekannt, die gerade Neupatienten nutzen können. Der Wegfall dieser Regelung entspreche einem Gesamthonorar von rund 1,2 Milliarden Euro im Jahr, „Geld, das jetzt dem ärztlichen Honorar entzogen wird“.
Seine Prognose, wird das neue Gesetz so verabschiedet wie geplant: „Es wird wieder längere Wartezeiten für alle Patienten geben. Es wird für neue Patienten in den Praxen länger dauern, bis sie einen neuen Hausarzt, Kinderarzt oder Facharzt finden. Die Bereitschaft der jungen Kolleginnen und Kollegen zur Niederlassung wird abnehmen! Das aber wirft noch größere Probleme der Nachfolge in unseren Praxen auf, wie schon bisher.“
Er ruft die Abgeordneten auf: „Auch Sie haben ein Mandat und sind politisch tätig. Ich möchte Sie daher eindringlich bitten, Ihre politische Verantwortung gegenüber jenen Menschen wahrzunehmen, die Ihnen das Bundestagsmandat übertragen haben. Sprechen Sie für Ihre Wählerinnen und Wähler, geben Sie ihnen eine Stimme! Sorgen Sie dafür, dass die angedachte Aufhebung der Neupatientenregelung im zur Abstimmung stehenden Entwurf des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes im Bundestag keine Mehrheit findet!“
Insbesondere hofft Junker auf eine Reaktion der Attendorner SPD-Bundestagsabgeordneten Nezahat Baradari, „sie ist ja Kollegin und hat daher Sachkunde und müsste wissen, was das alles heißt“. Und in der Tat: Die Kinder- und Jugendärztin ist in der Sache ganz bei Junker. Sie bereitet gerade die Antwort an Junker vor und fasste im Gespräch mit unserer Redaktion das Wesentliche zusammen: „Was das angeht, schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Als Abgeordnete weiß ich, dass wir sparen müssen. Aber als Ärztin gebe ich Dr. Junker vollkommen recht. Ich sehe das ähnlich und werde im Gesundheitsausschuss alles tun, damit es nicht soweit kommt.“ Sie habe dem Gesundheitsminister bereits schriftlich ihre Bedenken mitgeteilt.
Insbesondere in ihrem persönlichen Fachbereich, der Pädiatrie, würde sich eine solche Änderung auswirken, denn „bei Kinderärzten ist ja jedes Kind erst einmal ein Neupatient“. Allerdings sieht sie noch einen ganz anderen Weg, um aus der Misere herauszukommen: „Letztlich ist hier der Finanzminister gefragt, denn der müsste nur den Fuß von der Schuldenbremse nehmen.“ Hier könnte Junker wohl auch Einfluss nehmen: Er ist ein Parteifreund von Christian Lindner.