Kreis Olpe. Hohe Zinsen und explodierende Baukosten machen den Traum vom Eigenheim im Kreis Olpe fast unerreichbar. Es gibt aber auch gute Nachrichten.

Guido Becker ist seit 35 Jahren Architekt in Olpe und spricht das aus, was die gesamte Baubranche in diesen Tagen umtreibt: „Eine solche Zinssteigerung in so kurzer Zeit habe ich noch nie erlebt. Und das bei gleichzeitig enorm gestiegenen Baukosten.“ Seit 2015 seien die Kosten fürs Bauen um rund 50 Prozent in die Höhe geschnellt. Becker: „Wir planen aktuell für ein halbes Dutzend Wohnungsbauprojekte. Ob die angesichts der Zinsentwicklung tatsächlich realisiert werden, ist sicherlich fraglich.“

Dipl.-Ing-Architekt Guido Becker zur Lage in der Baubranche.
Dipl.-Ing-Architekt Guido Becker zur Lage in der Baubranche. © Josef Schmidt

Apropos Zinsen: Besorgte Stimmen aus der Bau-, aber auch der Finanzbranche machen die Runde: Willi Rücker, Vorstand der Sparkasse Olpe-Drolshagen-Wenden (ODW), hatte erst Dienstag Abend bei der Veranstaltung WP-Mobil in Rothemühle mit Blick auf die geplanten neuen Bauplätze auf dem Balcke-Dürr-Gelände darauf hingewiesen, dass angesichts der Zinsentwicklung „vieles im Fluss“ sei. Peter Schauerte, Abteilungsleiter der Sparkasse ODW, konnte die Einschätzung seines Chefs am Freitag Nachmittag mit konkreten Zahlen bestätigen: „Der Zinsmarkt ist kräftig in Bewegung. In dieser Woche nur in eine Richtung. Wir haben jeden Tag eine Zinserhöhung auf dem Kapitalmarkt gesehen. Das wirkt sich direkt auf die Bauzinsen aus.“ Bei einem durchschnittlichen Kreditvertrag liege man aktuell bei rund 4 Prozent Zinsen – Laufzeit: 10 Jahre/Tilgung 1,5 Prozent.

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Zur Erinnerung: Noch vor weniger als einem Jahr jubelten Bauherren über Kreditzinsen von einem Prozent oder knapp darunter. Aber auch die Baukosten, teilweise auch die Grundstückskosten, sind in den vergangenen Jahren davongelaufen. Das kann Beckers Architektenkollege Florian Hahnl (Olpe) bestätigen, der aktuell mehrere Einfamilienhausprojekte betreut: „Ein in unserer Region übliches Einfamilienhaus mit Keller, auf den man im Sauerland aufgrund der Hanglagen oft kaum verzichten kann, muss mit rund 550.000 bis 600.000 Euro taxiert werden, bei einer Hausgröße von 170 bis 180 Quadratmetern.“ Grundstückspreise von über 200 Euro pro Quadratmetern und teilweise sogar deutlich mehr, bei Verkäufen von privat an privat, seien im Raum Olpe ebenfalls keine Utopie.

Florian Hahnl, Architekt aus Olpe, erklärt die hohen Baukosten.
Florian Hahnl, Architekt aus Olpe, erklärt die hohen Baukosten. © WP | Josef Schmidt

Dass viele Kunden dennoch nicht deutlich kleiner bauen wollten, sei nachvollziehbar: „Die Familien wollen unter anderem größere Kinderzimmer als früher, mindestens 16 Quadratmeter. Arbeitszimmer werden immer wichtiger, da Homeoffice fast zur Regel geworden ist.“ Und großzügige Wohn- und Essbereiche von 50 Quadratmetern und mehr gehörten ebenfalls zum Standard. Die größeren Kinderzimmer würden auch mit Blick auf ein späteres Studium bewusst gewählt: „Wegen der unbezahlbaren Mieten in Köln, Hamburg oder München studieren wieder mehr junge Leute in der Region und wohnen zu Hause. Da machen größere Kinderzimmer Sinn.“ 2015, erinnert sich Hahnl, „kurz bevor die Preise spürbar gestiegen sind, war ein solches Projekt noch für 330.000 bis 350.000 Euro realisierbar.“

Kommt der große Einbruch?

Höhere Zinsen bei steigenden Baukosten führt zur Frage: Steht der Baubranche der große Einbruch bevor? „Möglicherweise müssen wir als Städte und Gemeinden umdenken“, sagt Drolshagens Bürgermeister Uli Berghof. Hintergrund: Neues Bauland zu schaffen war in den vergangenen Jahren erklärtes Ziel aller Kommunen im Kreis Olpe. Aber, so Berghof: „Wir erleben gerade in unserem von der Stadt erschlossenen Baugebiet in Hützemert ,Unterm Sportplatz’ (13 Bauplätze), dass Bauwillige, die jahrelang darauf gewartet haben, kurz vor dem Notartermin einen Rückzieher machen.“ Grund: „Nicht mehr finanzierbar.“ Und das, obwohl die Grundstückspreise seitens der Stadt Drolshagen mit 95 Euro pro Quadratmeter als moderat zu bezeichnen seien. Auch in Drolshagen würden bei Verkäufen von privat an privat Quadratmeterpreise von über 200 Euro aufgerufen.

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Erste Anzeichen für eine Abkühlung des Marktes stellte Architekt Hahnl im Jahresverlauf schon fest: „Eine Ausschreibung, die wir Anfang des Jahres gemacht hatten, haben wir aktuell noch einmal rausgeschickt. Die Ergebnisse liegen rund zehn Prozent unter denen des Frühjahrs.“ Möglicherweise sei der Gipfel der Baupreise überschritten. Einen spürbaren Rückgang von Wohnbauprojekten, so Hahnl, sehe er allerdings noch nicht. Kollege Becker ist sich sicher, dass die Themen Bauzinsen und Baukosten bei zukünftigen Planungen zunehmend in den Fokus rücken würden: „Das wird immer mehr ein Thema werden.“

Ein Blick auf die andere Seite der Zinsentwicklung: Ein kleines bisschen profitieren die Verbraucher auch von steigenden Zinsen, wie Sparkassendirektor Dieter Kohlmeier im Gespräch mit unserer Redaktion in der Vorwoche andeutete. Auf die Frage, ob es ein Comeback des guten alten Sparbuches geben werde, wagte er die Prognose: „Ja, es wird wieder Zinsen auf dem Sparbuch geben. Das wird sich aber vermutlich erst einmal unter einem Prozent bewegen.“