Rothemühle. Die Aktion „WP-Mobil“ fand an einem Ort statt, den es nach derzeitigen Planungen im nächsten Jahr nicht mehr geben wird.
Ob nun Apparatebau Rothemühle, Brandt & Kritzler, Hamon-Cottrell oder zuletzt Balcke-Dürr genannt: Die Rothemühler haben großes Interesse daran, wie die Zukunft des riesigen Firmengeländes aussieht, auf dem viele Menschen jahrzehntelang ihren Lebensunterhalt verdient haben. Da wundert es nicht, dass über 30 Interessierte am Dienstagabend den Weg zur Aktion „WP-Mobil“ fanden, die passend zum Thema in der riesigen Halle 1 stattfand. Die Westfalenpost wollte den Bürgern von Rothemühle, Heid und Umgebung Gelegenheit geben, mit der Redaktion über die Themen ins Gespräch zu kommen, die ihnen auf den Nägeln brennen. Und davon machten sie reichlich Gebrauch. Interessanter Aspekt am Rande: Die Halle 1 ist derzeit verpachtet, und zwar an die Firma ITC, die Alexander Czenkusch gehört. Dieser hatte zusammen mit Stefan „Trecker“ Müller die Ursprungs-Idee zu einer neuen Verwendung des Brandt-Areals, war aber bei der Konzeptvergabe unterlegen. Stefan Müller war Gast beim Besuch des WP-Mobils und zückte spontan den Schlüssel, um das Treffen in dem authentischen Industrie-Ambiente der einst größten Werkshalle im gesamten Kreis Olpe zu ermöglichen. Er zeigte sich somit als fairer „zweiter Sieger“, der mit der Sparkasse im Gespräch steht und ihr für das Projekt gutes Gelingen wünscht.
Keine Großbetriebe
Zunächst hatte Sparkassen-Vorstand Willi Rücker Gelegenheit, über den aktuellen Stand des Konzepts zu informieren, das das Investoren-Trio Pyramis GmbH, Sparkasse und Gemeinde mit dem Areal umsetzen will. „Wir rechnen damit dass der Bebauungsplan schon im nächsten Jahr rechtskräftig wird, so dass dann mit den Arbeiten begonnen werden kann“, sagte Rücker auf die mehrfach gestellte Frage nach dem Zeitfenster. Klar sei, dass die Hallen und aufstehenden Gebäude bis auf die Hallen 4 und 6 abgerissen würden. Anders als ursprünglich geplant werde die Entwicklungsgesellschaft auch keine eigenen Gebäude errichten, um diese zu vermieten. Rücker: „Die Interessenten wollen alle selbst bauen.“ Sparkassen-Niederlassungsdirektor Paul Sieler: „Wir glauben auch, dass das dafür sorgt, dass die Bindung an diesen Standort größer wird.“ Das Interesse sei immens: „Die Nachfrage von Handwerkern und kleineren Betrieben, sich hier ansiedeln zu können, ist sehr groß“, versicherte Rücker. Beide Sparkassenvertreter versicherten, dass das neu entstehende Gewerbegebiet nicht für die Ansiedlung von Großbetrieben vorgesehen sei: „Grundstücke von etwa 2500 bis 3000 Quadratmeter sind vorgesehen“, so Rücker.
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Inwieweit das Interesse für die rund zwölf neuen Bauplätze, die auf dem ehemaligen Werksparkplatz erschlossen werden sollen, anhalte, so Rücker, sei derzeit schwierig zu prognostizieren: „Die Baukosten steigen immens, und jetzt auch die Zinsen. Da ist vieles im Fluss.“ Klar sei: Die Nachfrage im Wohnungsbau sei rückläufig. Vorstellbar sei, dass hier auch Reihen- oder Doppelhäuser realisiert würden, um kleinere und damit günstigere Baufenster zu ermöglichen. Zu den Projektkosten für das Investoren-Trio verwies Rücker unter anderem auf die langjährige Erfahrung des ehemaligen Olper Landrats und jetzigen Pyramis-Projektleiters Frank Beckehoff, was die Akquise von Fördermitteln aus Zuschuss-Töpfen angehe. Dass es auf dem Balcke-Dürr-Gelände für die Realisierung des Gesamtkonzeptes (Verlegung des Biggeverlaufes) eine Konfrontation mit privatem Wasserrecht geben könne, glauben Rücker und Sieler nicht. Mehrfach äußerten sie ihr Bedauern, keine konkreteren Angaben machen zu können – aber vieles liege daran, dass ursprünglich von kürzeren Mietverträgen ausgegangen worden sei. Rücker: „Eigentlich hatten wir geplant, bis Jahresende schon mit dem Abbruch begonnen zu haben. Jetzt laufen die Mietverträge aber bis Jahresende und wir können erst danach loslegen.“ Dies werde nun im ersten Quartal 2023 erfolgen.
Wie groß das Interesse in den umliegenden Orten am Brandt-Areal ist, zeigte eine spontane Frage in die Runde, wer denn von den Anwesenden hier mal sein Geld verdient hat: Gut die Hälfte der Anwesenden zeigte auf, und viele Wortbeiträge zeigten, dass die Verbindung der Rothemühler und Heider zum Apparatebau auch emotional ist, weil hier zum Teil schon die Väter und Großväter der Anwesenden gearbeitet haben.
Bigge wird geöffnet
Ratsherr Martin Solbach (CDU) aus Heid betonte, er begrüße es sehr, dass das Pyramis-Konzept den Zuschlag bekommen habe, denn es gebe eine extrem hohe Nachfrage nach Gewerbe- und Industriefläche, und die Gemeinde habe praktisch nichts mehr zu vergeben. Sein Ratskollege von der UWG, Heinz Zimmermann, betonte, bei der Ansiedlung müsse darauf geachtet werden, Betriebe zu finden, die das Ambiente des künftigen parkähnlichen Gewerbeareals nicht störten, denn die geplante Offenlegung der Bigge werde dafür sorgen, dass das Gelände attraktiver werde und auch zum Spaziergang einlade.
Großes Interesse herrschte an der geplanten „Kulturhalle“, die aus der Werkshalle 4 werden soll. Die Bürgerinnen und Bürger betonten, dass es sehr wünschenswert sei, wenn diese einen öffentlichen Charakter bekommen würde. Willi Rücker erklärte, dies sei auch ein großes Ziel der Entwicklungsgesellschaft. Übereinstimmung herrschte, dass es wünschenswert sei, wenn hier die Gemeinde als Investorin mit einsteige, denn eine derartige kulturelle Veranstaltungshalle würde auch weit über Rothemühle hinaus Nutzer finden und könne von der Gemeinde als zweite Veranstaltungsstätte neben der Aula der Gesamtschule dienen.
Martin Solbach lenkte den Blick dann weg vom Apparatebau-Gelände hin auf die Gesamtsituation des oberen Biggetals. Er betonte, er finde es äußerst ärgerlich, dass durch politische Vorgaben nur Dörfer mit mehr als 2000 Einwohnern als Entwicklungsorte angesehen würden. In Rothemühle gebe es die Sondersituation, dass eigentlich Rothemühle, Rothenborn, Heid, Vahlberg und auch Brün gemeinsam zu betrachten seien. „Wir haben eine Infrastruktur, die hat manches größere Dorf nicht mal in Ansätzen“, so Solbach, „da müsste eigentlich ein Aufschrei aus der Bevölkerung kommen, dass wir auch Entwicklungsmöglichkeiten wie größere Orte zugebilligt bekommen“. Dem stimmte Erhard „Ecki“ Wirth ausdrücklich zu. Heinz Zimmermann betonte, dass die Kritik sich hier aber nicht gegen die Gemeinde richte, denn die Entscheidung diesbezüglich sei Landessache. Handlungsbedarf sei aber in der Tat da: „Wir haben bei der vergangenen Änderung des Flächennutzungsplans gerade 0,6 Hektar Bauland für Heid und ungefähr ein Hektar für Rothemühle zugesprochen bekommen. Auf der Warteliste stehen aber 40 bis 50 junge Leute, die gern bauen würden.“ Ratsherr Franz Henke (CDU) aus Gerlingen nutzte die Gelegenheit, die Gemeinde zu kritisieren: Diese habe sich stets gegen die private Erschließung von Bauland durch Investoren verweigert. Dies hätte, so seine Theorie, oft für mehr Tempo und auch niedrigere Kosten sorgen können.
Insgesamt war festzustellen, dass die Sparkassen-Pläne für das Areal in der Runde auf große Zustimmung stoßen. Die Anwesenden erklärten, gern zu akzeptieren, dass das einst für die Industrie erschlossene Gelände auch in Zukunft wieder Arbeitsplätze realisieren könne. Dabei sei davon auszugehen, dass die Emissionen früherer Zeiten nicht mehr befürchtet werden müssten. Kritik gab es an der Interims-Nutzung des einstigen Firmenparkplatzes, der als Speditionshof und als Bauhof für die Glasfaserverlegung genutzt wird. Rücker erklärte, beides gehe mit dem Jahresende vorbei.