Attendorn. Dem Ostwall droht die Fällung von 15, vielleicht sogar 30 teils noch gesunden Bäumen. Welche Rolle dabei Versorger von Gas und Wasser spielen.

Der historisch gewachsene, Allee-artige Charakter des Ostwalls in Attendorn mit seinen rund 30 Bäumen könnte sich komplett verändern. Nämlich genau dann, wenn ein Teil dieser Linden gefällt wird. Etwa die Hälfte der Bäume wird von einem Baumgutachter als kurzfristig erneuerungsbedürftig eingestuft. Doch auch die Fällung aller Linden ist eine Option, mit der sich die Politik intensiv beschäftigt. Den Königsweg gibt es wohl nicht. Einen Aufschrei in der Attendorner Bevölkerung hingegen schon. Genauso wie eine Verwaltung, die sich dem Eindruck verwehren möchte, als „Baum-Killer“ abgestempelt zu werden.

Rund 30 Attendorner Bürger laufen am Mittwochabend über die Wälle und protestieren friedlich gegen die mögliche Abholzung einiger Bäume.
Rund 30 Attendorner Bürger laufen am Mittwochabend über die Wälle und protestieren friedlich gegen die mögliche Abholzung einiger Bäume. © Flemming Krause

Mittwochabend. Rund 30 Bürger kommen am Bieketurm zusammen. Ihre Forderung ist eindeutig: Die Bäume sollen erhalten bleiben. Alle Linden, soweit sie keine Gefahr für Leib und Leben darstellen. Auf dem gesamten Wall – es geht nicht nur um den Ostwall – stehen etwa 60 Bäume zur Disposition. Andreas Ufer, Alexander Henze und Michael Frey fordern Stadt und Politik in einem Antrag auf, den „Erhalt jedes einzelnen Baumes in den Vordergrund der Entscheidung zu stellen, auch bei geschädigten Bäumen alle Maßnahmen zu ergreifen, um eine Fällung zu vermeiden“. Dies sei vor allem angesichts der ökologischen Bedeutung mit Blick auf den Klimawandel essenziell.

DIN-A-4 große Plakate

Ihrer Forderung verleihen sie am Mittwochabend ein Gesicht, in dem sie an jedem Baum, dem die Axt droht, eine Warnung hinterlassen. „Mir droht die Axt. Willst du, dass ich weiter Schatten spende?“ oder „Mir droht die Axt. Willst du, dass ich überlebe“ steht auf den DIN-A-4 großen Plakaten. „Die Bäume sind wichtig für unser Mikroklima und es sähe einfach ärmlich aus auf unserem Wall ohne sie“, sagt Ufer.

Auch interessant

Der Grund, warum die Emotionen rund um die möglichen Baum-Fällungen hochkommen, liegt im Innenstadtentwicklungskonzept begründet. Dieses sieht nämlich vor, die vier Wälle im kommenden Jahr neu zu gestalten. Dafür kann die Stadt auch Fördermittel bei der Bezirksregierung beantragen, sie braucht allerdings schnellstens eine politische Entscheidung darüber, wo die Zukunft der Wälle liegt. Um bis Ende September noch einen entsprechenden Förderantrag zu stellen.

+++ Das könnte Sie interessieren: Irrtum: Schaffnerin wirft über 20 Fahrgäste aus dem Zug +++

Am stärksten betroffenen Abschnitt, dem Ostwall, wird das Dilemma offensichtlich. Es gibt zwei Möglichkeiten. Erstens: Hier werden nur die Bäume entfernt, die „nicht mehr standsicher, krank oder deutlich sichtbar nicht mehr vital sind“, erklärt die Verwaltung. Diese Bäume würden dann durch Neupflanzungen ersetzt. Bei dieser Möglichkeit bliebe das Bild des Ostwalls, den viele Bürger als grüne Lunge bezeichnen und beispielsweise für einen abendlichen Spaziergang nutzen, weitgehend erhalten. Doch es gibt auch einen Nachteil – und der liegt unter dem Gehweg: hier liegen verschiedene Versorgungsleitungen für Gas, Wasser und Internet, die dem Wurzelwerk in die Quere kommen und schaden, und die auch bei der Neupflanzung von Bäumen hinderlich sind.

Nachhaltigere Entwicklungsperspektive

Insofern ist Möglichkeit zwei, die Fällung aller 30 Bäume am Ostwall, ein zumindest denkbares Szenario. Denn es hätte einen Vorteil, wie Baudezernent Carsten Graumann im Gespräch mit dieser Redaktion erklärt: „Wenn dort alles neu gemacht würde, könnten wir sämtliche Leitungen in die Mitte des Weges legen und könnten dann auf beiden Seiten neu pflanzen. Wir würden damit einen optimierten Wurzelbereich für die zu pflanzenden Bäume schaffen.“ Der neue Baumbestand würde also eine nachhaltige Entwicklungsperspektive bekommen, ohne den dann gebündelten Leitungen im Wege zu stehen. Der große Nachteil: Hierbei würden eben auch die komplett gesunden Linden gefällt.

Eigene Internetseite

Auf den DIN-A-4 großen Plakaten, von denen ein paar am Donnerstag schon wieder abgerissen wurden, wird auch auf die Internetseite www.stadtentwicklung-attendorn.de hingewiesen. Dort finden Interessierte den Bürgerantrag zum Erhalt möglichst aller Bäume samt Erklärungen. Ebenso ist ein QR-Code auf den Plakaten abgedruckt. Die Plakate sollen bis Anfang nächster Woche hängen bleiben und werden dann von den Initiatoren wieder abgenommen.

Die Politik wird sich am kommenden Montag in der Sitzung des Ausschusses für Planen, Bauen, Klima- und Umweltschutz mit dem Thema befassen. Die Sitzung ist öffentlich und startet um 17 Uhr in der Stadthalle.

Und noch etwas liegt dem Baudezernenten auf dem Herzen: „Offenbar ist der Eindruck entstanden, wir wollen ohne Rücksicht alle Bäume fällen. Das Gegenteil ist der Fall, natürlich sind wir für den Erhalt von Bäumen, sie sind wichtig für das Mikroklima und wir wollen viel Grün in unserer Stadt.“ Dass dieser Eindruck tatsächlich entstanden ist, wird auf dem Rundgang mit Ufer, Frey, Henze und Co. am Mittwochabend deutlich. Eine Teilnehmerin merkt beiläufig, aber doch sarkastisch an: „Attendorn will doch bis 2030 klimaneutral werden. Deswegen müssen jetzt alle Bäume weg“. Die Entscheidung, wie viele Linden am Ende tatsächlich der Axt zum Opfer fallen, liegt nun in den Händen der Politik.