Drolshagen. Die letzte Zigarette habe ich bewusst wahrgenommen. Mich darauf konzentriert, welchen Dreck ich einatme.“ Wie Georg Melcher Nichtraucher wurde
Früher war Rauchen salonfähig. Ein Ausdruck von Gemütlichkeit, Genuss, sogar von Eleganz. Diese Zeiten sind vorbei. Spätestens seit dem Nichtraucherschutzgesetz, das 2013 in NRW in Kraft trat, ist das Bild von rauchenden Zigaretten aus sämtlichen öffentlichen Einrichtungen und auch aus Kneipen verschwunden. Weg von der breiten, öffentlichen Wahrnehmung. Für unsere Serie war es deswegen gar nicht so einfach, einen Ex-Raucher zu finden, der mit unserer Redaktion über seine frühere Sucht und vor allem über das Geld, das er in mehreren Jahren verraucht hat, sprechen wollte. Am Ende erklärte sich Georg Melcher, CDU-Fraktionsvorsitzender in Drolshagen, bereit. Der 63-Jährige rauchte eine Zigarettenschachtel pro Tag, über 32 Jahre lang. Bis zum 25. September 2013. Mit dem Geld, was er seitdem eingespart hat – 21.529,20 Euro – könnte er sich theoretisch einen neuen Mittelklasse-Kleinwagen kaufen.
„Das erste Mal habe ich mit 18 Jahren eine Zigarette geraucht. Das war rund um die 500-Jahr-Feier, als auch Drolshagens Partnerstadt De Fryske Marren zu Gast war. Da hat man mal eine mitgedreht und probiert“, erinnert sich Melcher. Einfach mal testen, früher hätten schließlich viel mehr Leute und überall geraucht. Über die Jahre wurde der Konsum regelmäßiger. „Als ich in Köln studiert habe, habe ich mit zwei guten Kumpels immer mal wieder Skat-Abende veranstaltet, bei denen wir geraucht haben“, sagt Melcher. Aus Regelmäßigkeit wurde Gewohnheit. Mit 22 rauchte er schließlich eine Schachtel pro Tag. Das waren zu der Zeit zwei Mark täglich. Viele Jahre blieb er der Marke „Camel“ treu, wechselte zwischenzeitlich zu „HB“ um später wieder zu „Camel“ zurückzukehren.
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Mit dem Nichtraucherschutzgesetz wurde es für Raucher ungemütlich
Die Zigarette war für Melcher ein Ritual. Auch bei seiner früheren Arbeit als Kriminalbeamter. „Sich morgens mit einer Tasse Kaffee und einer Zigarette an den PC zu setzen und die Eingänge zu kontrollieren – das hatte schon was“, meint Melcher und lacht. Bis auch sein Arbeitsplatz im Rahmen des Nichtraucherschutzgesetzes rauchfrei wurde. Seitdem sei es für Raucher ungemütlich geworden, vor allem in der Freizeit. „Rauchen war ab dem Zeitpunkt nicht mehr schön. Plötzlich musste man nach draußen gehen, in den Regen, im schlimmsten Fall an den Mülltonnen stehen.“ Auch zuhause ging Melcher aus Rücksicht zu seinen zwei Kindern zum Rauchen nur noch auf den Balkon. Seine Frau war übrigens immer Nichtraucherin.
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Mehrmals hatte Melcher versucht mit dem Rauchen aufzuhören. Zum Beispiel in der Zeit, als sein Vater und sein Schwiegervater innerhalb weniger Wochen nacheinander verstarben. Beide erlagen dem Krebs. Natürlich war dem heute 63-Jährigen bewusst, dass im Tabak krebserregende Stoffe stecken. Dass viele Raucher an Lungenkrebs erkranken, nicht wenige daran sterben. So wollte er nicht enden. Er hörte mit dem Rauchen auf – und fing wieder an. „Das Verlangen war einfach da. Es hatte damals noch nicht ‘klick’ gemacht im Kopf“, sagt Melcher rückblickend.
Mit einem Ratgeber-Buch hat er seine Identität geändert
Dieser „Klick“ kam mit einem Buch. Allen Carrs „Endlich Nichtraucher! Der einfache Weg mit dem Rauchen Schluss zu machen“. Es war ein Geschenk von seiner Frau im Sommer 2013. „Ich habe ein paar Seiten gelesen, es weggelegt, wieder ein paar Seiten gelesen und es wieder weggelegt. Am Anfang habe ich mich echt gefragt, wovon der da schreibt“, meint Melcher. Irgendwann kam er aber an dem Punkt, an dem er sich und seine Muster erkannte. Das „Warum“ und das „Wie“ wurde ihm bewusst. Und genau das waren die Ansatzpunkte, mit denen er den Schalter im Kopf umlegen konnte. Durch das Buch hat er seine Denkweise, sein Verhalten, sogar seine Identität geändert. Wenn man ihn heute fragt, ob ihm das Aufhören schwer gefallen sei, antwortet er: „Nein. Ich bin ja Nichtraucher.“
Seine letzte Zigarette rauchte Melcher am 25. September 2013. Auf dem Balkon, auf den er früher schon aus Rücksicht auf seine Kinder ausgewichen ist. „Diese letzte Zigarette habe ich ganz bewusst wahrgenommen. Mich ganz darauf konzentriert, welchen Dreck ich mit ihr einatme.“ Dann drückte er sie aus – und war rauchfrei. Einen Rückfall gab es bis heute nicht. Und auch Angst, dass er nochmal schwach werden könnte, hat Melcher nicht. Das Buch steht auf einem Regalboden über dem Bett, immer griffbereit.
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Georg Melcher hat vor allem aus gesundheitlichen Gründen mit dem Rauchen aufgehört. Aus Neugier hat er aber mal selbst überschlagen, wie viel er als Nichtraucher spart – ausgehend von seinem ersten Tag als Nichtraucher bis zum Erreichen des 80. Lebensjahres, also die durchschnittliche Lebenserwartung eines Mannes in Deutschland. Die Summe hat er auf einem symbolischen Scheck eingetragen und ihn ins Buch gelegt. Der Betrag: 45.625 Euro.